Patricia Schulz will weiterkämpfen. Denn als Expertin und erste Schweizerin im UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau hat sie viel gehört und gelesen, das im Argen liegt. Für viele Frauen weltweit hat sich die Situation gar verschlechtert.
Patricia Schulz hat von 2011-2018 als erste Schweizerin im UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau gearbeitet. Die 69-Jährige lebt in Genf. Zuvor war sie unter anderem während 16 Jahren Direktorin des Eidg. Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBGExterner Link).
«Ich riskiere nichts: Ich lebe in der Schweiz, ich habe ein angenehmes Leben», sagt Patricia Schulz. Das gilt für die wenigsten Frauen, denen sie in den letzten acht Jahren während ihrer Arbeit bei der UNO begegnet ist.
«Wir beobachten einen besorgniserregenden Anstieg sexueller Gewalt gegenüber Frauen», sagt sie. «Dass Vergewaltigungen als Kriegswaffe benutzt werden, wissen wir alle». Aber auch in Ländern, die sich nicht im Krieg befinden, seien immer mehr Frauen Opfer von sexueller Gewalt.
Internationales Genf: In einer kleinen Serie stellt swissinfo.ch Schweizerinnen und Schweizer vor, die auf dem internationalen Parkett Schlüsselfunktionen innehaben.
Es gab aber in den fast 40 Jahren seit dem Inkrafttreten der UNO-Frauenkonvention auch erfreuliche Entwicklungen. So hat sich laut Schulz beispielsweise der Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen praktisch überall verbessert, wenn auch nicht in allen Regionen im gleichen Ausmass. Es gebe heute zudem mehr Frauen, die berufstätig und somit wirtschaftlich unabhängiger sind.
Die westlichen Länder geben sich gerne fortschrittlich mit Blick auf die Gleichstellung zwischen Frau und Mann. Es lohne sich aber, hier zu differenzieren, sagt Schulz.
Mehr
Mehr
Patricia Schulz über westliche Länder und Selbstüberschätzung
Knapp 40 Jahre nach der Geburt der UNO-Frauenkonvention beobachtet Schulz Entwicklungen im Umgang mit Frauen, die ihr Sorgen bereiten. «Sehr grosse Rückschläge», welche das Leben der Frauen wieder verschlechtern.
Schulz erzählt beispielsweise von Frauen auf einer Insel Indonesiens, die «unter dem Deckmantel religiöser Normen» wieder in ihren Häusern eingesperrt werden und denen es untersagt ist, an Dorfversammlungen ihre Stimmen einzubringen. Auch werden ihnen Kleidervorschriften gemacht.
Mehr
Mehr
Patricia Schulz über Frustration, Realismus und Zukunft
Ein Blick in die Schweiz zeigt: Das Land hinkte anderen europäischen Staaten in Gleichstellungs-Fragen lange hinter her.
Schulz sieht den Grund dafür in der späten Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1971. Der hierfür nötige Kampf dauerte Jahrzehnte und liess kaum Energie für andere Anliegen.
«Inzwischen hat die Schweiz aber aufgeholt», betont Schulz. «Unsere Gesetzgebung lässt wenig zu wünschen übrig.»
Mehr
Mehr
Patricia Schulz über direkte Demokratie und Frauenstimmrecht
Während ihrer Arbeit für den UNO-Ausschuss nahm Schulz an insgesamt 170 Dialogen mit Mitgliedstaaten teil.
Bevor die CEDAW-Experten mit den Delegierten der Mitgliedstaaten über die Situation in ihrem Land reden, kommt es jeweils zu Treffen mit der Zivilgesellschaft. Diese liefert dem Komitee ihre Sicht zur Situation im betreffenden Land und beantwort Fragen.
Für Schulz sind diese Aktivisten «Helden und Heldinnen unserer Zeit». Sie riskieren ihr Leben für den Kampf um Gleichstellung. Diese Menschen zu treffen, gibt Schulz die Kraft, weiterzumachen.
Mehr
Mehr
Patricia Schulz über unvorstellbare Gewalt und Motivation
Die UNO-Frauenkonvention (CEDAW) wurde 1979 abgeschlossen. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten, alles Nötige zu unternehmen, um die Diskriminierung der Frauen zu beseitigen. 189 LänderExterner Link sind der Konvention bisher beigetreten, in der Schweiz trat sie 1997 in Kraft.
Das KomiteeExterner Link überwacht die Einhaltung der Konvention. Es besteht aus 23 unabhängigen Experten und Expertinnen. Von den Vertragsstaaten erhält der Ausschuss regelmässig Berichte, die darüber auskunft geben, wie es um die Umsetzung der Konvention steht. Während seiner Sitzungen erörtert das Komitee den Bericht und formuliert Bedenken und Empfehlungen an den betreffenden Vertragsstaat.
