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Amnesty International kritisiert SVP-Volksinitiativen

Einreichung der so genannten Durchsetzungs-Initiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer bei der Bundeskanzlei 2012. Keystone

Der Schutz der Menschenrechte wird weltweit immer mehr untergraben und angegriffen – auch von Regierungen, wie Amnesty International (AI) festhält. Die Menschenrechts-Organisation kritisiert auch die Schweiz für "grundrechtsfeindliche" Volksinitiativen.

«Nicht nur unsere Rechte sind unter Druck, sondern auch Gesetze und Systeme, welche die Menschenrechte schützen sollten», sagte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty laut einer Mitteilung zur Lancierung des AI-Jahresberichts 2015-2016 am 24. Februar. Viele Regierungen würden bewusst den institutionellen Menschenrechtsschutz untergraben und hätten im vergangenen Jahr internationales Recht gebrochen – so das Fazit des in London vorgestellten Jahresberichts.

Auch die Vereinten Nationen hätten unter diesem menschenrechtsfeindlichen Klima gelitten. Manche Regierungen hätten ein Eingreifen der UNO willentlich vereitelt, etwa wenn es darum ging, Massengräuel zu verhindern oder die Verantwortlichen dafür in Rechenschaft zu ziehen.

So habe der sudanesische Präsident Omar al-Baschir im vergangenen Jahr unbehelligt an einen Gipfel der Afrikanischen Union in Südafrika reisen können, obwohl er mit einem internationalen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gesucht wird. Gleichzeitig würden Menschenrechts-Aktivisten im südlichen Afrika wie Kriminelle behandelt, wird der Amnesty-Verantwortliche für die Region, Deprose Muchena, im Jahresbericht zitiert.

Kritik an Schweizer Volksinitiativen

In 19 Staaten Völkerrecht verletzt

Im vergangenen Jahr sind in mindestens 19 Ländern Kriegsverbrechen oder andere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen worden – und zwar sowohl von Regierungen als auch von bewaffneten Gruppen. Dies geht aus dem Jahresbericht 2015-2016 der Menschenrechts-Organisation Amnesty International hervor.

In mindestens 122 Staaten seien Menschen im vergangenen Jahr gefoltert oder anderswie misshandelt worden, heisst es im Bericht weiter. Insgesamt seien mehr als 60 Millionen Menschen von ihrem Zuhause vertrieben worden.

Mehr als 30 Staaten hätten Flüchtlinge in Länder zurückgeschickt, wo sie an Leib und Leben bedroht waren – damit hätten diese Länder Völkerrecht gebrochen.

Besonders schlimm sei die Lage im vergangenen Jahr in Syrien gewesen. Von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von «wahrhaft epischem Ausmass» spricht AI. Sogar der UNO-Sicherheitsrat schaffe es nicht, die Völkerrechtsverletzungen in Syrien zu stoppen.

Die Europäische Union (EU) ihrerseits sei 2015 nicht in der Lage gewesen, eine Antwort auf die Flüchtlingskrise zu finden, schreibt die Organisation. Europäische Staaten stellten den Schutz der eigenen Grenzen mehr und mehr über die Rechte von Flüchtlingen, schreibt der Europa-Verantwortliche der Organisation, John Dalhuisen.

Aber auch in der Schweiz gebe es Tendenzen zur Diffamierung des Menschenrechts-Schutzes, hält Amnesty fest. Manon Schick, Geschäftsleiterin der Schweizer AI-Sektion, kritisierte namentlich die Selbstbestimmungs-Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP), die Schweizer Recht vor Völkerrecht stellen will.

Die SVP-Initiative ziele darauf ab, internationale Institutionen und Mechanismen zu untergraben unter Berufung auf Sicherheit und «nationale Werte», wird Schick zitiert. Auch wenn über die Selbstbestimmungs-Initiative erst noch abgestimmt werden müsse, so habe die Debatte darüber bereits ein feindliches Klima gegenüber internationalen Menschenrechts-Verträgen geschürt.

Durch die Bezeichnung «fremde Richter» impliziere die SVP in ihrer Initiative, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Institution sei, in der die Schweiz nicht vertreten sei, sagte Amnesty-Schweiz-Sprecherin Nadia Boehlen.

Die Schweiz trage den Gerichtshof aber sehr wohl mit und habe diesen sogar mitgegründet. Es gehe AI im Übrigen nicht darum, von welcher Partei die Volksinitiativen kämen, sondern um deren «schädlichen» Inhalt, betonte Boehlen. Ähnliche Vorwürfe an die Schweiz hatte AI bereits letztes Jahr erhoben.

Amnesty zeigte sich auch besorgt über das im September erlassene neue Nachrichtendienst-Gesetz – dieses tangiere das Recht auf Privatsphäre. Die Organisation kritisierte überdies zum wiederholten Mal eine «übertriebene Anwendung von Zwangsmassnahmen» bei Ausschaffungen sowie ein fehlendes Verbot der Folter in der Schweizer Bundesverfassung.

Verschärfte Sicherheitslage

Einen Grund für den schwierigen Stand der Menschenrechte weltweit sieht Amnesty in der sich verschärfenden Sicherheitslage. Regierungen würden den Schutz der Menschenrechte diffamieren, weil sie diesen als Bedrohung für Ruhe und Ordnung im Land empfänden.

Beispiele dafür seien Ägypten und Saudi-Arabien, wird der Nahost- und Nordafrika-Verantwortliche, Philip Luther, zitiert. In diesen beiden Ländern seien Anti-Terror-Gesetze angewendet worden, um willkürlich Dissidenten zu verhaften und ins Gefängnis zu werfen.

«Die Zerschlagung von Zivilgesellschaft und die Einschränkung von Redefreiheit sind völlig verfehlte Reaktionen auf zunehmende Sicherheitsrisiken», sagte AI-Generalsekretär Shetty.

Die Rolle der UNO müsse angesichts dieser Lage dringend wieder gestärkt werden, fordert die Organisation. Dies gelte es auch bei der noch dieses Jahr anstehenden Wahl des neuen UNO-Generalsekretärs zu beachten.

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