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Meldepflicht für Auslandschweizer bleibt

Rund 700'000 Schweizer leben im Ausland - sie sollen ein neues, eigenes Gesetz erhalten. Keystone

Schweizer, die sich im Ausland niederlassen, müssen sich weiter bei einer offiziellen Schweizer Vertretung melden. Der Ständerat hat diese Woche an dieser Formalität festgehalten, zur Freude der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Das Geschäft kommt im Sommer noch in den Nationalrat.

Schweizer Bürger, die im Ausland leben, aktuell sind es rund 700’000, müssen sich auf einer Botschaft oder einem Konsulat melden. Unterlassen sie dies, bleibt das aber für sie ohne Folgen. Deshalb sei diese Meldepflicht toter Buchstabe, sagte Christine Egerszegi am Montag in der kleinen Kammer in der Debatte und empfahl die Streichung dieser Bestimmung.

Der Streichungsantrag wird von der Regierung unterstützt. Aussenminister Didier Burkhalter sprach von einer «theoretischen Pflicht», weil deren Nichtbeachtung für die Auslandschweizer keinerlei Konsequenzen hätte. Die ASO dagegen hielt vehement an der obligatorischen Meldung fest. Ein neues Gesetz für Auslandschweizer mache ohne die nötigen Mittel zur Feststellung ihres Aufenthaltsortes keinen Sinn, so das Argument.

Filippo Lombardi, «Vater» der neuen Auslandschweizer-Gesetzgebung, führte das Beispiels Österreichs ins Feld, das sich vor einigen Jahren von der Meldepflicht verabschiedet hatte. «Der Präsident der Ausland-Österreicher hat mir erzählt, dass Österreich danach nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Hälfte seiner im Ausland lebenden Bürger ausfindig zu machen.»

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«Streichung wäre Eigentor» 

Der Entscheid der kleinen Kammer fiel hauchdünn aus. Bei Ariane Rustichelli, der Ko-Direktorin der ASO, herrschte darüber grosse Erleichterung. «Die Aufhebung der Meldepflicht wäre ein echtes Eigentor, weil sie gegen den Geist des Gesetzes wäre», sagte sie zu swissinfo.ch. Dennoch: Die Meldepflicht ist noch nicht definitiv im Trockenen, muss doch in der Sommersession noch der Nationalrat (grosse Kammer) darüber befinden.

Das neue Gesetz setze stark auf die Eigenverantwortung, sagte Burkhalter im Ständerat. Das kommt besonders in Artikel 5 zum Ausdruck. Dieser besagt, dass der Staat für den Fall, dass Schweizer Bürger im Ausland in Schwierigkeiten geraten, lediglich Hilfe zur Selbsthilfe leisten könne.

«In erster Linie sind die Bürger für sich und ihre Nächsten verantwortlich. Danach müssen deren Umfeld, der Arbeitgeber, Versicherungen und das Aufenthaltsland für deren Sicherheit sorgen», so der Aussenminister. Die Schweiz interveniere wenn immer möglich nur subsidiär.

Ist die geforderte Eigenverantwortung ein eher moralisch-philosophischer Appell? Oder kann sie tatsächlich ernste Konsequenzen haben für Schweizer, die im Ausland Probleme irgendwelcher Natur haben? Für eine Beurteilung ist es laut Ariane Rustichelli noch zu früh. «Aber die ASO wird diesen Punkt bei der Umsetzung des Gesetzes ganz genau im Auge behalten.» Insbesondere müsse der Bund die Informationen betreffend Risiken im Ausland verbessern, so die ASO-Direktorin.

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Anerkennung und Aufwertung

Für die Organisation ist wichtig, dass das neue Gesetz eine Anerkennung der Schweizer im Ausland bringt. «Es verpflichtet die Regierung zu einer echten Strategie, einer echten Politik der Fünften Schweiz gegenüber», sagt Rustichelli.

Filippo Lombardi erwartet darüber hinaus, dass die neuen Bestimmungen «eine Übersicht über die Rechte und Pflichten» der Schweizer im Ausland bieten.

Ein weiterer Grund zur Zufriedenheit bei der ASO ist die Erprobung von e-Voting, die im neuen Gesetz ausdrücklich enthalten ist. Tests sind in einigen Kantonen im Gang, der Bundesrat beabsichtigt, die Abstimmung per Mausklick mittelfristig für Auslandschweizer generell einzuführen. Für Rustichelli ist die Aufnahme des e-Voting ins neue Gesetz entscheidend. «Dies hat etwas Zwingendes, und es ist für die Auslandschweizer wie eine Versicherung, wird doch die elektronische Stimmabgabe oft in Frage gestellt.»

In den Stimmregistern der Schweiz sind rund
5,15 Millionen stimm- und wahlberechtigte Personen
eingetragen. Rund 150’000 von ihnen leben im Ausland. Diese können wie ihre Landsleute im Inland ebenfalls per Brief abstimmen.

Knapp 170’000 Stimmberechtigte dürfen künftig über das Internet abstimmen,darunter rund 71’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Der Bundesrat hat die Gesuche von zwölf Kantonen für den Einsatz von E-Voting während zwei Jahren bewilligt.

In den meisten Kantonen dürfen allerdings nur Auslandschweizer davon Gebrauch machen. Einzig in den beiden Westschweizer Kantonen Genf und Neuenburg dürfen auch Inlandschweizer via Internet abstimmen.

In den anderen zehn Kantonen – Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Schaffhausen, St. Gallen, Graubünden, Aargau und Thurgau – steht das E-Voting vorläufig nur Auslandschweizern offen.

Keine Lex ASO 

Seit über 100 Jahren nimmt die ASO, eine private Stiftung, die Interessen der Schweizer im Ausland wahr. Also wäre es doch nur logisch, dass die Organisation im neuen Gesetz über die Auslandschweizer namentlich erwähnt wird. Aber die Ständeräte wollten genau das nicht. Sie fasse dies nicht als Desavouierung auf, sagte Ariane Rustichelli, sei doch bekannt, dass Parlament und Verwaltung es nicht sehr mögen würden, eine private Organisation in ein Gesetz aufzunehmen.

Dennoch bedauert sie diesen Entscheid auch etwas. «Eine Erwähnung hätte unsere Stiftung gestärkt. Auch hätte es gewisse Reformen beschleunigt, etwa im Bereich der Wahlen der Vertreter der Fünften Schweiz, wo uns ja oft ein Mangel an Demokratie vorgeworfen wird.»

(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)

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