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Mirko Manzoni, der Schweizer Friedensstifter in Mosambik

Quattro persone in piedi
Von links nach rechts: Botschafter Mirko Manzoni, Mosambiks Präsident Filipe Jacinto Nyusi, Oppositionsführer Osuffo Momade und der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis. Keystone

Die Zeitung Tages-Anzeiger sprach vom "grössten Erfolg der Schweizer Friedensdiplomatie seit vielen Jahren": Denn das Friedensabkommen von Mosambik hat auch ein Schweizer Gesicht, das von Botschafter Mirko Manzoni, den swissinfo.ch kürzlich getroffen hat.

Am 6. August küssen sich der Präsident Mosambiks, Filipe Nyusi, von der regierenden Frelimo-Partei und Ossufo Momade, Oppositionsführer der Renamo-Partei, während der Zeremonie zur Unterzeichnung eines historischen Friedensabkommens.

An ihrer Seite applaudiert und lächelt ein Mann mit Brille. Es ist Mirko Manzoni, der Schweizer Botschafter in dem südostafrikanischen Land. Manzoni hat die Friedensverhandlungen seit mehr als drei Jahren geleitet und es geschafft, die Parteien nach Jahrzehnten des Bürger- und Guerillakriegs davon zu überzeugen, den Weg des Friedens zu gehen.

Ende des Monats wird Manzoni seinen Botschafterposten verlassen. Er wurde von UNO-Generalsekretär António Guterrez zum Persönlichen Gesandten für Mosambik ernannt.

swissinfo.ch: Haben Sie mit dieser Ernennung durch António Guterres gerechnet?

Mirko Manzoni: Es war vorgesehen, dass ich Ende dieses Jahres die Missionen wechsle. Aber ich wusste, dass auf mosambikanischer Seite der Wunsch bestand, dass ich im Land bleibe. Ich hatte also eine Vorahnung.

Dennoch war der Anruf von António Guterres eine Überraschung. Eine solche Ernennung erfolgt nur einmal im Leben. Seine Worte während unseres Telefongesprächs waren sehr berührend und ich beschloss sofort, ja zu sagen. Was hätte ich anderes tun können?

swissinfo.ch: Man hätte auch denken können, dass die Schweiz nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens alles tun würde, damit Sie im Amt bleiben können. Stattdessen hat das Schweizer Aussendepartement (EDA) beschlossen, Sie nach Zentralasien zu schicken. Ein seltsamer Entscheid.

M.M.: Ich glaube, die Mosambikaner waren schneller als die Schweizer. Etwas hat hier nicht funktioniert, und ich sage das, ohne damit eine Kontroverse auslösen zu wollen. Meiner Meinung nach hätte alles unternommen werden sollen, um sicherzustellen, dass das Team, welches das Abkommen ausgehandelt hat, vor Ort bleibt und die Umsetzung überwacht.

Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, und deshalb haben wir eine gewisse Verantwortung. An der Unterstützung durch Aussenminister Ignazio Cassis fehlte es nicht. Meine Ernennung zum Persönlichen Gesandten der UNO erhielt die volle Unterstützung der Schweiz.

«Die Mosambikaner waren schneller als die Schweizer. Etwas hat hier nicht funktioniert, und ich sage das, ohne damit eine Kontroverse auslösen zu wollen.»

swissinfo.ch: Worin besteht Ihre neue Aufgabe?

M.M.: Erstens geht es darum, die Wahlen im Oktober zu begleiten. Sie sind ein Testfall für das neue Friedensabkommen. Mein Mandat basiert auf der Arbeit, die ich in den letzten drei Jahren als Mediator zwischen den beiden Parteien geleistet habe.

Ein Teil dieses Mandats ist noch nicht abgeschlossen: die Wiedereingliederung in die Gesellschaft von 5300 Soldaten, die der Partei Renamo angehören. Dann müssen wir die unterzeichneten Vereinbarungen konsolidieren. An Arbeit wird es sicherlich nicht mangeln.

swissinfo.ch: Machen wir einen Schritt zurück: Wie kam die Schweiz zu dieser Rolle der Mediatorin?

M.M.: 2016 war die Mediation bereits im Gang, aber sie funktionierte nicht sehr gut. Wir erhielten eine Anfrage um gute Dienste. Die Schweiz und Mosambik verbindet eine langjährige Beziehung, die auf die Zeit der protestantischen Missionen zurückgeht. Wir gelten seit jeher als vertrauenswürdige Partner. Der damalige Aussenminister Didier Burkhalter reagierte positiv auf den Antrag und wir begannen mit unserer Vermittlungsmission.

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swissinfo.ch: Wie sind Sie vorgegangen?

M.M.: Wir haben uns zuerst mit dem technischen Teil beschäftigt. Dann wurde eine politische Mediation auf sehr diskrete Art und Weise von einem kleinen, dreiköpfigen Team durchgeführt, das mit mir zusammenarbeitete. Drei Jahre lang haben wir verhandelt. Rund 30 Mal reisten wir in den Dschungel, wo sich die Kämpfer aufhielten.

