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Luft für Betrug und Korruption im Sport wird dünner

Pascal Muller/EQ Images

Die Pläne des Bundes zum verstärkten Kampf gegen Betrug und Korruption im Sport sind auf positives Echo gestossen. Einigen gehen die Massnahmen aber zu weit. Als Gastland von über 60 Weltverbänden des Sports steht die Schweiz international unter Druck.

Die Anstrengungen, welche die in der Schweiz ansässigen internationalen Sportverbände im Kampf gegen Korruption und Betrug im Sport unternehmen, seien ungenügend. Deshalb brauche es griffigere Massnahmen. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Sport (Baspo) in einem jüngst vorgelegten Bericht.

Der Anstoss dazu stammte von der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats (kleine Kammer). Sie beauftragte den Bundesrat, die bestehenden Instrumente auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen und allfälligen Handlungsbedarf auf Gesetzesebene darzulegen.

Im 70 Seiten starken Papier wird den Behörden einerseits die Einführung eines einheitlichen, verbindlichen Systems der guten Regierungsführung ans Herz gelegt. Andererseits brauche es strengere Gesetze, um Korruption und Betrug im Sportbereich wirksamer bekämpfen zu können. Ein weiteres Ziel ist eine engere internationale Zusammenarbeit.

Auf dem Spiel stehen laut Bundesrat nicht nur die Glaubwürdigkeit des Sports, sondern auch der Ruf der Schweiz als Gastland zahlreicher internationaler Sportverbände.

Mit Blick auf eine mögliche Kandidatur der Schweiz für die Olympischen Winterspiele 2022 hatte der Schweizer Sportminister Ueli Maurer eine «Null-Toleranz-Strategie» gegenüber Korruption und Betrug im Sport gefordert.

Der sozialdemokratische Nationalrat Carlo Sommaruga, der Ende 2010 eine parlamentarische Initiative zu diesem Phänomen eingereicht hatte, zeigte sich mit dem Bericht zufrieden.

«Die Behörden halten in ihrer breit angelegten Studie fest, dass Korruption und Wettbetrug existierende Probleme sind, die das Image des Sport beschädigen können.» Für Sommaruga ist deshalb zentral, dass jetzt gehandelt werde.

Bei Roland Büchel, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der 2010 ebenfalls einen entsprechenden Vorstoss eingereicht hatte, sind die Gefühle dagegen gemischt.

«Wir haben ein Jahr verloren, denn der Bericht geht nicht tief genug. Weder Korruption noch Wettbetrug werden eingehend behandelt», bedauert Büchel. Das Kapitel über die Fifa lese sich so, als stamme es aus der PR-Abteilung des Weltfussballverbandes selbst.

Gesetzliche Massnahmen

Juristen aus der Bundesverwaltung sind nun daran, die im Bericht vorgeschlagenen gesetzlichen Anpassungen zu prüfen. Gegenwärtig können Schweizer Gerichte in Fällen von privater Korruption nur ermitteln, wenn eine Klage vorliegt. Korruption soll nun im Strafrecht zum Offizialdelikt werden, bei dem die Behörden automatisch aktiv werden müssen.

Die Rechtsexperten untersuchen ferner, wie Mitglieder nationaler Sportverbände und -organisationen Anti-Korruptionsgesetzen unterstellt werden können.

Im Oktober mussten drei Schweizer Fussballspieler freigesprochen werden, die bewiesenermassen in den grössten Wettskandal Europas involviert waren. Das stossende Urteil wäre nicht möglich gewesen, wenn das Strafgesetz ein Delikt «Sportbetrug» kennen würde, sagen Anti-Korruptionsfachleute.

Eine weitere Priorität liegt auf der Überarbeitung der nationalen Lotterie-Gesetzgebung, um illegale Spielwetten zu bekämpfen. Die Vorschläge der Juristen sollen bis Ende 2013 vorliegen und anschliessend im Parlament beraten werden.

Opposition absehbar

Beobachter gehen davon aus, dass sich die internationalen Verbände nicht gegen die Verschärfungen zur Wehr setzen werden. «Die einzige Möglichkeit, die Verschärfung zu umgehen, ist die Dislokation in ein anderes Land. Aber es wird schwierig sein, einen besseren Standort als die Schweiz zu finden», sagt Jean-Loup Chappelet, Dozent für das Management von Sportorganisationen an der Schweizer Hochschule für öffentliche Verwaltung in Lausanne.

