Keine tiefere Mehrwertsteuer für Restaurants
Die Volksinitiative "Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!" erleidet einen gewaltigen Schiffbruch an den Urnen: Lediglich 28% des Stimmvolks sprachen sich für einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz für fliegende Verpflegung und Restaurantgerichte aus. Die Stimmbeteiligung lag bei 46%.
Am deutlichsten wurde das Volksbegehren in Zug verworfen, wo 75,8 Prozent der Stimmberechtigten Nein sagten. In Zürich waren 75,6 Prozent dagegen, in zehn weiteren Kantonen lag der Anteil Nein-Stimmen über 70 Prozent. Am besten kam das Anliegen der Wirte noch in den Kantonen Uri, Jura und Tessin an, aber auch dort waren jeweils knapp 65 Prozent dagegen.
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Für die Gegner der Gastro-Initiative ist das klare Nein ein Beleg dafür, dass es bei der Mehrwertbesteuerung keine Ungleichbehandlung gibt. «Die Konsumenten kennen den Unterschied zwischen einem Take-Away-Stand und einem Restaurant», sagte Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS).
Die Leute wüssten, dass ihnen im Restaurant eine Dienstleistung angeboten werde, die gegenüber einem Fastfood-Stand einen Mehrwert bedeute. «Die Wirte haben diesen Aspekt im Abstimmungskampf vernachlässigt.»
Die Initianten zeigten sind ob der klaren Niederlage an der Urne überrascht: «Wir hatten andere Rückmeldungen aus dem Volk», sagte Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer gegenüber Radio SRF. Trotzdem sieht er in der Schlappe auch Positives: «Wir haben dem Volk die Bedeutung des Gastgewerbes aufgezeigt.»
Die Leute hätten vor einer Weile noch nicht einmal gewusst, dass es unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gebe. Hier hätten die Initianten Aufklärungsarbeit betrieben, so Platzer.
Bundesrat für Einheitssatz
Eine Ungleichbehandlung zwischen Take-Away und Restaurants existiere tatsächlich, gab Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zu bedenken. Doch die Mehrwertsteuer-Initiative sei nicht die richtige Lösung dafür, wie das flächendeckende Nein – auch in Tourismuskantonen – gezeigt habe. «Man hat offensichtlich überall gesehen, dass dies nicht die Hilfe sein kann, die das Gastgewerbe in einer schwierigen Situation braucht.»
Die Diskussion über die verschiedenen Mehrwertsteuersätze müsse aber weitergeführt werden, betonte die Bundesrätin. Eine Vereinfachung des Systems sei nötig. «Die beste Lösung wäre ein Einheitssatz.» Der Bundesrat habe verschiedene Vorschläge für eine Vereinfachung gemacht, sei vom Parlament aber immer wieder zurückgebunden worden, so Widmer-Schlumpf.
Ihrer Ansicht nach ist der Ball nun bei den eidgenössischen Räten. Diese hätten genügend Instrumente zur Verfügung, um das Thema wieder aufzunehmen. «Ich bin überzeugt, dass die Diskussion über den Mehrwertsteuer-Satz noch nicht zu Ende ist», sagte sie.
Gastrosuisse-Volksinitiative
Mehr als 118’000 Personen hatten die Volksinitiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» des Branchenverbands Gastrosuisse unterzeichnet. Sie wurde am 21.September 2011 bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Die Volksinitiative erhob eigentlich nur eine Forderung. Demnach sollten für Speisen und Getränke künftig gleiche Mehrwertsteuer-Ansätze gelten, unabhängig davon, ob sie bei einem Detailhändler, bei einem Take-Away-Betrieb oder in einem Restaurant gekauft werden.
Wandel im Gastgewerbe
Als 1995 die Mehrwertsteuer (MwSt.) eingeführt wurde, hatte der Gesetzgeber nämlich unterschiedliche Ansätze für Lebensmittel festgesetzt. Über den Detailhandel verkaufte Nahrungsmittel werden seither mit 2,5%, im Restaurant konsumierte hingegen mit 8% besteuert.
Seither kam es in der Gastronomie zu einem tiefgreifenden Wandel: Heute verkaufen Imbissstände, Tankstellenshops, Supermärkte, Metzgereien, Bäckereien, Kioske usw. ebenfalls fertige Gerichte. Und profitieren vom günstigeren Steuersatz des Detailhandels.
«Gleich lange Spiesse»
Mit der Volksinitiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» wollte der Branchenverband Gastrosuisse bei der Besteuerung durch den Fiskus gleich lange Spiesse schaffen. Egal, ob ein Gericht im Laden gekauft, am Imbissstand mitgenommen oder im Restaurant gegessen wird, sollte immer der gleiche Steuersatz erhoben werden. Dabei liess der Verband offen, ob der Satz für alle auf 8% angehoben oder auf 2,5% gesenkt werden soll. Ausgenommen von der Regelung wären alkoholische Getränke und Tabakwaren gewesen.
Gastrosuisse und die Befürworter, vornehmlich aus bürgerlichen und der Schweizerischen Volkspartei nahen Kreisen, betonten, die fliegende Verpflegung verfüge durch den tieferen Satz über einen «staatlich verordneten Wettbewerbsvorteil» gegenüber Hotels und Restaurants. Diese Diskriminierung gefährde Arbeits- und Ausbildungsplätze
Mehrwertsteuer in der Schweiz
Die Schweiz gehört in Europa zu den Ländern mit der tiefsten Mehrwertsteuer (MwSt).
Auf die Mehrheit der Produkte wird ein Ansatz von 8% angewandt. Von einem Sondersteuersatz von 3,8% profitiert die Hotellerie, die in den letzten Jahren in grossen finanziellen Schwierigkeiten war. Nahrungsmittel, darunter auch Fast Food, werden mit 2,5% besteuert.
Die MwSt stellt den grössten Einnahmeposten für die Eidgenossenschaft dar. 2012 spülte diese Steuer 22,4 Mrd. Fr. in die Kassen des Bundes. Das entspricht mehr als einem Drittel aller Steuereinnahmen.
Zudem erklärten sie, dass verschiedenste europäische Länder bereits eine Entlastung der Gastronomiebetriebe bei der Mehrwertsteuer vorgenommen hätten.
Steuerausfälle befürchtet
Der Bundesrat (Landesregierung) und eine Parlamentsmehrheit hatten sich gegen das Vorhaben stark gemacht: Sie befürchteten im Fall einer Senkung des Satzes auf 2,5% Steuerausfälle von bis zu 750 Millionen Franken pro Jahr. Auch eine Erhöhung des Steuersatzes für alle Lebensmittel war in ihren Augen falsch. Unter dem Strich würde eine Mehrzahl der Haushalte, besonders jene mit tieferen Einkommen, stärker belastet als heute, rechnete die Bundesverwaltung vor.
Es gebe gute Gründe für die unterschiedliche Besteuerung, erklärten die Gegner der Initiative: «Nahrungsmittel sind ein lebensnotwendiges Gut. Sie werden reduziert besteuert, damit sie für alle erschwinglich sind», hiess es in den Abstimmungs-Erläuterungen. Der Besuch eines Restaurants hingegen gehe «über den reinen Nehrungsmitteleinkauf hinaus», weshalb für diese gastgewerbliche Leistung der Normalsatz gerechtfertigt sei.
Für eine Annahme der Initiative wäre neben dem Volksmehr auch eine Mehrheit der Kantone nötig gewesen. Deshalb scheiterte die Initiative auch am genannten Ständemehr: Kein einziger Kanton stimmte dem Volksbegehren zu.
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