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«Jede europapolitische Debatte stärkt uns»

Applaus für den neuen AUNS-Präsidenten Lukas Reimann (links, rechts Vizepräsident Luzi Stamm). Keystone

Generationenwechsel an der Spitze der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS): Seit Ende April präsidiert der 31-jährige Lukas Reimann die Frontorganisation gegen eine Annäherung an die EU. "Die AUNS ist wichtiger denn je", sagt der SVP-Nationalrat.

Die Schweiz steht vor einer grossen Weichenstellung, was ihr Verhältnis zur Europäischen Union (EU) angeht: Aussenminister Didier Burkhalter will dem Schweizer Stimmvolk bis 2016 ein Abkommen vorlegen, das die von der Regierung angestrebte Regelung der institutionellen Fragen bringen soll.

Hauptpunkte sind die automatische Übernahme von EU-Recht und die Hoheit des EU-Gerichtshofes im Streitfall. Diese Abstimmung sei für die Schweiz «brandgefährlich», sagt der neue AUNS-Präsident Lukas Reimann im Interview.

Christoph Blocher, Chefdenker der Schweizer EU-Gegner und 1986 Mitgründer und erster Präsident der AUNS, erachtet den Abwehrkampf gegen «den schleichenden Beitritt der Schweiz zur EU» für so wichtig, dass er dafür per Ende Mai aus dem Schweizer Parlament zurücktrat, um sich voll auf die Nein-Kampagne konzentrieren zu können.

Der 31-jährige Jurist aus dem Kanton St. Gallen politisiert für die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP).

2007 wurde er mit 25 Jahren jüngster Nationalrat (Grosse Kammer). Schon seit dem 17. Lebensjahr gehört er dem AUNS-Vorstand an.

Im Parlament vertritt Reimann meist rechtskonservative Positionen und gehörte u. a. dem siegreichen Initiativkomitee für ein Minarettverbot an.

Am 7. Mai 2014 lehnte der Nationalrat den Vorstoss Reimanns zur Schaffung einer Meldestelle für Korruption beim Bund ab. Unterstützung erhielt er aus den Reihen der Linken, seine eigene Fraktion lehnte den Vorstoss ab.

Reimann bezog auch Position gegen Gasbohrungen in der Bodensee-Region, die ein britisches Unternehmen mittels des umstrittenen Frackings geplant hatte.

swissinfo.ch: Lukas Reimann, Sie verkörpern den Generationenwechsel an der Spitze der AUNS und haben angekündigt, dass Sie noch vermehrt Junge gewinnen wollen. Wie wollen Sie dies erreichen?

Lukas Reimann: Seit dem Präsidiums-Wechsel hatten wir über 100 Neueintritte, darunter auch sehr viele junge Menschen. Wir vertreten Werte, die viele Junge teilen, aber wir müssen das auch entsprechend kommunizieren. So sind wir auf Twitter und Facebook präsent, gehen aber auch an Schulen.

swissinfo.ch: Sie sind politisch in der AUNS gross geworden. Wie charakterisieren sie die Organisation? 

L.R.: Für mich ist sie eine Volksbewegung, die das Erfolgsmodell Schweiz lebt und weiterleben will. Sie setzt sich für die Bewahrung aller Punkte ein, die das Land stark gemacht haben: direkte Demokratie, Freiheit, Unabhängigkeit und Neutralität.

Neue Morgenröte für die AUNS? (Echo der Zeit Radio SRF vom 26. April 2014)

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swissinfo.ch: Zusammen mit der SVP ist die AUNS die grosse Siegerin des 9. Februar 2014. Hat sich das auch in den Mitgliederzahlen niedergeschlagen?

L.R.: Wir hatten schon während des Abstimmungskampfes zahlreiche Neueintritte und dann erst recht nach dem Sieg. Der Trend zeigt dieses Jahr klar nach oben. Das ist Motivation und spricht für unsere Arbeit.

swissinfo.ch: Haben Sie sich eine bestimmte Mitgliederzahl zum Ziel gesetzt?

