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Schweizer Rentner in Deutschland bezahlen zu viel

Rentner in Deutschland, die AHV- oder Pensionskassengelder aus der Schweiz erhalten, bezahlen den deutschen Krankenkassen oft zu hohe Beiträge. Das Problem ist erkannt – aber noch lange nicht gelöst. Denn tätig werden müssen die Rentner selbst.

Wer in Deutschland eine Rente bezieht, muss davon monatlich einen Prozentsatz abgeben, als Beitrag für die Krankenkasse. Dieser Prozentsatz kann aber unterschiedlich hoch sein. Für die Berechnung des Beitrags legen die deutschen Krankenkassen den halben Satz (7,3 Prozent) oder den ganzen Beitragssatz (14,6 Prozent) zugrunde. Den ganzen, wenn die Rente auch aus privaten, freiwilligen Vorsorgegeldern besteht – und den halben, wenn es sich nur um die eigentliche Grundrente handelt.

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Die Krankenkassen haben falsch gerechnet

Offenbar haben in den letzten Jahren viele deutsche Krankenkassen die Renten aus der Schweiz – also AHV und Pensionskassenbeiträge – mit dem vollen Beitragssatz verrechnet. So verlangten sie ungerechtfertigt viel Geld – denn gemäss Gesetz hätten sie nur die Hälfte abziehen dürfen. 

Eine Beispielrechnung der deutschen Verbraucherzentrale zeigt, was das konkret bedeutet: Bei einer Rente von 1700 Euro macht der Unterschied zwischen vollem und halbem Beitragssatz rund 120 Euro im Monat aus. «Im Jahr also rund 1500 Euro, der von Krankenkassen zu viel verlangt würde», schreiben die deutschen Konsumentenschützer dazu. Ihr Fazit: «Diese Praxis ist so dreist wie rechtswidrig.»

An der ASO-Konferenz im deutschen Freiburg im Breisgau machte Monika Uwer-Zürcher auf die Problematik aufmerksam; sie ist verantwortlich für die Redaktion Deutschland der Schweizer RevueExterner Link. An der Konferenz berichtete sie vom grossen Echo, welches eine kleine MeldungExterner Link in der Schweizer Revue ausgelöst hat. 

Die Auslandschweizer-Organisation Deutschland hat nun auch eine Zuschrift veröffentlicht, die Betroffenen Hinweise Externer Linkgibt, wie sie die zuviel bezahlten Beiträge zurückfordern können. Immerhin bezahlen die Krankenkassen zu Unrecht erhobene Beiträge meist ohne Anstalten zurück, und das rückwirkend bis zu vier Jahren. Monika Uwer-Zürcher hat von einem Fall erfahren, in dem die Rückzahlung eine fünfstellige Summe ausgemacht hat.

Tatsächlich existiert ein Gerichtsurteil von 2016. In diesem stellt das deutsche Bundessozialgericht fest, dass die bis dahin verbreitete Praxis der deutschen Krankenversicherer nicht rechtens sei. 

Die Überlegung der Richter ging so: Weil die Beiträge an die Schweizer AHV (1. Säule) und Pensionskassen (2. Säule) in der Schweiz nicht freiwillig sind, kann man die Einkünfte nicht als «private Vorsorge» taxieren. Erst aus dem Zusammenwirken zwischen erster und zweiter Säule werde in der Schweiz schliesslich der Unterhalt gesichert. Darum seien auch Pensionskassengelder als Grundrente zu bewerten.

Tausende Auslandschweizer betroffen?

Wie gross das Problem mit den überhöhten Beiträgen ist, bleibt selbst für Fachleute schwer zu erfassen. Theoretisch betrifft es Zehntausende von Rentnern, Tausende Auslandschweizer – eigentlich alle, die in Deutschland Renten aus der Schweiz beziehen. Statistisch sauber erfasst sind von ihnen jedoch nur die Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen, die über 65 Jahre alt sind: Das sind in Deutschland – Stand 2018 – exakt 18’639 Personen. 

Dann aber ist es mit der Genauigkeit vorbei: Nicht alle von ihnen beziehen Rentenzahlungen aus der Schweiz. Ehemalige Grenzgänger hingegen schon. Und Schweizer Renten erhalten schliesslich auch viele Deutsche, die einst in der Schweiz gearbeitet haben.

