Mehr ägyptische Gelder in der Schweiz vermutet
Ägypten hat die Schweiz ersucht, nach Vermögenswerten von weiteren Personen aus dem Umfeld von Ex-Präsident Hosni Mubarak zu suchen. Die Summe der bisher auf Schweizer Bankkonten blockierten Gelder von 410 Mio. Franken könnte sich erhöhen.
Vertreter der Schweiz haben diese Woche mit den neuen ägyptischen Behörden darüber verhandelt, wie die Modalitäten zur Rückzahlung von 410 Mio. Franken an den ägyptischen Staat aussehen könnten.
Die knappe halbe Milliarde Franken werden Ex-Präsident Hosni Mubarak und 13 weiteren Personen aus seiner Entourage zugeschrieben.
Inzwischen verlangt Ägypten von der Schweiz formal neue Abklärungen, ob weitere Personen aus dem Land am Nil Vermögenswerte auf Schweizer Banken deponiert hätten, sagt Dominik Furgler, der Schweizer Botschafter in Kairo, im Gespräch mit swissinfo.ch. Falls solche gefunden würden, habe Kairo deren Blockierung beantragt.
Laut Furgler haben die neuen Behörden in Kairo insgesamt 6000 Anklagen gegen Vertreter des früheren Regimes wegen kriminellen Handlungen deponiert. Der öffentliche Druck für die Herstellung von Gerechtigkeit, wozu auch die Rückzahlung der gestohlenen Vermögen gehörten, sei riesig.
swissinfo.ch: Welche Summen von wie vielen Personen sind momentan blockiert? Könnten noch weitere Vermögen gefunden werden?
Dominik Furgler: Bisher haben wir 410 Mio. Franken gefunden, die am 11. Februar blockiert wurden. Das war eine weltweit einzigartige Massnahme, weil wir sie unilateral ergriffen. Die entsprechende Anfrage der Ägypter erfolgte erst danach. Die Vermögen gehörten Ex-Präsident Hosni Mubarak und Angehörigen seiner Entourage.
Ein paar Tage später erweiterte Ägypten die Liste der Personen, deren Vermögen blockiert werden sollen, so dass wir jetzt von 14 Personen sprechen.
Wir können aber nicht sagen, wie gross die Vermögenswerte der einzelnen Personen sind. Die Liste bedeutet auch nicht, dass die aufgeführten Personen tatsächlich Vermögen in der Schweiz besitzen, wobei ich betonen möchte, dass wir von Vermögen sprechen, nicht von Konten.
Die Ägypter haben uns jetzt weitere Begehren um gegenseitige Rechtshilfe betreffend krimineller Machenschaften von weiteren Personen gesandt. Die erste Frage ist, ob wir deren Vermögen blockieren können oder nicht. Erhalten wir die nötigen Informationen, können wir diese Gelder selbstverständlich einfrieren.
swissinfo.ch: Was sind die Hauptschwierigkeiten bei der Rückzahlung von blockierten Geldern?
D.F.: Ich würde eher von Herausforderungen sprechen. Die Ägypter sind gegenwärtig daran nachzuweisen, dass diese Personen die Gelder illegal erworben haben. Dieser Nachweis ist zwingend. Dazu führen sie Untersuchen und Gerichtsprozesse durch. Bereits sind zwei ehemalige Minister verurteilt worden. Wir wissen heute nicht, ob der Nachweis der illegalen Herkunft für alle in der Schweiz liegenden Vermögen gelingt.
Für uns ist ebenfalls wichtig, dass die
Ägypter eine Verbindung zur Schweiz angeben können. Sie müssen Hinweise liefern, wieso sie den Verdacht haben, dass illegal erworbene Vermögen in die Schweiz abgeflossen sind. Es genügt nicht, wenn ein Land kommt und sagt, ‹Dieser Mann ist ein Betrüger›.
swissinfo.ch: Muss ein Gerichtsurteil vorliegen, damit die Schweiz Vermögenswerte als illegal akzeptiert?