Im Mai 2018 ist es uns gelungen, eine erste politische Einigung zu erzielen: die Revision der Verfassung, die eine bessere Umverteilung der Macht im Land vorsieht. Einige Monate später gelang es uns, das Militärabkommen zu abzuschliessen, das die Integration einer Reihe von oppositionellen Soldaten in strategische Positionen in der mosambikanischen Armee vorsieht.

swissinfo.ch:Das Friedensabkommen ist das Ergebnis dieser beiden vorangegangenen Abkommen. Dies ist im Rahmen der Mediation nicht immer der Fall.

M.M.: Neu ist, dass die wichtigsten Vorverträge – die neue Verfassung und das Militärabkommen – vor dem Friedensabkommen unterzeichnet wurden. Aus diesem Grund war es schwierig, zurückzurudern: Es gab keinen Grund mehr, militärisch zu kämpfen.

swissinfo.ch: Im Mai 2018 wäre Ihre gesamte Arbeit fast in einer Schublade verschwunden. Was war geschehen?

M.M.: An diesem Tag verstarb Afonso Dhlakama. Er war seit 35 Jahren Vorsitzender der Partei Renamo. Zu diesem Zeitpunkt war noch nichts Konkretes unterzeichnet und die ganze Mediation hätte gefährdet sein können. Es war ein schrecklicher Moment.

Anstatt sich jedoch zurückzuziehen, zeigte sich Präsident Nyusi versöhnlich und reagierte so, wie er sollte: Er spielte das Spiel aller Mosambikaner und drängte seine Partei, das Abkommen über die Verfassung zu akzeptieren.

So wurde nur zwanzig Tage nach Dhlakamas Tod über die Verfassungsrevision, den heikelsten Punkt des Abkommens, abgestimmt. Ein entscheidender Moment, wir waren erleichtert.

«Afrikanische Länder werden oft der Korruption beschuldigt, aber man muss zugeben, dass Korruption nicht nur in Afrika auftritt. Oftmals wird das Konzept hinter diesen grossen Deals in westlichen Ländern erarbeitet.»

swissinfo.ch: Im März 2019 verursachte der Zyklon Idai in Mosambik schwere Schäden, mehrere Menschen starben. Hatte dieses Ereignis Auswirkungen auf die Verhandlungen?

M.M.: Nicht direkt. Doch demonstrierten die beiden Parteien in diesem Moment nationale Einheit. Ein Zeichen der Hoffnung: Wenigstens in besonders schwierigen Zeiten ist es möglich, eine Einigung zu erzielen.

Dies gilt auch für Dschihadisten im Norden des Landes: Die Opposition steht auf der Seite der Mehrheit. Ich erachte dies als einen wichtigen Mentalitätswandel, der das nationale Interesse heute zu einer Priorität für alle macht.

swissinfo.ch: Wie denken Sie über die nächsten Wahlen im Oktober?

M.M.: Positiv. Das Friedensabkommen ist solid, und die nächsten Wahlen werden im Rahmen der neuen Verfassung stattfinden. Im Gegensatz zu dem, was in anderen Ländern geschehen ist, denke ich – ohne naiv optimistisch zu sein –, dass es schwierig sein wird, umzukehren.

Die politische Vereinbarung, welche die Architektur des Staates verändert, wurde früh unterzeichnet und umgesetzt. Heute gibt es also keinen Grund mehr, mit Waffen zu kämpfen.

swissinfo.ch: Das Land ist reich an Rohstoffen. Haben Sie jetzt, da der Frieden unterschrieben ist, keine Angst vor einem Angriff auf diese Ressourcen?

M.M.: Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist sicherlich einer der sensibelsten und entscheidendsten Punkte für die nahe Zukunft Mosambiks. Es wird nicht einfach, denn diese Ressourcen sind von enormem Interesse, auch für ausländische Investoren.

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Die neue Verfassung wird es der Opposition jedoch ermöglichen, die Provinzen zu verwalten, in denen sie die Wahl gewinnt. Das gilt auch für die natürlichen Ressourcen dort. Weil Mosambik fast überall auf seinem Territorium über Rohstoffe verfügt, wird dies eine gewisse Umverteilung des Reichtums ermöglichen.

swissinfo.ch: In den letzten Jahren gaben Mosambik und die Schweiz auch in einem weniger erfreulichen Zusammenhang zu reden: Ein Darlehen der Grossbank Credit Suisse in der Höhe von 2 Milliarden Dollar an Mosambik stürzte den afrikanischen Staat in eine schwere Krise. Was ist Ihre Meinung zu diesem Fall?

M.M.: Das ist eine ernste Angelegenheit, die uns zum Nachdenken anregen sollte. Afrikanische Länder werden oft der Korruption beschuldigt, aber man muss zugeben, dass Korruption nicht nur in Afrika auftritt. Oftmals wird das Konzept hinter diesen grossen Deals in westlichen Ländern erarbeitet.

Sie sind es, die letztendlich von den Vorteilen dieser auf Korruption basierenden Vereinbarungen profitieren. Der Fall der Schulden in Mosambik beweist das. Vor kurzem hat die russische Bank VTB, die vom Kreml kontrolliert wird, mit der Aufnahme von Verhandlungen über die Schulden Mosambiks einen Schritt getan. Wir werden sehen, ob die Credit Suisse das Gleiche tun und sich auch so kooperativ zeigen wird.

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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