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Kaum Rückkehr von Flüchtlingen nach Irak

Ein irakisches Ehepaar verfolgt in Bagdad die Rede von US-Präsident Obama zum Abzug der US-Truppen. Keystone

In der Nacht auf Mittwoch hat US-Präsident Barack Obama die Mission "Freiheit für Irak" offiziell für beendet erklärt. Doch die Anzeichen für eine Rückkehr der rund 3000 irakischen Asylbewerber in der Schweiz stehen nach wie vor schlecht.

Seit Dienstag sind die US-Truppen nach über siebenjährigem Kampfeinsatz offiziell aus Irak abgezogen.

Zurück bleiben noch rund 50’000 US-Soldaten, welche die irakischen Sicherheitskräfte ausbilden sollen.

Normalerweise löst die Nachricht vom Ende eines Krieges bei der betroffenen Bevölkerung Jubel aus, und die Weltgemeinschaft reagiert mit Erleichterung. Beides aber ist im Falle des Iraks nicht angebracht.

Die Serie von blutigen Anschlägen, die das Land in den letzten Tagen erschütterte, lässt böse Erinnerungen an die schlimmen Jahre 2006 und 2007 aufkommen, als die Terrorwelle ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Allein am 25. August starben bei 14 Explosionen mehr als 60 Polizisten und Soldaten. 280 Personen wurden bei den koordinierten Angriffen in über zehn Städten verletzt.

Schlimm steht es aber nicht nur um die Sicherheit der irakischen Zivilbevölkerung. Auch ein knappes halbes Jahr nach den Wahlen herrscht in Irak ein politisches Vakuum, weil sich die führenden Köpfe nicht auf die Bildung einer Regierung einigen können.

Millionen von Flüchtlingen

Laut dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR machte der Konflikt über 1,5 Millionen Menschen zu internen Vertriebenen. Über 1,7 Millionen Irakerinnen und Iraker mussten das Land verlassen. Die meisten fanden in Syrien und Jordanien Zuflucht.

Verglichen damit nimmt sich die Zahl jener Irakerinnen und Iraker, die in die Schweiz kamen, gering aus: Ende Juli wies das Bundesamt für Migration (BFM) 2931 irakische Asylsuchende aus. Ende letzten Jahres waren es 3266 Personen gewesen.

Obwohl bei der Migrationsbehörde in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 403 neue Gesuche eintrafen, nimmt der Bestand von irakischen Asylsuchenden in der Schweiz also ab.

Ausschaffungen in Süd- und Zentralirak unmöglich

Aber freiwillig ist wohl kaum jemand nach Irak zurückgekehrt. «Bereits in unserer letzten Beurteilung der Situation im Zentral- und Südirak vom November 2009 wiesen darauf hin, dass mit dem Abzug der US-Truppen aus den irakischen Städten die Gewalt generell wieder zugenommen hat», sagt Adrian Hauser, Sprecher der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), gegenüber swissinfo.ch.

Stabiler präsentiert sich die Lage im Gebiet der kurdischen Regionalregierung im Norden des Landes. Dies führte dazu, dass das Bundesverwaltungs-Gericht 2008 die Praxis des BFM bestätigt hatte, dass abgewiesene irakische Asylsuchende dorthin ausgeschafft werden können.

«Wie sich der Abzug der US-Truppen auf das Gebiet der kurdischen Regionalregierung im Norden auswirken wird, kann ich nicht abschätzen», sagt Hauser. Die Flüchtlingshilfe habe aber schon früher darauf hingewiesen, dass sich dort im sozioökonomischen Bereich noch nicht viele Verbesserungen ergeben hätten.

Nur wenige Ausschaffungen

«Bis am 31. Juli 2010 wurden 22 Iraker zurückgeführt. 97 Personen sind bis Ende Juli 2010 freiwillig in den Irak zurückgekehrt», so BFM-Sprecherin Marie Avet gegenüber swissinfo.ch. Letztere würden je nach Projekt mit einer Rückkehrhilfe von bis zu 6000 Franken unterstützt.

Im Jahr davor wurden laut Avet 28 Iraker zurückgeschafft, während 121 Personen freiwillig in den Irak zurückkehrten.

Zurückhaltung

Dessen war sich wohl auch das Bundesverwaltungs-Gericht bewusst. Die Ausschaffung sei «in der Regel nur für junge, gesunde und alleinstehende kurdische Männer zumutbar», lautete eine Präzisierung im Urteil. Zudem müssten die Betroffenen ursprünglich aus dem von der kurdischen Regionalregierung beherrschten Gebiet stammen und dort nach wie vor über ein soziales Netz verfügen.

Was die Wegweisung von alleinstehenden Frauen, Familien mit Kindern sowie von Kranken und Betagten betrifft, riet das Gericht der Migrationsbehörde zu «grosser Zurückhaltung». Dies wegen mangelhaften öffentlichen Dienstleistungen, namentlich medizinischer Versorgung.

Gemäss Bundesamt für Statistik wurden im Jahr 2007 nur 18,6% oder weniger als ein Fünftel der Asylgesuche von Personen aus Irak bewilligt.

Wer einen negativen Bescheid erhält und nicht aus dem kurdischen Norden stammt, muss also kaum mit einer Rückschaffung rechnen.

Bis in ganz Irak wieder stabilere politische Verhältnisse herrschen und die Sicherheit für die ganze Bevölkerung wieder hergestellt ist, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Renat Künzi, swissinfo.ch

«Freiheit für Irak» (Iraqi Freedom) hiess die Kriegsmission der US-Streitkräfte, die vom März 2003 bis Ende August 2010 dauerte.

Auf dem Höhepunkt waren inkl. Verbündete über 170’000 Soldaten im Einsatz.

Gemäss US-Präsident Obama verschlang der Krieg über eine Billion Dollar.

US-Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz geht sogar von drei Billionen Dollar aus.

Das US-Verteidigungsministerium gibt die Zahl der gefallenen US-Soldaten mit 4418 an. Etwa 32’000 wurden verwundet.

Mindestens 9500 irakische Soldaten und Polizisten kamen ums Leben.

Mehr als 112’600 irakische Zivilisten wurden getötet.

Ausserdem kamen 141 Journalisten in Irak um.

Bis Juni 2010 gab es insgesamt mindestens 2160 Terroranschläge, davon waren mehr als ein Drittel Selbstmordanschläge.

Dabei wurden knapp 20’400 Menschen getötet und 43’700 verletzt.

Seit 2003 wurden 312 Ausländer verschleppt, von denen 60 getötet wurden, 149 kamen wieder frei.

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