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Rohingya-Krise: Sondersitzung in Genf?

Foreign ministers and top officials from 51 states took part in the ASEM meeting in Myanmar.
Die Aussenminister der 51 Staaten (darunter der Schweiz) am 13. Asien-Europa-Treffen in Naypyitaw, Myanmar, vom 20. und 21. November 2017. Keystone

Der Menschenrechtsrat verhandelt in Genf die Durchführung einer ausserordentlichen Sitzung. Der Grund dafür ist die Gewalt an der muslimischen Minderheit der Rohingya in Burma. Während Länder wie die Schweiz zum wiederholten Mal eine Untersuchung der Vorfälle fordern, kündigt China einen Lösungsplan für den Konflikt an, der von den Behörden Burmas und Bangladeschs unterstützt wird. Eine Initiative, welche die Menschenrechtsverletzungen unter den Tisch zu wischen droht.

Es ist noch nicht offiziell, aber mehrere diplomatische Kreise bestätigen übereinstimmend die Ankündigung einer dringlichen Sitzung des Menschenrechtsrats (MMR) zur Rohingya-Krise in den Tagen um den 5. Dezember. Bisher wurde allerdings noch kein formelles Gesuch eingereicht.

Die Frage, die derzeit von den 47 Mitgliedsstaaten des MRR verhandelt wird, betrifft den Inhalt einer solchen dringlichen Sitzung, obwohl das Problem seit Jahren auf dem Tisch liegt.

Die Durchführung einer Sondersitzung, die am Montag von 35 NGO gefordert wurde, wäre angesichts der Gewaltanwendung der Regierung mit einem neuen Höhepunkt diesen Sommer im Staat Rakhine, das Mindeste, was zu tun ist. Aber geht es nur darum, an diese Krise zu erinnern, die zur Flucht von rund 600’000 Rohingya nach Bangladesch geführt hat? Oder muss man mehr Härte zeigen, in dem man eine eigentliche Untersuchungskommission für die begangenen Verbrechen und die Verantwortlichen einsetzt?

Schweizer Engagement

Die Schweiz unterstützt Forderungen nach Gerechtigkeit. An einem Treffen der Aussenminister im Rahmen des «Dialogs Asien-Europa» zu Beginn der Woche hatte Pascale Baeriswyl, die Staatssekretärin für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die Unterstützung der Schweiz für die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission versprochen, die von Kofi Annan (Advisory Commission on Rakhine State) geleitet wird, sowie der Arbeit der Fact-Finding-Misssion der UNO, bestätigt das EDA gegenüber swissinfo.ch.

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Der Menschenrechtsrat der UNO hatte diese Mission im letzten April ins Leben gerufen. Aber ihr Mandat ist in Bezug auf die Verantwortlichkeit der begangenen Verbrechen begrenzt, unterstreicht die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die Mission, die ihren Schlussbericht im letzten Oktober vorgelegt hat, konnte sich nicht nach Burma begeben. Die Informationen beschaffte sie sich ausschliesslich im benachbarten Bangladesch in den Lagern der geflüchteten Rohingyas. Pascale Baeriswyl ermahnte deshalb Myanmar, den Zugang der Mission Annans in die betroffene Region zu erlauben.

Wird die Sondersitzung, die der MRR durchführen soll, eine echte Untersuchungskommission fordern? Um dies zu erfahren, wird man die formelle Ankündigung der Dringlichkeitssitzung und den Resolutionsentwurf, der dort verabschiedet werden soll, abwarten müssen.

Der Schatten Chinas

Aber die UNO-Versammlung droht angesichts der Zusammensetzung des MRR, in dem die Mehrheit der 47 Mitgliedstaaten keine glaubwürdigen Verfechter einer echten Stärkung des Menschenrechtsschutzes sind, eine reine Alibi-Übung zu werden.

Und die aktuelle geopolitische Lage dürfte deren Position noch stärken. China, das der involvierten internationalen Justiz, insbesondere dem internationalen Strafgerichtshof, feindlich gegenübersteht, versucht nun die Rohingya-Krise zu lösen. Das Land bekräftigt damit die Absicht, seiner Stellung auf dem internationalen Parkett, insbesondere in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, mehr Gewicht zu verleihen. Den westlichen Initiativen des UNO-Sicherheitsrats, die Myanmar betrafen, hatte sich das Reich der Mitte entgegengestellt.

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«Ein Apartheid-Regime»

Die Rohingya von Burma sind laut Amnesty International Opfer einer «Apartheid. Sie lebten wie in einem Gefängnis unter freiem Himmel. Die Menschenrechtsorganisation hat Untersuchungen über die Ursachen der Gewalt durchgeführt, die seit Ende August zur Flucht von 600’000 Muslimen nach Bangladesch führte.

Die Untersuchungen zeigen, dass «die Behörden das Leben der Rohingya in praktisch allen Belangen einschränken und diese zu einem Leben im Ghetto zwingen», schreibt die NGO in ihrem Bericht.

«Sie müssen kämpfen, um Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen zu bekommen, in einigen Regionen sogar, um ihre Dörfer verlassen zu können. Die aktuelle Situation entspricht in allen Kriterien der juristischen Definition von Apartheids-Verbrechen», unterstreicht Amnesty.

Die Rohingya sind die grösste staatenlose Bevölkerungsgruppe der Welt, seitdem ihr die burmesische Nationalität 1982 unter dem Militärregime entzogen wurde.

Seit 2012 haben Kinder der Rohingya in weiten Teilen des Landes kein Recht mehr auf Bildung in den staatlichen Schulen. Und die offiziellen Lehrkräfte weigern sich oft, sich in muslimische Regionen zu begeben. 

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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