Widerstand könnte aus der Privatindustrie und von Seiten kleinerer Vereinigungen in den Bereichen Sport, Kultur oder Religion kommen, weil sie unter das neue Gesetz fallen könnten.

«Es besteht das Risiko, dass die Debatte dazu missbraucht wird, den unvermeidlichen  Prozess zu verzögern», sagt Carlo Sommaruga

Nicht über Ziel hinausschiessen

Mark Pieth, Schweizer Anti-Korruptionsexperte und Vorsitzender der von der Fifa eingesetzten unabhängigen Kommission für Governance, lobt den Baspo-Bericht als «weitreichend». Er befürchtet aber, die Behörden könnten das Fuder überladen und damit das Vorhaben gefährden.

«Wir brauchen eine Strafnorm für Offizielle aus dem Sport. Aber ich würde eine Lösung vorziehen, die nur auf die hier ansässigen 65 internationalen Sportorganisationen fokussiert .»

Pieth würde es begrüssen, wenn die Behörden insbesondere auf der regulatorischen Seite aktiver würden, vergleichbar mit den neuen, rigorosen regulatorischen Hürden im Bankenbereich.

«Idealerweise umfasst ein solches Konzept finanzielle Regulierungen, ein Compliance-System sowie Bestimmungen im Falle von Interessens-Kollisionen. Organisationen, die diese Vorgaben nicht erfüllen, sollten als Risiko für die Schweiz angesehen und deshalb nicht akzeptiert werden.

Fifa wie Jodler

Wie umstritten auch immer: Der vorgelegte Bericht stellt einen radikalen Kurswechsel des Bundes dar. Kritiker hatten den Behörden bisher immer zu viel Nachsicht und Nachlässigkeit im Umgang mit internationalen Sportverbänden vorgeworfen. 

Das Schweizer Recht erlaubt es solchen, sich als Vereine zu konstituieren. Das bedeutet, dass der Staat keinerlei Einsicht in deren Bücher hat, auch wenn der Verband Milliarden umsetzt, wie im Fall der Fifa.

«Es ist stossend, dass eine milliardenschwere Sportorganisation immer noch denselben rechtlichen Status besitzt wie ein Jodelverein aus den Schweizer Bergen», sagt Büchel.

In den letzten zehn Jahren aber hat der internationale Druck auf die Schweiz kontinuiuerlich zugenommen. «Bis zum Jahr 2000 war noch alles möglich. Schmiergelder und versteckte Kommissionen – alle machten mit, denn sie waren nicht illegal, weder in der Schweiz wie anderswo», sagt Chappelet.

«Aber nun drängen die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), der Europarat und die UNO auf strengere Regeln. Deshalb bleibt der Schweiz gar keine andere Wahl, als ihre Haltung zu ändern.»

In der Schweiz sind aktuell rund 65 internationale Verbände und Organisationen beheimatet.

Allein im Kanton Waadt sind es rund 20, neben dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auch das Sport-Schiedsgericht (CAS) oder die Uefa.

Laut einer Studie von 2007 generierten die Sport-Hoheiten im Kanton Waadt einen Umsatz von 200 Mio. Franken sowie 1400 Arbeitplätze.

Die Fifa als mächtigster Sportverband der Welt hat ihren Sitz in Zürich.

Die Schweiz ist aus mehreren Gründen attraktiv: geographische Lage, hohes Bildungsniveau, politische Stabilität, Neutralität, Sicherheit, hohe Lebensqualität sowie attraktive Steuerlösungen und die vorteilhafte Gesetzgebung.

Sportverbände profitieren in der Schweiz vom rechtlichen Status als Vereine, was ihnen sehr grosse Freiheiten und eine minimale Kontrolle einräumt.

Die Anti-Korruptions-Normen sind in Europa nicht einheitlich.

In Deutschland, Österreich, Belgien und Finnland fällt Korruption im Sport unter das allgemeine Strafrecht.

Frankreich, Spanien und Bulgarien kennen spezifische Gesetzesbestimmungen im Strafgesetz.

Zypern, Griechenland oder Polen verfügen über Sportgesetze, während Italien und Malta spezielle Gesetze für strafrechtliche Vergehen im Sport kennen.

(Quelle: Baspo)

(Übertratung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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