Verantwortung von Konzernen, ein grosses Fragezeichen
Nach jahrelangen Diskussionen liegen die Karten endlich auf dem Tisch. Es kommt definitiv zu einer Volksabstimmung über die Konzernverantwortungs-Initiative. Das Parlament hat sich gegen die Initiative ausgesprochen und einen Gegenvorschlag angenommen. Dieser enthält keine neuen Haftungsregelungen für multinationale Unternehmen. Die Abstimmungskampagne verspricht Spannung, der Ausgang ist ungewiss.
Wie können multinationale Unternehmen sicherstellen, dass ihre Tochtergesellschaften die Menschenrechte und den Umweltschutz in den verschiedenen Regionen der Welt, in denen sie tätig sind, respektieren? Diese Frage wird seit langem auf globaler Ebene diskutiert.
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Wie die UNO multinationale Firmen in die Pflicht nehmen will
In der Schweiz war die Debatte aufgrund einer Volksinitiative, die 2015 von einer Koalition aus Nichtregierungs-Organisationen (NGO), Verbänden und Gewerkschaften lanciert wurde, besonders langwierig und komplex.
Die Konzernverantwortungs-Initiative basiert auf zwei Säulen: der Verpflichtung zur «Sorgfaltspflicht» für multinationale Unternehmen im Bereich der Menschen- und Umweltrechte und der Definition der rechtlichen Verantwortlichkeiten im Fall einer Verletzung dieser Verpflichtung.
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Menschenrechte und Umwelt auch im Ausland schützen
Die Landesregierung (Bundesrat) lehnte die Initiative ab und schlug dem Parlament vor, diese ohne Gegenvorschlag dem Volk zur Abstimmung vorzulegen.
Der Nationalrat (grosse Parlamentskammer), der sich der Popularität der aufgeworfenen Fragen bewusst war, zog es dennoch vor, ein indirektes Gegenprojekt auszuarbeiten. Es griff die Grundzüge der Initiative auf, schränkte aber deren Tragweite ein. Die Hoffnung bestand darin, die Initiantinnen und Initianten dazu zu bewegen, ihre Initiative zurückzuziehen.
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Der parlamentarische Weg zu verantwortungsvollen Unternehmen
Der Nationalrat einigte sich jedoch ohne den Ständerat (kleine Parlamentskammer). Dieser stellte sich hartnäckig gegen den von seinen Kollegen formulierten Gegenvorschlag. Stattdessen entschied sich der Ständerat schliesslich für einen neuen, unterdessen von der Regierung ausgearbeiteten Gegenvorschlag – eine eher ungewöhnliche Intervention während einer noch laufenden Debatte.
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So steht es in der Debatte um multinationale Unternehmen und Menschenrechte
Die kleine Kammer setzte sich schliesslich durch: Eine Einigungskonferenz gab ihrem Vorschlag den Vorzug. Der Nationalrat schloss sich dem Projekt an.
Mit der vom Parlament verabschiedeten Gesetzesänderung, die in Kraft treten wird, falls die Initiative an der Urne scheitert, werden multinationale Unternehmen verpflichtet, über Themen wie Menschenrechte, Umwelt und Korruption zu berichten. Sorgfaltspflichten gibt es auch im Bereich der Rohstoffgewinnung in Konfliktgebieten und bei der Kinderarbeit.
Der Vorschlag enthält jedoch keine neuen Regeln für die Haftung von Unternehmen – der eigentliche Zankapfel in der gesamten Debatte. Die Unternehmen befürchten, dass eine Ausdehnung der Verantwortung auf die Aktivitäten von Tochtergesellschaften oder sogar Zulieferern zu einer Lawine von Prozessen führen könnte. Andererseits sind die Initiantinnen und Initianten der Meinung, dass der vom Parlament angenommene Gegenvorschlag unzureichend und wirkungslos ist.
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Die Unternehmen stehen in der Pflicht: aber bis zu welchem Grad?
Im Einklang mit der europäischen Gesetzgebung
In der letzten Phase der Parlamentsdebatte bekräftigte die Regierung, vertreten durch Justizministerin Karin Keller-Sutter, dass der jetzt vom Parlament angenommene Vorschlag mit den in der Europäischen Union geltenden Richtlinien übereinstimme.
Es liege auf der Hand, dass strengere Vorschriften als in anderen Ländern dazu führen würden, dass die Schweiz als Standort für grosse multinationale Unternehmen einige ihrer Wettbewerbsvorteile verlieren würde. Für die Regierung und die Mehrheit des Parlaments geht es auch um die Sicherung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen.
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Schweizer Liebesbeziehung zu Multinationalen
Andererseits wird auch in der Europäischen Union und in einzelnen europäischen Ländern über eine mögliche Verschärfung der Regeln zur sozialen Verantwortung von Unternehmen diskutiert. So schnell wird das Thema nicht von der internationalen politischen Agenda verschwinden. Der Wettlauf um Rohstoffe, der durch die Coronavirus-Pandemie nur vorübergehend verlangsamt wurde, wird auch in den kommenden Jahren zu sozialen Konflikten und Umweltschäden führen.
Es ist deshalb nicht auszuschliessen, dass die Schweiz in diesem Bereich in absehbarer Zeit wieder hinter den Standards anderer Länder liegen wird. Im Jahr 2015 hatte das Parlament einen Antrag abgelehnt, der die Ausarbeitung eines Gesetzes über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich Menschenrechte und Umwelt forderte. Heute geben die Parlamentskammern zu, dass etwas getan werden muss, wenn auch mit Vorsicht.
Das Gespenst der Abzocker-Initiative
Über der baldigen Abstimmung über die Konzernverantwortungs-Initiative wird das Schreckgespenst des überwältigenden Erfolgs der Initiative zu überhöhten Löhnen im Jahr 2013 schweben. Schon damals hatte das Parlament nach langwierigen Diskussionen einen Gegenvorschlag angenommen, konnte damit der Initiative aber nicht die Flügel stutzen.
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Grosserfolg für die Abzocker-Initiative
Die Konzernverantwortungs-Initiative scheint sich derzeit einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung zu erfreuen. Eine im Mai im Auftrag der Initiantinnen und Initianten durchgeführte Umfrage ergab eine Unterstützungsrate von 78%. Andere Umfragen zeigen eine weniger starke Zustimmung, aber es besteht kein Zweifel, dass die Initiative auch ausserhalb der linken Wählerschaft Unterstützung findet. Im Mittelpunkt der Debatte steht eine ethische Frage, für die selbst die Bürgerlichen nicht unempfindlich sind.
Der endlose parlamentarische Prozess verlieh diesem Thema ein hohes Profil. Die Coronavirus-Pandemie hat jedoch die Karten neu gemischt. Einerseits ist davon auszugehen, dass im November, wenn die Initiative höchstwahrscheinlich den Stimmberechtigten unterbreitet wird, die Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit im Zentrum der politischen Debatte in der Schweiz stehen werden. In solchen Situationen zögern die Bürger in der Regel, die Ethik über die Wirtschaft zu stellen.
Andererseits scheint die starke Forderung nach sozialem Wandel, die im letzten Jahr im Frauenstreik und in den Klimastreiks zum Ausdruck kam, während der Pandemie nicht ganz geruht zu haben, wie die aktuellen Demonstrationen gegen Rassismus zeigen. Die Partie scheint also noch offen.
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