Monatlich überweist Bern 45 Millionen Franken

Die Zeitung «Südkurier» berichtete 2018 von 126 000 RentenzahlungenExterner Link, die von der Schweiz nach Deutschland fliessen: monatlich 45 Millionen Franken. Die Angabe stammt der Zeitung zufolge vom Schweizer Bundesamt für Sozialversicherung und betrifft somit nur AHV-Zahlungen, also keine Pensionskassen-Leistungen. 

In einer eigenen Schätzung rechnete der «Südkurier» diese Gelder modellhaft dazu. Und kam so auf 3 Millionen Franken als Summe, welche deutsche Krankenkassen den Betroffenen jeden Monat zu Unrecht abfordern.

«Früher haben genau diese Rentner profitiert»

Gerhard Lochmann, der Schweizer Honorarkonsul im deutschen Freiburg im Breisgau, hat als Anwalt einige dieser Fälle auf dem Tisch. Er hält den Begriff «abzocken», den der «Südkurier» in diesem Zusammenhang verwendet hat, für falsch. 

Lochmann verweist darauf, dass bis zum Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland im Jahr 2012 die Situation genau umgekehrt war. Zuvor nämlich wurden Rentenzahlungen aus der Schweiz gar nicht in die Berechnungen der deutschen Krankenkassenbeiträge einbezogen. Die betroffenen Rentner mit Zahlungen aus der Schweiz profitierten also über Jahre vom deutschen System.  «Das war noch ungerechter», sagt Lochmann.

«Es sind ja meist ältere Leute»

Bärbel (79) und Werner (80) H. haben über ein Jahr um die Rückzahlung ihrer zu viel bezahlten Beiträge gekämpft – «ganz alleine», wie Bärbel sagt. Sie wünschten sich, dass für andere Betroffene ein Formular oder ein Musterbrief geschaffen würde, mit dem die Ansprüche geltend gemacht werden könnten. «Es sind ja meist ältere Leute, die sind nicht so gewandt im Umgang mit den Behörden», sagt er.

Bärbel und Werner H.: Die Schweizer Rentner in Deutschland erhielten nach langem Kampf 10’500 Euro zurück. swissinfo.ch

Die beiden Auslandschweizer hielten sich über 40 Jahre in der Schweiz auf. Der Gatte arbeitete bei Landis & Gyr in Zug. 2006 liessen Sie sich in Deutschland nieder, die Renten kamen verlässlich: Zweimal AHV und die Pensionskassen-Zahlungen des Gatten. Dieser sagt: «Die Kasse stand mit dem Problem genauso am Anfang wie wir, da war keine Böswilligkeit im Spiel.» Gattin Bärbel fügt an: «Wir hatten das Gefühl, man schiebe uns auf die lange Bank.»

Die Rückzahlung, die sie erhalten haben, Betrug 10’500 Euro. Rückerstattet wurden vier Jahre, mehr ist nicht vorgesehen.

Schlummert in Frankreich eine ähnliche Thematik?

Der Schweizer Honorarkonsul und Rechtsanwalt Gerhard Lochmann sieht die Praxis der deutschen Kassen als eine «normale Begleiterscheinung der europäischen Harmonisierung im Krankenversicherungs-System» – und hegt dabei eine Vermutung: Die Problematik könnte in andern europäischen Ländern auch noch auftauchen. Etwa in Frankreich, wo mit 200’000 Personen die grösste Auslandschweizer-Gemeinschaft lebt.

Für die deutsche Verbraucherzentrale bleibt vorderhand stossend, dass einige Kassen ihre Forderungen offenbar nicht von sich aus anpassen und die Beiträge weiterhin falsch und zu ihren Gunsten berechnen.

Selbst wenn der Wille da wäre: Die Daten fehlen

Ein Hindernis für eine globale Bereinigung des Missstands stellen die Pensionskassenbeiträge dar. Diese sind im Gegensatz zu den AHV-Zahlungen nicht zentral erfasst. Alle Empfänger zu eruieren scheint deshalb unmöglich.

Rechtlich kann eine Kasse zwar beim deutschen Fiskus nachfragen, ob ein Kunde Pensionskassen-Zahlungen aus der Schweiz erhält – aber nur im Einzelfall. Und auch dann müssten sie dazu erst mal ein Interesse haben. 

Bewegen müssen sich die Kassen von Gesetzes wegen ohnehin nur auf Antrag.  


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