L.R.: In Norwegen ist jeder zehnte Bewohner Mitglied von «Nei til EU», gewissermassen die AUNS Norwegens. Wenn jeder zehnte Schweizer AUNS-Mitglied wäre, wären wir politisch die stärkte Kraft im Land (lacht).

swissinfo.ch: Was markiert das Votum vom 9. Februar? Ein Warnsignal des Stimmvolkes an den Bundesrat, es mit seiner Annäherung gegenüber Brüssel nicht zu weit zu treiben? Oder den Umkehrpunkt auf dem Bilateralen Weg? 

L.R.: Es ist primär ein Votum für die Selbstbestimmung, nicht mehr und nicht weniger. Die Bevölkerung will selber bestimmen, wen sie ins Land hereinlässt und wen nicht. Die Beschränkung der Zuwanderung ist jetzt ein Verfassungsauftrag. Dessen Umsetzung hat oberste Priorität, selbst wenn dies für die Schweiz europapolitische Konsequenzen hat .

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizer Zeitungen betonten in ihren Leitartikeln die historische Bedeutung der Abstimmung und die Unsicherheit, die danach herrscht. Die Reaktionen schwankten zwischen dem «schlimmsten Szenario» und einem «Sieg». Die meisten Zeitungen zogen einen Vergleich zur Abstimmung von 1992, als die Schweiz den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR knapp ablehnte. Ausländische Zeitungen waren mit ihrer Kritik…

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swissinfo.ch: Das Ja zu Zuwanderungs-Beschränkungen erhielt grossen Applaus von EU-Skeptikern innerhalb der EU. Bekamen Sie das in der AUNS auch direkt zu spüren? Meldeten sich EU-Kritiker bei Ihnen? 

L.R.: Nicht direkt. Aber wir sind seit vielen Jahren in Europa gut vernetzt. Ich war lange im Vorstand von TEAM, der European Alliance of EU-critical Movements, dem etwa das People Movement against the EU aus Dänemark und die Ukip aus Grossbritannien angehören. Aber ich möchte klar betonen, dass keine rechtsextremen Gruppierungen dabei sind.

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swissinfo.ch: Laut Prognosen werden die EU-Skeptiker bei den Wahlen ins EU-Parlament vom 25. Mai zulegen. Strebt die AUNS in einem solchen Fall eine verstärkte Vernetzung mit Gleichgesinnten in Europa an? 

L.R.: Die AUNS muss primär Politik für die Schweiz machen. Aber wir verfolgen die Entwicklungen in Europa sehr genau. Ich habe für diese Wahlen grosse Hoffnungen, dass das EU-skeptische Lager gestärkt werden wird, auf rechter wie auf linker Seite.

Für uns ist wichtig, dass wir sehen, dass wir nicht die einzigen EU-Skeptiker sind. Für die anderen ist wichtig, dass sie sehen, dass es eine gut funktionierende Alternative ausserhalb der EU gibt.

Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) setzt sich für die Bewahrung der direkten Demokratie, der Eigenständigkeit, der umfassenden und immerwährenden Neutralität der Schweiz ein.

Sie bekämpft eine Annäherung der Schweiz an die Europäische Union (EU).

Aktuell zählt die Organisation 30’100 zahlende Mitglieder sowie 10’100 Gönner und Sympathisanten.

Sie wurde 1986 nach dem Nein der Stimmbürger zum UNO-Beitritt der Schweiz gegründet, u. a. von Christoph Blocher von der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Blocher war bis 2003 erster Präsident. 2004 wurde er von Pirmin Schwander abgelöst, auch er SVP-Mitglied.

Ende 2004 hatte die AUNS 45’000 Mitglieder gezählt.

In den letzten Jahren hatte sie aber an politischer Schlagkraft eingebüsst: 2012 unterlag sie an der Urne mit ihrer Initiative «Staatsverträge vors Volk»(über 75% Nein).

