Wie bringt die Schweiz die hohen Preise runter?
In der Schweiz verkaufte Lebensmittel und Getränke liegen preislich 60% über dem Durchschnitt in den EU-Ländern. Das Parlament erwägt eine Gesetzesänderung, um die Preise zu senken. Doch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind sich nicht einig.
Nur Island ist noch teurer. Die Schweiz ist das zweitteurerste Land EuropasExterner Link. Lebensmittel und Getränke kosten 60% mehr als durchschnittlich in den EU-Ländern, Restaurants und Hotels 53%, der öffentliche Verkehr 29% und Kleidung 25%.
Das Parlament muss nun versuchen, Lösungen zu finden, um die Preise zu senken: Es muss sich zur Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise»Externer Link und den indirekten Gegenvorschlag der LandesregierungExterner Link (Bundesrat) äussern. Die Mitglieder des Parlaments sind zwar zum Handeln verpflichtet. Aber sie sind sich nicht einig, was zu tun ist.
Die Schweiz bezahlt höhere MehrkostenExterner Link auf Importe, weil viele internationale Anbieter für jedes Land entsprechend der Kaufkraft seiner Einwohner differenzierte Preise verlangen. Zudem können viele Produkte nur über einen Monopolimporteur oder Exklusivhändler erworben werden. Aus Mangel an Konkurrenz werden die Preise dadurch nach oben angepasst.
Darüber hinaus gibt es auch technische Handelshemmnisse: Die Schweizer Normen unterscheiden sich von den europäischen Standards. So muss etwa die Etikettierung angepasst und in die drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch übersetzt werden. Auch Zölle, Abfertigungsgebühren und die Stärke des Schweizer Frankens treiben die Preise tendenziell nach oben.
Die Initiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise» verlangt, in der Verfassung festzuschreiben, dass der Bund Gesetze zur Bekämpfung der schädlichen Folgen von Kartellen und anderen Formen der Wettbewerbsbeschränkung erlassen soll. Mit dem Ziel zu verhindern, dass Schweizer Unternehmen und Institutionen überhöhte Preise an ausländische Produzenten zahlen müssen.
Die Initiative versucht also, marktbeherrschenden Unternehmen zu verbieten, die Möglichkeiten der Käuferschaft zu beschränken, Waren und Dienstleistungen in dem Land ihrer Wahl und zu den dort verlangten Preisen zu beziehen (Parallelimporte). Zudem sieht die Initiative auch die Einführung des Prinzips der Nicht-Diskriminierung bei Einkäufen im Internet vor, mit einem Verbot der geographischen Blockierung in Online-Shops (Geoblocking).
LanciertExterner Link wurde die Volksinitiative von Mitgliedern aller politischen Parteien, Konsumentenschutz-Organisationen, Berufsverbänden und Vertretern von kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU).
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Die Grenzstädte haben genug
Die Regierung ist der Meinung, die von der Volksinitiative geforderten Massnahmen könnten die Verwaltungskosten erhöhen, die wirtschaftliche Freiheit untergraben und eine Ungleichbehandlung zwischen schweizerischen und ausländischen Unternehmen schaffen.
Deshalb empfiehlt sie dem Stimmvolk die Ablehnung der Initiative und unterbreitet dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag: Eine Änderung des KartellgesetzesExterner Link.
Bei der Gesetzesänderung geht es darum, marktbeherrschende Unternehmen zu verbieten, die Möglichkeiten von Käuferinnen und Käufern einzuschränken.
Es soll aber festlegt werden, dass dies nicht den Binnenmarkt betreffen soll. Dies mit dem Ziel, dass sich die Gerichte nicht mit der Preispolitik der Schweizer Unternehmen auseinandersetzen müssen.
Zudem sieht die Gesetzesänderung vor, dass Praktiken nur dann als ungesetzlich gelten sollen, wenn sie den Wettbewerb behindern. Der Gegenvorschlag sieht kein Verbot des Geoblockings für Online-Shops vor, da die Regierung die Umsetzung einer solchen Massnahme für zu komplex hält.
Ein erster Versuch, missbräuchlich hohe Preise ausländischer Anbieter einzuschränken, scheiterte 2014 im Parlament. Damals sprachen sich die Abgeordneten gegen eine Revision des Kartellgesetzes aus. Eine Mehrheit befürchtete eine grössere Belastung für die Unternehmen und den Verlust von Arbeitsplätzen.
Diesmal scheinen die Parlamentsmitglieder entschlossen zu sein, neue Massnahmen einzuführen. Doch über das Vorgehen sind sie tief gespalten. Die vorberatende Kommission des Nationalrats, die mit der Prüfung des Gegenvorschlags beauftragt war, hielt diesen für unvollständig und beschloss, ihn in mehreren Punkten zu ergänzen.
Diese Ergänzungen wurden jedoch nur von einer sehr knappen Mehrheit unterstützt, und am Ende wurden die Änderungsanträge mit 12 gegen 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen.
Die politischen Fraktionen sind ebenfalls gespalten, besonders die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen, rechtsbürgerlich). Diese schwankt zwischen einem gesetzlich verankerten Verbot und der Beseitigung bestimmter Handelshemmnisse, etwa solcher technischer Art.
Das Initiativkomitee ist sehr enttäuschtExterner Link über den indirekten Gegenvorschlag der Regierung. Es wird deshalb zweifelsohne zu einer Volksabstimmung in der Frage der hohen Preise in der Schweiz kommen.
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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