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Kanton Schwyz: zu hohe Hürden für Einbürgerung?

Ein georgischer Teilnehmer an einem Staatskundekurs für Einbürgerungswillige beim Ausfüllen eines Arbeitsblattes mit Fragen. Keystone

Wer sich im Kanton Schwyz künftig einbürgern lassen will, muss eine Charta unterzeichnen, wonach er die grundlegenden Werte der Verfassung akzeptiert. Über das neue Einbürgerungsgesetz wird am 27. November abgestimmt. Dagegen ist als einzige Partei die SVP.

2003 entschied das Bundesgericht in Lausanne, eine Einbürgerung sei ein reiner Verwaltungsakt. Damit sprach die höchste Gerichtsinstanz der Schweiz ein Verbot von Urnenabstimmungen über Einbürgerungen aus, wie sie zum Beispiel im Kanton Schwyz durchgeführt worden waren. Deswegen ordnete die Schwyzer Regierung ein neues Verfahren an.

Dabei entscheidet die Gemeinde-Versammlung abschliessend über ein Einbürgerungsgesuch, nach Beratung und Empfehlung einer Einbürgerungs-Kommission. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) versuchte, dieses Verfahren mittels einer eidgenössischen Volksinitiative zu verhindern. Sie plädierte für eine Rückkehr zum alten System mit Urnenabstimmungen ohne Begründung – ohne Erfolg.

«In unserem Kanton bestand über Jahrzehnte die Tradition, dass wir an der Urne einbürgern. Das hat sich nach unserer Ansicht bewährt», sagt André Rüegsegger, SVP-Fraktionschef im Schwyzer Kantonsparlament, gegenüber swissinfo.ch. «Als Folge des Bundesgerichtsentscheides im Jahr 2003 wurde die Urnenabstimmung über Einbürgerungen leider verboten.»

Positive Entwicklung

Für den grünen Nationalrat Daniel Vischer ist der Schritt weg von Einbürgerungen durch das Volk an sich eine positive Entwicklung. «Die Einbürgerung ist ein Verwaltungsakt, somit muss sie nach vertretbaren Kriterien geprüft werden», sagt er gegenüber swsissinfo.ch. «Sie darf nicht zu einem politischen Entscheid werden, und das wurde von den Gegnern des Bundesgerichtsentscheides nie akzeptiert.»

Die Erfahrungen mit dem neuen Verfahren im Kanton Schwyz seien aus Sicht der Gemeinden gut, schreibt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Die Zahl der Einbürgerungsgesuche sei stark zurückgegangen. Es gäbe kaum noch umstrittene Gesuche, die an den Gemeinde-Versammlungen behandelt würden.

Die Latte wird höher angesetzt

Das Gesetz, das am 27. November dem Stimmvolk vorgelegt wird, enthält einige Verschärfungen. So müssen Einbürgerungswillige im Kanton Schwyz auf Antrag der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) künftig eine Charta unterzeichnen, wonach sie die grundlegenden Werte der Verfassung akzeptieren.

Verlangt werden auch ausreichende schriftliche und mündliche Deutschkenntnisse. Zudem müssen Einbürgerungsgesuche im Amtsblatt detailliert veröffentlicht werden.

Von solchen hohen Hürden für Einbürgerungen hält Nationalrat Vischer überhaupt nichts. «Die Hürden sind so hoch, dass die grosse Mehrheit der schon Eingebürgerten oder jener, die sich einbürgern lassen mussten, diese gar nie überschreiten könnten. Ich bin nicht einmal sicher, ob alle Parlamentarier in einem Kantons- oder Gemeindeparlament eine solche Hürde ad hoc passieren könnten.»

Masseneinbürgerungen?

Schwyz habe die Wahl zwischen dem härtesten Einbürgerungsgesetz der Schweiz oder einer Übergangslösung, die irgendwann vom Bundesgericht für widerrechtlich erklärt werde, gab Regierungsrat Armin Hüppin laut NZZ im Kantonsrat den Kritikern des neuen Gesetzes zu bedenken. Diese rekrutieren sich einzig aus der SVP, die mit ihrem Antrag zur Rückweisung chancenlos blieb.

«Wir sind der Ansicht, dass die Kriterien in der vorliegenden Version zu wenig hart sind und Masseneinbürgerungen zulassen», sagt SVP-Kantonsrat Rüegsegger. «Es ist zu wenig, nur ausreichende Deutschkenntnisse zu verlangen. Man kennt die Fälle, wo Leute eingebürgert wurden, die sich nur sehr schlecht in unserer Sprache verständigen können. Insgesamt wollten wir da einfach die Hürden höher ansetzen: hart aber fair.»

Der Widerstand der SVP gegen das neue, als äusserst hart geltende Schwyzer Einbürgerungsgesetz scheint Nationalrat Daniel Vischer nur vordergründig absurd. «Der SVP geht es darum, dass der Bundesgerichtsentscheid sich letztlich nicht durchsetzen darf. Für sie bleibt die Einbürgerung ein politischer Entscheid nach freiem Ermessen.» Die SVP gehe gewissermassen davon aus, die Schweiz sei ein Verein, und Vereinsmitglieder könnten nach ihrem Ermessen entscheiden, wer diesem Verein angehören soll. «Bei einem Verwaltungsakt ist das in diesem Sinne nicht mehr möglich, weil da feststehende Kriterien gelten.»

SVP hofft auf Volksentscheid

Die SVP Schwyz hofft auf ein Nein am 27. November. Denn die Schwyzer Stimmberechtigten verfolgten in Einbürgerungsfragen in der Vergangenheit eine harte Linie. 2008 zum Beispiel hat Schwyz als einziger Kanton die von der SVP getragene eidgenössische Volksinitiative «Für demokratische Einbürgerungen» angenommen.

«Auf diese harte Linie des Schwyzer Stimmvolkes hoffe ich ganz klar», sagt Rüegsegger. «Aber leider sieht sich hier die SVP wieder einmal allein auf weiter Flur. Die anderen Parteien haben sich zusammengeschlossen und winken die Vorlage einfach durch. Die Mitte-Links-Parteien haben kapituliert, man nimmt einfach alles hin, was von oben herab, vom Bundesrecht kommt.»

In Uster, Kanton Zürich, entscheidet neu der Stadtrat, die Exekutive, über alle Einbürgerungen. Die Stimmberechtigten haben im vergangenen Oktober eine entsprechende Änderung der Gemeindeordnung gutgeheissen. Bisher war die Behandlung von Einbürgerungsgesuchen zwischen Stadtrat und Gemeinderat aufgeteilt.

Uster ist mit diesem Entscheid nicht alleine: Die Einbürgerungen werden in den Zürcher Gemeinden und in anderen Kantonen vermehrt an die Exekutive delegiert. Diese Verschiebung trägt auch einem Urteil des Bundesgerichtes aus dem Jahr 2003 Rechnung: Die höchste Instanz entschied, dass es sich bei einer Einbürgerung um einen reinen Verwaltungsakt handle.

Das Bürgerrecht einer baselstädtischen Gemeinde soll man nach zwei statt fünf Jahren Wohnsitz erhalten können. Der Grosse Rat, das Parlament, begrüsste im vergangenen Oktober eine entsprechende Revision des Bürgerrechtsgesetzes. Die Einbürgerungskompetenz trat er an die Regierung ab.

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