Ein im Jahr 2000 in Kraft getretenes FakultativprotokollExterner Link hat die Kompetenzen des Komitees erweitert – allerdings nur in den Staaten, die das Protokoll ratifiziert haben.
UNO-Sonderberichterstatter über Folter: Millionen sind gefährdet
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Wie ist das, «UNO-Sonderberichterstatter über Folter» zu sein? swissinfo.ch traf den Schweizer Familienvater, der diese Aufgabe wahrnimmt.
Wie kann die Monopolisierung der KI durch mächtige Länder und Unternehmen verhindert werden?
KI hat das Potenzial, viele Probleme der Welt zu lösen. Aber die reichsten Länder und Technologieunternehmen könnten versuchen, diese Vorteile zu beanspruchen.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Frau in Koma: Protestaktion nach Angriff auf fünf Frauen in Genf
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Rund hundert Personen haben am Donnerstagabend in Genf gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Anlass war ein brutaler Angriff einer Gruppe Männer auf fünf Frauen in der Nacht auf Mittwoch. Eine der Frauen wurde so schwer verletzt, dass sie im Koma liegt. «Wir sind empört darüber, was passiert ist und verurteilen diese Gewalt, welche gegen die…
Schweizer Frauen – Ende der Diskriminierung nicht in Sicht
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
#MeToo-Bewegung: Die weltweite Frauenkampagne hat zwar auch die Schweizer Frauen erfasst. Die Diskriminierung ist aber noch keineswegs Geschichte.
Weltweit Proteste für Frauenrechte und gegen Gewalt am Frauentag
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Weltweit haben Frauen am Internationalen Frauentag für mehr Rechte, gegen Gewalt und Diskriminierung demonstriert. Die grössten Demonstrationen mit zehntausenden Teilnehmerinnen fanden am Mittwoch in Madrid und zahlreichen lateinamerikanischen Städten statt. In Istanbul marschierten rund 10’000 Demonstrantinnen durch die Innenstadt. In New York und weiteren US-Städten richteten sich die Proteste vor allem gegen US-Präsident Donald Trump.…
Gehören Schweizer Frauen zu den Privilegierten Europas?
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Schweizer Frauen gehören zu den wenigen in Europa, die vor den Männern in Pension gehen können. Wie lange noch?
Schweizerinnen mussten lange für Stimmrecht kämpfen
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«1971 war die Welt in Bewegung», erzählt die Protagonistin aus dem Off vor Aufnahmen der tanzenden 68er-Bewegung. Nur um nach einem Schwenk auf ein idyllisches Schweizer Dorf fortzufahren: «Aber hier bei uns war es so, als würde sie stillstehen.» Frauen dürfen ohne Erlaubnis des Ehemannes nicht arbeiten, junge Frauen werden wegen einer Liebelei ins Gefängnis…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Zahlreich sind die Erzählungen über heroische Taten von Frauen in der Schweizer Geschichte. Aber während alle Schweizer die Legende vom Nationalhelden Wilhelm Tell bestens kennen – der den Habsburger Tyrannen Gessler tötete, weil dieser von ihm verlangt hatte, dass er einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schiesst – sind die Geschichten von heroischen Frauen höchstens…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Jedes Jahr schenkt ein Klassenkamerad allen Mädchen in der Klasse zum Frauentag eine Mimose. Das ist eine schöne, aber auch ein wenig lächerliche Geste», findet Giulia. «Am 8.März treten die Männer wie zarte Lämmer auf und behandeln uns wie Prinzessinnen, doch während des restlichen Jahres vergessen sie gerne unsere Rechte…» Wir befinden uns am Gymnasium…
«Gleichstellung: Eine Frage guter Regierungsführung»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Noch immer liegt das durchschnittliche Einkommen von Frauen in der Schweiz 18,4% unter jenem der Männer mit gleichwertiger Qualifikation. Solange diese Zahl (unter anderem) nicht zurückgeht, will «Madame Egalité», die sich selber als «entschlossen und pragmatisch» bezeichnet, nicht aufgeben, die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in der Unternehmenskultur festzusetzen. swissinfo.ch: Welche Bilanz ziehen Sie nach…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) hat kürzlich zusammen mit dem Arbeitgeberverband einige Massnahmen veröffentlicht, um Firmen zu ermutigen, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu befördern. Aber kritische Stimmen sind der Meinung, dass freiwillige Massnahmen nicht genügten. Zur Zeit machen Frauen im obersten Management ungefähr 4% aus, und 8,3% in den Verwaltungsräten. Das Seco stellte fest, dass…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch