Max Göldi nach zweijähriger Odyssee zuhause
Nach einem fast zweijährigen Zwangsaufenthalt in Libyen ist der Schweizer Geschäftsmann Max Göldi am Montag auf dem Flughafen Zürich-Kloten von seiner Familie empfangen worden. In Begleitung von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey kehrte er in der Nacht auf Montag in die Schweiz zurück.
Nach knapp zwei Jahren der unfreiwilligen Trennung sei die Erleichterung sehr gross, teilte Familie Göldi später mit. «Unbeschreiblich ist unsere Freude, dass das lange Warten, Bangen und Hoffen ein Ende gefunden hat. Wir sind überglücklich, dass er wieder bei uns ist und sich nun von den vergangenen Strapazen in aller Ruhe im Familienkreis erholen kann.»
Auch die Aussenministerin äusserte sich zufrieden: «Wir sind erleichtert und freuen uns mit Max Göldi und seiner Familie», wurde Calmy-Rey in einer Mitteilung zitiert.
Erleichterung auch bei der Präsidentin der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates: Mit Göldis Heimkehr gehe eine menschliche Tragödie» zu Ende, sagte Christa Markwalder.
Ebenfalls «sehr erleichtert» zeigte sich der Sprecher von Amnesty International Schweiz, Daniel Graf. Amnesty hatte sich intensiv für Göldi und seine Freilassung eingesetzt.
Göldi hatte Libyen am Sonntag verlassen und war nach einem Zwischenhalt in Tunis gemeinsam mit Calmy-Rey in die Schweiz geflogen. Möglich geworden war Göldis Rückkehr nach der Unterzeichnung eines Aktionsplans zwischen der Schweiz und Libyen am Sonntag in Tripolis.
«Normalisierung der Beziehungen»
Calmy-Rey und ihr spanischer Amtskollege Miguel Angel Moratinos hatten sich gemeinsam mit Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi um eine Ausreise Göldis bemüht. Calmy-Rey hatte gesagt, die Heimkehr des Schweizer Geschäftsmanns sei «der Beginn der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern».
Der Aktionsplan
In Tripolis hatte Calmy-Rey den Aktionsplan vorgestellt, der den bilateralen Problemen zwischen Libyen und der Schweiz ein Ende setzen soll. Geregelt wurde darin erneut ein Schiedsgericht, aber auch das beschleunigte Ausreiseprozedere für Max Göldi.
Die beiden Parteien sind sich einig, ein Schiedsgericht einzuberufen, heisst es im ersten Punkt des Abkommens. «Ein Schiedsgericht, dem der Bundespräsident der Schweiz bereits zugestimmt hat», unterstrich die Aussenministerin – «am 20. August 2009.»
Der zweite Punkt des Aktionsplanes widmet sich der «illegalen Veröffentlichung» der Fotos von Hannibal Gaddafi im September 2009 in der Genfer Tribune de Genève.
Der Aktionsplan hält zu diesem Punkt wörtlich fest: «Die Schweiz entschuldigt sich für die unrechtmässige Veröffentlichung der Fotos von Hannibal Gaddafi (…), die ein Bruch der Vertraulichkeit nach Schweizer Recht darstellt. Die Regierung des Kantons Genf bedauert die Veröffentlichung dieser Fotos und anerkennt ihre Verantwortung dafür. Der Vorfall wird rechtlich untersucht, und die Schweizer Behörden sind verpflichtet, den Schuldigen oder die Schuldigen vor Gericht zu bringen.»
Ausserdem, so Calmy-Rey, sieht der von Libyen, der Schweiz, Spanien und Deutschland unterzeichnete Aktionsplan ein beschleunigtes Ausreiseprozedere für Max Göldi vor. «Wir haben hart daran gearbeitet, Max Göldi und Rachid Hamdani wieder mit ihren Familien zu vereinigen.»
Hintergrund der Krise
Hintergrund der Krise zwischen der Schweiz und Libyen war die vorübergehende Verhaftung Hannibals – eines Sohnes von Muammar Gaddafi – und dessen Ehefrau Aline in Genf im Juli 2008 wegen des Verdachts der Misshandlung von Hausangestellten.
Libyen hatte verlangt, dass die aus Gaddafi-Sicht «demütigende» Verhaftung von einem internationalen Schiedsgericht untersucht wird. Die Schweiz sisitierte eine entsprechende Übereinkunft, nachdem die beiden Schweizer, Göldi und Rachid Hamdani, vorübergehend an einen unbekannten Ort verschleppt worden waren. Während Hamdani im Februar Libyen verlassen konnte, musste Göldi bis diese Woche eine Haftstrafe wegen angeblicher Visaverletzungen absitzen.