Auch 2012 brachte sie die nötigen Unterschriften zur Abhaltung einer Volksabstimmung über die Steuerabkommen mit Deutschland, Österreich und Grossbritannien nicht zustande.

swissinfo.ch: Sie haben die Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen Europa-Gegnern angesprochen. Wo zieht die AUNS hier die Grenzen? 

L.R.: Die AUNS ist eine demokratische Organisation, welche die in der Verfassung verbrieften Grundrechte lebt und unterstützt. Rechtsextreme Kräfte, welche diese ja abschaffen möchten, hatten und haben nie Platz in der AUNS.

swissinfo.ch: Die AUNS hat in der Anti-EU-Kampagne nicht mehr das Monopol. Im Kampf gegen das von Bern angestrebte Rahmenabkommen mit Brüssel liegt die Federführung beim von Christoph Blocher initiierten «Komitee gegen den schleichenden EU-Beitritt». Herrscht da Konkurrenz oder sollen so Synergien genutzt werden?

L.R.: Es ist keine Konkurrenzsituation. Die AUNS war Mitgründerin des Komitees und sitzt auch in dessen Vorstand. Im Abstimmungskampf wird auch die AUNS eine wichtige Rolle spielen, denn wir wollen verhindern, dass die Schweiz zu stark in die EU eingebunden wird. Das Komitee wird sich nach der Abstimmung wieder auflösen.

swissinfo.ch: Ist nach Christoph Blochers Demission als Nationalrat seine Rückkehr in den AUNS-Vorstand ein Thema?

L.R.: Die Rollen sind klar verteilt und die Zusammenarbeit zwischen Christoph Blocher und der AUNS funktioniert hervorragend.

swissinfo.ch: Blocher sprach von vier bis fünf Mio. Franken, mit denen die Nein-Kampagne alimentiert werden soll, notfalls aus seiner eigenen Kasse. Steht schon fest, wie viel davon allenfalls für die AUNS reserviert ist und wie dieses Geld eingesetzt werden soll?

L.R.: Es liegt noch kein Kampagnenbudget vor. Zuerst müssen die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen werden. Danach entscheidet der AUNS-Vorstand.

swissinfo.ch: Bundespräsident und Aussenminister Didier Burkhalter hat die Abstimmung über das angestrebte Rahmenabkommen zu einer Art «Super-Abstimmung» über den gesamten bilateralen Weg erhoben, über die das Schweizer Volk spätestens 2016 abstimmen soll. Reibt sich die AUNS schon die Hände?

L.R.: Wir freuen uns ganz und gar nicht auf diese Abstimmung, denn sie ist für die Schweiz brandgefährlich. Würde sich die Schweiz so eng an die EU anbinden, müsste sie auch fremde Richter akzeptieren. Und wie diese im Streitfall über die Auslegung der Verträge entscheiden würden, liegt auf der Hand. Deshalb sprechen wir von einem schleichenden EU-Beitritt, den ein solches Rahmenabkommen bringen würde. Wir bereiten uns schon heute sehr gut darauf vor, denn wir dürfen diesen Abstimmungskampf nicht verlieren.

swissinfo.ch: Wirklich keine Vorfreude? Immerhin stieg die AUNS 1992 im Abstimmungskampf über den EWR-Beitritt der Schweiz zur Massenorganisation auf, mit damals 16’000 Mitgliedern.

L.R.: Jede europapolitische Debatte stärkt uns insofern, als dass wir uns daran beteiligen können. Aber wir tun das nicht um unserer Selbst willen, oder um grösser zu werden. Wir tun es für die Schweiz, deren Freiheit, Unabhängigkeit, Neutralität und Demokratie wir bewahren wollen.

Mir wäre am liebsten, man könnte die AUNS auflösen, weil es sie nicht mehr braucht. Dies wäre der Fall, wenn alle Politiker hinter dem Grundwert stünden, dass sich die Schweiz nicht stärker der EU annähert. Aber dem ist leider nicht so, im Gegenteil: die AUNS braucht es mehr denn je.

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