D.F.: Damit wir eingefrorene Gelder zurückzahlen können, brauchen wir in rechtmässiges Urteil sowie ein Gesuch um gegenseitige Rechtshilfe. Konkret muss ein ägyptischer Richter den Fall einem Gericht in der Schweiz weiterleiten. Dieses prüft den Fall und ordnet bei der Bank die Blockierung des Kontos an, falls die Voraussetzungen erfüllt sind.
swissinfo.ch: Kann die Schweiz dem Rechtssystem in Ägypten vertrauen, das sich nach dem Ende des Regimes Mubarak in einer Umbruchphase befindet?
D.F.: Wir legen Wert darauf, dass die gesetzlichen Regeln respektiert werden. Beispielsweise müssen Gerichtsverfahren nach minimalen Standards durchgeführt werden. Nach Gesprächen mit hiesigen ägyptischen Behörden kann ich mit Gewissheit sagen, dass sie hochprofessionell arbeiten. Sie versicherten uns, dass Angeklagte vor Gericht immer in Begleitung eines Anwalts erscheinen können. Auch haben sie das Recht auf Rekurs. Das ist sehr positiv, aber ein Gericht in der Schweiz kann erst urteilen, wenn alle nötigen Informationen vorliegen.
swissinfo.ch: Wie lange werden die Schweizer Gerichte für diese Fälle benötigen? Reicht die Frist von drei Jahren aus, mit der Vermögen maximal blockiert werden können?
D.F.: Niemand kann vorhersagen, wie lange das Prozedere dauern wird. Es hängt in erster Linie von der Dauer der Untersuchungen und Gerichtsverfahren in Ägypten ab. Die Dreijahres-Frist kann unter Umständen verlängert werden, aber nicht ewig.
swissinfo.ch: Wie gross ist der Wille der neuen Behörden in Kairo, diese Gelder zurück zu erhalten? Viele hohe Militärs waren ja mit dem alten Regime verbandelt.
D.F.: Bei unseren Gesprächen vor zwei Tagen kam ein starkes Interesse zum Ausdruck, einen Schritt vorwärts zu machen, das Prozedere korrekt abzuwickeln und unsere Anforderungen zu erfüllen. Wir hatten den Eindruck gewonnen, dass die ägyptischen Behördenvertreter sehr professionell arbeiten. Dies nicht zuletzt wegen des grossen Druckes, der seitens der Öffentlichkeit herrscht.
swissinfo.ch: Wie hat sich dieser Druck seit dem Sturz von Mubarak entwickelt? Wie steht die Öffentlichkeit zur Frage der Rückzahlung gestohlener Vermögen, die ins Ausland transferiert sind?
D.F.: Die Dinge sind im Fluss. Die Bevölkerung hat mit grosser Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass mehr und mehr Personen ins Visier der Untersuchungsbehörden geraten.
Gegen fast alle Personen inklusive den Ex-Präsidenten und seine Familie, welche die Menschen vor Gericht sehen wollten, laufen jetzt Ermittlungsverfahren. Insgesamt sind mehr als 6000 Klagen hängig. Jeder und jede kann Klage einreichen und eine Untersuchung verlangen – es ist ein riesiges Unterfangen.
Am 11. Februar blockierte die Schweiz Vermögen von Hosni Mubarak und seinen engsten Vertrauten. Die Summe beläuft sich auf 410 Mio. Franken.
Möglicherweise befinden sich weitere gestohlene Vermögen aus Ägypten auf Schweizer Bankkonten.
Es ist nicht klar, wie viel insgesamt Mubarak und sein Clan beiseite geschafft hatten. In den Protesten, die sein Ende bewirkten, war von bis zu 70 Mrd. Dollar die Rede.
Die Blockierung gilt für drei Jahre. Ist die illegale Herkunft der Gelder bewiesen, müssen die Behörden beider Länder über die Modalitäten der Rückzahlung verhandeln.
Gelingt der Nachweis der illegalen Herkunft nicht, muss die Schweiz die Gelder freigeben.
Diese Woche weilte eine Delegation der Schweizer Regierung in Kairo, um mit dortigen Behörden über die Rückerstattung gestohlener Vermögen zu beraten.
Laut dem Schweizerischen Aussenministerium ging es dabei um die rechtliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern.
(Übertragen aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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