Libyen liess Calmy-Rey warten
Der Unterzeichnung des Abkommens vom Sonntag war stundenlanges Warten vorausgegangen. Calmy-Rey und Moratinos waren bereits am Samstagabend nach Tripolis gereist, um die Ausreise Göldis und eine Lösung der diplomatischen Krise zu verhandeln.
Eine von den Libyern angekündigte Medienkonferenz in einem Luxushotel war bereits am Sonntagmorgen um 10.00 Uhr MESZ angesetzt, dann aber wieder verschoben worden. Auch Calmy-Rey und Moratinos hätten über eine Stunde in der Eingangshalle des Hotels gewartet, bis sie sich an einen den Medien unbekannten Ort begaben, berichtete der Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP.
Heimkehr mit Berlusconi?
Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist am Sonntagnachmittag in der libyschen Hauptstadt Tripolis gelandet. Über die Hintergründe seines Besuchs ist derzeit nichts bekannt – regierungsnahe Quellen in Libyen beteuerten einen Zusammenhang mit der Freilassung von Max Göldi.
Der Schweizer Geschäftsmann soll das Land in Begleitung von Berlusconi verlassen können, hiess es. Göldi werde dem italienischen Regierungschef «übergeben». Eine offizielle Bestätigung dafür gab es jedoch nicht.
Berlusconi hatte anfangs Nachmittag bestätigt, dass er nach einem offiziellen Besuch in Sofia weiter nach Tripolis reisen werde. Gründe dafür gab er keine an.
Berlusconi hatte den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi kürzlich in einer Rede beim Arabischen Gipfel als «Freund» bezeichnet.
Gaddafi empfängt Calmy-Rey
Laut zwei Nachrichtenagenturen hat Libyens Staatschef Muammar Gaddafi am Sonntagabend die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in seinem Zelt empfangen. Mit dabei war auch der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi.
Vor Ort seien zudem die Aussenminister Libyens, Moussa Koussa, Spaniens, Miguel Angel Moratino und Maltas, Tonio Borg. Auch die Premierminister Sloweniens und Maltas, Borut Pahor und Lawrence Gonzi, seien im Zelt in der Kaserne Bad Al Azyzyia, wie die Agenturen Adnkronos und Ansa berichteten.
swissinfo.ch und Agenturen
15. Juli 2008: Hannibal Gaddafi und seine Frau Aline werden in einem Genfer Hotel festgenommen wegen Verdachts auf Misshandlung von Hausangestellten. Zwei Tage später werden sie gegen Kaution aus der Polizeihaft entlassen.
Juli 2008: In Libyen werden zwei Schweizer Geschäftsleute festgenommen wegen angeblicher Verstösse gegen Einwanderungs- und andere Gesetze.
Januar 2009: Ein Treffen von Bundesrätin Calmy-Rey mit dem Gaddafi-Sohn Saif al-Islam Gaddafi am WEF bringt keinen Durchbruch.
April 2009: Libyen und das Ehepaar Gaddafi reichen eine Zivilklage gegen den Kanton Genf ein.
Juni 2009: Libyen zieht die meisten seiner Gelder von Schweizer Bankkonten ab.
August 2009: Bundespräsident Hans-Rudolf Merz entschuldigt sich in Tripolis beim libyschen Regierungschef Al Mahmudi. In einem Vertrag will man die bilateralen Beziehungen wieder herstellen und ein Schiedsgericht einsetzen.
September 2009: Merz trifft Gaddafi in New York. Dieser versichert ihm, sich persönlich für die Freilassung der Festgehaltenen einzusetzen.
Später werden die beiden Schweizer während einer ärztlichen Kontrolle an einen unbekannten Ort gebracht.
November: Der Bundesrat sistiert das Abkommen mit Libyen. Die restriktiven Visa-Massnahmen gegenüber Libyern bleiben. Die beiden Schweizer werden wieder auf die Botschaft in Tripolis gebracht.
Dezember: Die Beiden werden wegen Visavergehen zu je 16 Monaten Haft und rund 1600 Fr. Busse verurteilt. Später werden diese Urteile gemildert.
14. Februar 2010: 188 Libyer sind im Schengen-Computer-System auf der schwarzen Liste und erhalten kein Visum.
22. Februar 2010: Max Göldi wird von den libyschen Behörden ins Gefängnis gebracht. Rachid Hamdani verlässt Libyen und trifft am 23. Febebruar in der Schweiz ein.
25. März 2010: Die Schweiz hebt (oder reduziert drastisch) ihre «schwarze Liste» mit libyschen Staatsbürgern.
28. März 2010: Libyen und die EU kündigen die Aufhebung der Visaeinschränkungen beider Seiten an.
10. Juni 2010: Max Göldi kann das Gefängnis verlassen und erhält seinen Pass.
13. Juni 2010: Nach fast 2 Jahren mit Zwangsaufenthalt und Haft kann Max Göldi Libyen verlassen.
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