Schweiz stellt Diskriminierung wegen Homosexualität unter Strafe
Die Diskriminierung homosexueller Personen soll in der Schweiz verboten werden. Das Stimmvolk hat eine entsprechende Gesetzesrevision deutlich angenommen. Die geltende Strafnorm gegen Rassismus wird um den Tatbestand der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung erweitert.
Die Stimmberechtigten in der Schweiz und im Ausland heissen die Revision die Rassismus-StrafnormExterner Link gemäss amtlichem Schlussresultat mit 63,1% deutlich gut. Nur in den Kantonen Uri, Schwyz und Appenzell Innerrhoden wurde die Vorlage abgelehnt.
Die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben in allen extra ausgezählten Kantonen der Gesetzesrevision mit über 70% zugestimmt, in den Kantonen Uri und Basel-Stadt sogar mit über 80%.
Damit sollen nun auch Aufrufe zum Hass und Beschimpfungen von Personen, die einer LGBTIQ-Gemeinschaft (siehe Kästchen) angehören, bestraft werden können. Strafbar wäre zum Beispiel auch die Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung, etwa die Bedienung in einem Restaurant. Diskriminierendes Verhalten soll mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden.
Bundesrat zufrieden
«Die Stimmbevölkerung sagt unmissverständlich, dass Hass und Diskriminierung in unserer freiheitlichen Schweiz keinen Platz haben», sagte Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) an der Presseorientierung der Landesregierung.
«Gleichzeitig bleibt die Meinungsfreiheit gewahrt: Wer respektvoll bleibt, muss keine Angst vor Verurteilung haben.» Im Alltag sei allerdings weiterhin «die Zivilcourage von uns allen» gefragt, so Keller-Sutter.
Reaktionen
Der sozialdemokratische Nationalrat Mathias Reynard, der die Gesetzesänderung zur erweiterten Anti-Rassismus-Strafnorm angestossen hatte, sprach nach Bekanntwerden des Abstimmungsresultats von einem «grossartigen Signal für alle Betroffenen».
Der Schutz vor Diskriminierung für Homosexuelle sei nichts als verdient, sagte Florian Vock von der Organisation Pink Cross im Schweizer Fernsehen SRF. «Es ist ein klares Zeichen: Die Schweiz will keinen Hass.»
Laut Vock muss der neue Artikel nun griffig umgesetzt werden. «Polizeien und Staatsanwaltschaften müssen wissen, wie das Gesetz umgesetzt wird.» Noch wichtiger sei aber, dass es gar nicht erst zu physischer und verbaler Gewalt kommen sollte.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) gehört nach dem Ja zur erweiterten Anti-Rassismus-Strafnorm zu den wenigen Verlierern. Die Partei sieht nun die Befürworter des Diskriminierungsartikels in der Pflicht.
«Sie müssen nun beweisen, dass die neue Gesetzesbestimmung nicht der Deckmantel ist, unter dem politisch motivierte Urteile gefällt und unliebsame Meinungen und Stimmen zum Schweigen gebracht werden», schreibt die SVP in einem Communiqué. Sie werde die Umsetzung der Vorlage kritisch beobachten.
(Quelle: Keystone-SDA)
Referendum eingereicht
LGBTIQ
Der Begriff tauchte in den letzten Jahren immer häufiger in den Medien auf. Er steht für Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen: Lesbian (lesbisch), Gay (schwul), Bisexual (bisexuell), Transgender (transsexuell), Intersexual (intersexuell) und Queer («von der Norm abweichend»).
Die Vorlage war in den Eidgenössischen Räten zuvor bereits angenommen worden. Zur Abstimmung kam es, weil ultrakonservative Kreise gegen die neue Gesetzesnorm das Referendum eingereicht hatten.
Damit ein solches zustande kommt, müssen innerhalb von 100 Tagen 50’000 gültige Unterschriften gesammelt und bei der Bundeskanzlei eingereicht werden.
Zwei Komitees kämpften gegen die Ausweitung der Diskriminierungs-Strafnorm. Das eine bestand aus Mitgliedern der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU/ultrakonservativ-christlich) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP/rechtskonservativ).
Sie sahen die freie Meinungsäusserung bedroht. Öffentliche, kritische Diskussionen müssten möglich bleiben, argumentierten sie.
Das zweite Komitee bestand aus LGBTIQ-Personen. Diese betonten, sie wollten als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft wahrgenommen werden. Die Vorlage mache sie zu einer vermeintlich schwachen Minderheit.
Mit Ausnahme der SVP unterstützten alle grossen Parteien und die Regierung die Vorlage. Sie argumentierten, der Schutz vor Diskriminierung sei ein Grundrecht.
Zudem seien Gruppen mit der Gesetzesrevision besser geschützt. Und kritische Diskussionen würden auch weiterhin erlaubt bleiben.
Kaum Zahlen
Wie oft es in der Schweiz bisher zu homophoben Vorfällen gekommen ist, lässt sich schwer beurteilen, da die Behörden solche bisher nicht erfasst haben.
Einen Anhaltspunkt kann die folgende Auflistung von Fällen geben, welche die Meldestelle «LGBT+ Helpline Schweiz» zwischen November 2016 und Dezember 2017 festgehalten hat.
Organisationen, die sich für die Belange von LBGTIQ-Menschen einsetzen, glauben aber, dass diese Zahlen nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Die Forderung, solche Fälle in einer nationalen Statistik festzuhalten, dürfte durch die Annahme der Gesetzesrevision wohl Auftrieb erhalten. Verschiedene politische Vorstösse in diese Richtung wurden bereits eingereicht.
Zudem dürfte das Resultat in der LGBTIQ-Gemeinschaft auch Hoffnungen auf die Umsetzung weiterer Gleichstellungs-Projekte machen, wie etwa eine einfachere Anerkennung von Geschlechtern und die «Ehe für alle».
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