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Brauchen Sie einen Boten? Die Schweiz kann helfen

Was die «Botin» Schweiz mit den USA und Iran zu tun hat

Funeral procession in Tehran
Am Montag wurden die Särge von Qasem Soleimani und anderen, die im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet wurden, während eines Trauerzugs auf einem Lastwagen auf den Platz der Islamischen Revolution in Teheran gebracht. Keystone

Die Lage zwischen den USA und Iran spitzt sich zusehends zu. Die Schweiz vertritt die Interessen der USA im Iran und gerät damit ins Scheinwerferlicht. Warum aber hat die neutrale Schweiz überhaupt etwas mit dem Konflikt zu tun?

Am Sonntag wurde der Schweizer Gesandte, der in Teheran die Interessen der USA vertritt, von den iranischen Behörden einbestellt. Es ging um die Drohungen, die US-Präsident Donald Trump über Twitter verbreitet hatte. Trump drohte im Fall von Angriffen auf Amerikaner ausdrücklich mit der Zerstörung von Kulturstätten im Iran.

Am 3. Januar hatten die USA den iranischen Generalmajor Qasem Soleimani mit einem gezielten Raketenangriff getötet. Der Iran drohte mit Vergeltung, nachdem die USA am Freitag bestätigt hatten, dass Trump den Schlag gegen den Chef der iranischen Quds-Elitetruppe befohlen hatte.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigte, dass es «unter dem Schutzmacht-MandatExterner Link» zu einem Treffen gekommen sei. Der Inhalt aber sei «vertraulich».

Die Schweiz nimmt seit 1980 die Interessen der USA im Iran wahr. In jenem Jahr hatte Washington die Beziehungen zu Teheran abgebrochen, wegen des Geiseldramas, bei dem 52 amerikanische Diplomaten und Bürger 444 Tage lang in der US-Botschaft im Iran festgehalten worden waren.

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Kai Reusser / swissinfo.ch

Was ist ein Schutzmacht-Mandat?

«Wenn zwei Länder einander den Krieg erklären, brechen sie als erstes die diplomatischen Beziehungen ab. Das ist das Dümmste, was sie tun können – doch das geschieht immer», sagte Philippe Welti, ehemaliger Botschafter in Teheran, 2013 in einem Interview mit swissinfo.ch.

«Sobald zwei Länder die diplomatischen Beziehungen abbrechen, wird die Notwendigkeit, sich um die Beziehungen zu kümmern, immer dringlicher, da sie es nicht selber tun. Man braucht dazu eine dritte Partei. Und weil die Schweiz in den 1940er-Jahren an keinen Kriegshandlungen beteiligt war, hielt man es für besonders angebracht, die Schweizer um die Wahrnehmung verschiedener Interessen zu bitten», so Welti.

Das sei auch heute noch der Fall, heisst es beim EDAExterner Link. «Die Schweiz kann Brücken bauen, wo andere blockiert sind, weil sie keinem der Machtzentren angehört und keine versteckte Agenda verfolgt.»

Diese Brückenbauer-Funktion nimmt die Schweiz in Form von Guten DienstenExterner Link oder den bereits erwähnten Schutzmacht-Mandaten wahr. Gemäss der Charta der Vereinten Nationen (UNO) umfasst der Begriff Gute Dienste «sämtliche diplomatischen und humanitären Initiativen eines Drittlandes oder einer neutralen Institution, deren Ziel die Beilegung eines bilateralen oder internationalen Konflikts oder deren Überbrückung ist», heisst es beim EDA.

In der Praxis bedeute das, einen Kommunikationskanal zu bieten, in anderen Worten eine Botin zu sein. Um damit Erfolg zu haben, braucht es laut Welti drei Bedingungen: «Es muss technisch funktionieren. Rund um die Uhr müssen Mitteilungen durchgeleitet werden. Zudem muss es vollkommen vertraulich sein. Und es muss völlig unvoreingenommen und der Mitteilung gegenüber loyal sein – denn wenn es etwa eine mündliche Meldung ist, besteht für die dritte Partei immer die Möglichkeit, sie zu ändern. Nichts von mir sollte in der Mitteilung stehen.»

Lange Tradition

Die «goldene Ära» der Schutzmacht-Mandate hatte die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs: 1943 und 1944 nahm die Schweiz 219 Mandate für 35 Staaten wahr. Auch während des Kalten Krieges waren die Schweizer Dienste gefragt: 1973 nahm die Schweiz noch 24 Mandate wahr.

Seit damals allerdings fiel die Anzahl der Mandate auf sechs: Iran in Ägypten, die USA im Iran, Russland in Georgien, Georgien in Russland, Iran in Saudi-Arabien und Saudi-Arabien im Iran.

Die Schweiz kann entweder von sich aus ihre Dienste als Intermediärin anbieten, oder sie kann diese Funktion auf Bitte der betroffenen Parteien wahrnehmen. Dies aber nur im Fall, dass alle Betroffenen einverstanden sind.

Die Rolle der Schweiz als Botin darf aber keineswegs mit der einer Konflikt-Vermittlerin verwechselt werden. Diese Rolle steht laut Welti ausschliesslich mächtigen Ländern zu, wie er kürzlich verschiedenen Medien sagte.

(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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