Italienschweizer unter Druck
Schweizer in Italien sind ins Visier der italienischen Steuerbehörden gerückt. Wer Immobilien in der Schweiz besitzt und nicht deklariert, muss mit hohen Bussen rechnen. Eine Sanierung der Steuersituation ist kompliziert, weil sie einen Hausverkauf bedeuten kann.
«Die Leute haben jetzt Angst», sagt Ugo Guidi. Der Schweizer Rechtsanwalt in Mailand, der auch Berater des Schweizer Generalkonsulats in der lombardischen Metropole ist, weiss, wovon er spricht. Denn viele Italienschweizer sind seine Kunden.
Für Unruhe sorgt die Aufforderung der italienischen Steuerbehörden an alle Personen, die in Italien steuerpflichtig sind, allfällige Liegenschaften im Ausland umgehend den Steuerbehörden zu melden, insofern sie dies bisher nicht getan haben.
Im Rahmen der so genannten Steueramnestie (Scudo fiscale), die vorläufig bis 15.Dezember in Kraft ist, können sie ihre Situation mit dem Bezahlen einer Strafsteuer von 5% des Transaktionswerts der Immobilie ins Reine bringen.
Wer sein Haus weiterhin nicht deklariert, muss hingegen mit happigen Bussen von bis zu 50% des Liegenschaftswertes rechnen. Sogar die Beschlagnahmung von Vermögenswerten ist vorgesehen.
Sonderfall Schweiz
Diese Deklarationspflicht besteht für alle Steuerpflichtigen in Italien, die Liegenschaften im Ausland besitzen. Nur ist die Schweiz insofern ein Sonderfall, weil sie von Italien immer noch als unkooperativer Staat beim Informationsaustausch in Steuerfragen betrachtet wird.
Dies hat konkrete Auswirkungen, da Italien bei diesen Staaten eine Repatriierung der Vermögenswerte verlangt. Bei mobilen Vermögen wie Bargeld oder Wertpapieren ist dies möglich, es steht sogar die Variante der virtuelle Repatriierung via italienische Treuhänder offen. Doch wie soll ein Haus oder eine Ferienwohnung nach Italien überführt werden?
«Es bleibt nur der Verkauf», meint der Treuhänder Giorgio Antonini vom Treuhandbüro Fidinam in Lugano. Er zumindest rät seinen Kunden, einen Verkauf in die Wege zu leiten, eventuell auch an Verwandte. Er vertrat diese Position vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung im Schweizer Zentrum von Mailand.
Auch italienische Gastarbeiter betroffen
Betroffen sind auch Italiener, die als Gastarbeiter in der Schweiz waren und wieder nach Italien zurückgekehrt sind, in ihrem Gastland aber eine Immobilie gekauft haben und «vergessen» haben, diese zu deklarieren. Auch sie müssen eigentlich verkaufen.
Allerdings können sich nicht viele der Betroffenen mit dem Gedanken anfreunden, ein Haus oder eine Wohnung, die vielleicht sogar ein Familienerbe darstellen, auf die Schnelle zu veräussern. Der innere Widerstand gegen diese Lösung ist gross. Viele Italienschweizer haben keine Lust, ihre persönliche Situation gegenüber dem italienischen Fiskus vollständig offenzulegen.
Besser weg kommen laut Antonini Personen, die ein Haus in der Schweiz geerbt oder gekauft haben, bevor sie in Italien steuerpflichtig wurden. Wenn die Immobilie bisher nicht in Italien deklariert war, können sie ihre Situation mit Abgeltung der 5-prozentigen Busse legalisieren und das Haus behalten.
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Gesellschaft gründen
Anwalt Ugo Guidi sieht einen anderen Ausweg: «Man kann eine Gesellschaft gründen, welche Besitzerin des Hauses wird, und dann die Aktien in Italien deklarieren.» Allerdings sei diese Operation nicht so schnell zu verwirklichen und die Deadline des 15.Dezember schon nahe. Eine Verlängerung des Scudo fiscale sei daher wünschenswert.
Beide Experten raten dazu, unbedingt an der Steueramnestie teilzunehmen. «Man bezahlt 5% und hat dann seine Ruhe», sagt Guidi. Ansonsten riskiere man eben doch, dass irgendwann einmal die Finanzpolizei (Guardia di Finanza) vor der Tür stehe.
Guidi hofft allerdings, dass das italienische Parlament die Regelung in der Steueramnestie in Bezug auf die immobilen Vermögenswerte ändert. Denn die Konsequenz, Immobilien in der Schweiz verkaufen zu müssen, um die eigene Steuersituation zu legalisieren, sei schlichtweg absurd.
Schweigen in Bern
Ähnlich argumentiert Treuhänder Giorgio Antonini. Er ist zudem der Meinung, dass Italien gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstösst. Denn Italienschweizer mit einer Immobilie in London würden anders behandelt als solche mit einer Immobilie in der Schweiz.
Antonini hat aus diesem Grund im Tages-Anzeiger die Bundesbehörden aufgerufen, in Rom zu intervenieren. Doch im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) scheint man bisher nicht darauf zu reagieren.
«Wir haben die Angelegenheit zur Kenntnis genommen», meint EFD-Sprecher Roland Meier auf Anfrage. Mehr gebe es momentan dazu nicht zu sagen.
Gerhard Lob, swissinfo.ch
Die schwierige Wirtschaftssituation Italiens hat die Regierungskoalition unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi dazu veranlasst, nach 2001 und 2003 erneut eine Steueramnestie (Scudo fiscale) durchzuführen.
Der jüngste Steueramnestie ist am 15.September 2009 in Kraft getreten. Ihre Laufzeit dauert bis 15.Dezember. Doch geht man allgemein davon aus, dass die Amnestie verlängert wird.
Die Koalition hofft auf Milliardenbeträge, die nach Italien zurückfliessen. Auf nicht deklarierte Vermögen, die nun legalisiert werden, muss eine Busse von 5% bezahlt werden. Erträge aus Vermögen werden als Einkommen versteuert. Eine eigentliche Vermögenssteuer kennt Italien – im Gegensatz zur Schweiz – nicht.
Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti will insbesondere das Prinzip durchsetzen, dass alle Personen, die in Italien ihren Lebensmittelpunkt haben, dort ihre Finanzsituation vollkommen offen legen und für ihr gesamtes Einkommen besteuert werden. Mutmassliche Steuerhinterzieher werden mit harschen Methoden verfolgt. Personen, die weiterhin Schwarzgeld horten, müssen mit drakonischen Strafen rechnen.
Grosse Verluste infolge der Steueramnestie erwartet insbesondere der Finanzplatz Tessin, wo vermögende Italiener traditionell Off-Shore-Konten besitzen. Wie hoch der Geldabfluss sein wird, ist bis anhin aber nicht klar.
Mit einer Razzia in Schweizer Bankfilialen in Italien hat die italienische Finanzpolizei Ende Oktober den Druck auf die Schweiz erhöht. Seither sind die Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien gestört. Die Verhandlungen zu einem neuen Doppelbesteuerungsabkommen wurden sistiert.
Die Schweizer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard sowie Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf waren in jüngster Zeit auf Besuch in Rom. Dort wurde versichert, dass der Kampf gegen Steuerhinterziehung fortgesetzt werde, die Steueramnestie aber nicht die Beziehungen zur Schweiz trüben solle.
Bundespräsident Hans-Rudolf Merz liess vor wenigen Tagen verlauten, die Schweiz wolle im Steuerstreit mit Italien keine Eskalation.
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