Prävention gegen gewalttätigen Extremismus
Eine von der UNO und der Schweiz organisierte internationale Konferenz will die Energien im Kampf gegen die Rekrutierung junger Leute durch terroristische Gruppierungen wie dem Islamischen Staat (IS) bündeln. Dabei sollen Vorschläge umgesetzt werden, die auf sozialer und ökonomischer Prävention basieren und dem Phänomen nicht nur mit Militär- und Sicherheitsmassnahmen begegnen, die seit den Anschlägen vom 11. September 2001 vorherrschen.
«Weshalb sind terroristische Organisationen für gewisse junge Leute so attraktiv? Diese Frage stellt sich in den rund hundert Ländern, aus denen die Kämpfer stammen, die sich in den Rängen terroristischer Gruppierungen wie dem IS befinden. Das Problem lässt sich nicht allein mit der Polizei, der Justiz und der Armee lösen», sagt Stephan Husy, Schweizer Sonderbotschafter für Terrorismusbekämpfung.
Dieser Ansatz steht im Zentrum der internationalen Konferenz über Prävention im Kampf gegen gewalttätigen Extremismus, die am Freitag und Samstag in Genf stattfindet. An der von der UNO und der Schweiz einberufenen zweitätigen Konferenz nehmen Experten sowie rund 30 Minister und Vizeminister teil, darunter die Chefs der belgischen, ägyptischen und Schweizer Diplomatie.
Schweizer Beitrag
Am Freitag werden Bundesrat Didier Burkhalter und UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon den ministeriellen Teil der Konferenz präsidieren. An dem Treffen nehmen rund 600 Personen, darunter 32 Minister und Vize-Minister, aus 104 Ländern teil.
Für die Schweiz ist die Prävention von gewalttätigem Extremismus Teil ihres Engagements für Frieden und nachhaltige Entwicklung. Nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) besteht für das Internationale Genf die Chance, in Zukunft verstärkt für Präventionsaktivitäten zu stehen, etwa mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen, die Friedens- und Konfliktbewältigung sowie Entwicklungszusammenarbeit.
(Quelle: sda)
«Vom gewalttätigen Extremismus sind potentiell alle betroffen», sagte der Pakistani Jehangir Khan, Direktor des UNO-Zentrums für den Kampf gegen Terrorismus. «Niemand ist davon verschont. Die internationale Zusammenarbeit war noch nie so nötig wie jetzt. Die Militär- und Sicherheitslogik stösst – obwohl sie nötig ist – an ihre Grenzen.
Laut Stephan Husy hat die allein auf Sicherheitsmassnahmen fixierte Antwort auf den Terrorismus vielleicht mehr Terroristen generiert als eliminiert.
Vielseitige Antwort auf Terrorismus
Diese Konferenz will die Staaten dazu bringen, dass sie sich dieser Realität bewusst werden und die Konsequenzen aus dem Misserfolg des «Kriegs gegen den Terrorismus» ziehen, der von den USA und deren Alliierten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan und im Irak lanciert wurde. In der Folge der vom IS verübten Attentate in Frankreich und Belgien geht es darum, die gleichen Fehler zu vermeiden.
«Was sich ändert, ist der Einbezug der Entwicklungszusammenarbeit, der Friedensförderung und der humanitären Sicherheit», sagt Stephan Husy. Diese Ausrichtung wird der Aussenminister der Schweiz, Didier Burkhalter, in eine Strategie gegen gewalttätigen Extremismus als aussenpolitische Achse umwandeln und am Samstag, dem zweiten Verhandlungstag, vorstellen.
Für die UNO selber ist es – zehn Jahre nach der Annahme der weltweiten Antiterrorismusstrategie von 2006, die ebenfalls ausschliesslich auf polizeiliche und militärische Antworten setzte, – ein Wendepunkt. Die neue Politik wird im Juni von den Mitgliedstaaten durchleuchtet werden.
Der scheidende Generalsekretär Ban Ki-moon hatte bereits im letzten Dezember einen «Aktionsplan für Präventionsmassnahmen gegen gewalttätigen Extremismus» vorgelegt, der als Basis für die Arbeit der Teilnehmer an der Genfer Konferenz dient. Dieser Plan legt eine Reihe Massnahmen fest im Bereich der Konfliktprävention, der Stärkung der guten Regierungsführung, der Respektierung der Menschenrechte und des Rechtsstaats, des Einbezugs der Bevölkerung, der Mobilisierung der Jungen, der Gleichstellung der Geschlechter, der Erziehung, des erleichterten Zugangs zum Arbeitsmarkt und zur Kommunikation auf Internet und in den sozialen Medien.
Dies sind die grossen Aufgaben, die sich die UNO seit ihrer Gründung auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs gestellt hat und die jetzt auch im Kampf gegen «gewalttätigen Extremismus» aufgeführt werden. Der Begriff ist nicht sehr präzis, weil sich die UNO-Mitgliedstaaten nicht auf eine Definition wie jener des Terrorismus einigen konnten.
Syrien-Gespräche
Die dritte Runde der Friedensverhandlungen für Syrien unter der Leitung der UNO beginnen am 11. April in Genf, sagte UNO-Sprecher Ahmed Fawzi.
Staffan de Mistura, der Sondergesandte der UNO für Syrien, wolle die innersyrischen Friedensgespräche wie vorgesehen aufznehmen, sagte Fawzi.
Die Gegner des Regimes von Präsident Bachar al-Assad werden für den 10. April in Genf erwartet.
Die Delegation von Damaskus wird am 14. April eintreffen, sagte der Sprecher.
Von Worten zu Taten
Einer der Gründe für die Unschärfe ist die Absicht der UNO, niemanden zu stigmatisieren. «Die Mitgliedstaaten haben (im Rahmen der Annahme des Aktionsplans von Ban Ki-Moon, N.d.R.) betont, dass der gewalttätige Extremismus mit keiner Religion, keiner Nationalität, keiner Kultur und keiner ethnischen Gruppe in Verbindung gebracht werden kann und darf.»
Mit anderen Worten: Diese Initiative des UNO-Generalsekretärs richtet sich nicht gegen muslimische Länder, damit sich diese auch am Plan beteiligen.
Aber wie so oft bei der UNO wird von diesem Aktionsplan, in dem die Genfer Konferenz nur eine Etappe ist, nichts Zwingendes ausgehen. Jedes Land ist eingeladen, sich für die Entwicklung eines nationalen, an seine Eigenheiten angepassten Programms inspirieren zu lassen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie zum Beispiel Ägypten dem Aktionsplan Rechnung tragen wird. Das Land verfolgt mit seiner blutigen Unterdrückung der Muslimbruderschaft, sowie jeglicher Opposition und Teilen der Zivilgesellschaft derzeit eine total gegenteilige Politik, was die Entwicklung dschihadistischer Zellen im Sinai sogar begünstigt hat.
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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