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Die Schweiz – Meister und Lehrling in der Asylpolitik

"Wir sagen nur, dass das Dublin-Verfahren zurzeit nicht funktioniert. Dies, weil so viele Flüchtlinge an den Aussengrenzen angekommen": Angela Merkel. Keystone

Lob für die Schweizer Asylpolitik, ein Appell für eine bereitwillige und grossherzige Aufnahme von Flüchtlingen, aber keine konkreten Zusagen zum angeschlagenen Verhältnis Schweiz-EU: Der Besuch Merkels habe zur Entkrampfung beigetragen und die Schweiz an ihre humane Verantwortung erinnert, schreibt die Presse und lobt ihr Engagement in der Flüchtlingskrise.

Die Kanzlerin habe sich in Bern über den Asylprozess in der Schweiz informieren wollen, aber «in Tat und Wahrheit war sie es, die den Schweizern eine Lektion in Mut, Pragmatismus und politischem Willen erteilte», kommentiert der Westschweizer Le Temps und kritisiert die in administrativen Fragen teilweise «krämerische Schweizer Asylpolitik».

Sicher gäbe es auch Punkte, die Deutschland als Vorbild dienen könnten, etwa die beschleunigten Verfahren und die solidarisch auf das Land verteilten Asylzentren, so Le Temps. Doch » für den Rest können die Verantwortlichen in der Schweiz nur von der Kanzlerin lernen. Zuerst von ihrem Mut. Vor den Ruinen der abgebrannten Asylzentren hat sie die Werte der deutschen Gesellschaft in Erinnerung gerufen und den Rassenhass verurteilt. Sie hat es verstanden, den deutschen Humanismus wieder zu erwecken. Solche Worte hört man in der Schweiz kaum».

Dublin ausser Kraft

Merkel fürchte sich auch nicht davor, «mit ihrem europäischen Flüchtlingsplan ihre Nachbarn im Osten zu provozieren». Zusammen mit Frankreich dränge Deutschland Europa dazu zu reagieren.

Kurz vor dem Besuch Merkels in der Schweiz hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban eine Breitseite abgefeuert und gesagt, das Flüchtlingsproblem sei kein europäisches, sondern «ein deutsches Problem». An ihrer Medienkonferenz in Bern entgegnete Merkel, Deutschland tue das, «was rechtlich und moralisch geboten ist, nicht weniger und nicht mehr».

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Der Blick erinnert daran, dass Deutschland «auf die Rückschaffung von syrischen Flüchtlingen in andere Dublin-Staaten» verzichte. «Die Schweizer Politik kann sich hier ein Beispiel nehmen», schreibt das Blatt und wünscht sich mit Blick auf den Schweizer Wahlkampf «statt Asylchaos-Gerede Vorschläge, wie wir unbürokratisch mehr Flüchtlinge aufnehmen können».

«Mutti» eben

Ein «Grossereignis» sei der Besuch gewesen, schreibt die Südostschweiz: «Gestern, am Tag des Events, wurde hier und dort live getickert, als wäre ein Finalspiel an der Fussball-Weltmeisterschaft im Gang. Merkel gelandet, Merkel und Sommaruga begrüssen sich, Merkel auf dem Münsterplatz, Merkel an der Uni Bern. Die Klickraten auf den Onlineportalen waren phänomenal.»

Die Merkel-Begeisterung sei nicht nur auf das vertraute und gewichtige Nachbarland zurückzuführen, sondern auch «auf das aussergewöhnliche Naturell dieser Frau. Wie sie die Griechenland-Krise gemanagt hat, gefiel vielen bürgerlichen Schweizern. Wie sie nun ein Herz für Flüchtlinge zeigt, lässt die Linke frohlocken. Ihre Ruhe und Gelassenheit machen parteiübergreifend Eindruck, ihre Authentizität weckt Vertrauen. ‹Mutti›, eben».

Sie habe sich «alle Mühe» gegeben, «das Nachbarland zu loben und für die Gastfreundschaft zu danken. Wohlfühlen mit Angela Merkel. Dass sie der Schweiz keine konkrete Schützenhilfe im Ringen um eine Begrenzung der Zuwanderung versprach, soll hier nur noch am Schluss erwähnt werden», so die Südostschweiz.

Willkommenskultur anstelle von Bürokratie

Die meisten Kommentatoren stellen fest, dass die Flüchtlingskrise gestern dominierte und das andere Thema, nämlich das ungeklärte Verhältnis der Schweiz zur EU (Personenfreizügigkeit, institutionelle Fragen) in den Hintergrund gedrängt wurde.

Die Neue Zürcher Zeitung erklärt das mit den «mathematischen Unterschieden», den Dimensionen und stellt fest: «Flüchtlinge eingerechnet, wird die Einwanderung proportional zur Bevölkerung 2015 in der Bundesrepublik höher ausfallen als in der Schweiz, und dies bei einer markant höheren Arbeitslosigkeit.»

Das seien «schlechte Voraussetzungen, um die Nachbarn davon zu überzeugen, die Schweiz habe ein besonderes Problem mit der Zuwanderung». Die Migrationsdebatte werde zudem in Deutschland anders geführt: «Statt über Möglichkeiten und Methoden zu diskutieren, wie die Zuwanderung gebremst werden könnte, ruft die Bundesregierung eine ‹Willkommenskultur› aus.»

Konfuse Debatte

Deutschland – so die NZZ – werde sich «nicht dafür einsetzen, dass die Schweiz Kontingente für EU-Bürger einführen oder neue bilaterale Verträge ohne laufende Anpassung an das EU-Recht abschliessen kann. Etwas anderes zu erwarten, wäre naiv und aussenpolitisch nicht zielführend».

Deutschland könne allenfalls «etwas nachhelfen», wenn die Schweiz zur EU eine Brücke baute und die «Substanz und die Grundregeln des Binnenmarkts nicht angetastet werden». Doch der Bundesrat habe «bisher zumindest öffentlich noch nie einen Vorschlag gemacht. Und die Debatte in der Schweiz über Schutzklauseln ist so konfus, dass ausländischen Diplomaten der Kopf rauchen muss beim Rapportieren an ihre Hauptstädte».

Dennoch habe sich das Klima seit den Zeiten, «da der frühere Finanzminister Peer Steinbrück die Kavallerie in die Schweiz zu schicken drohte und der hiesige Boulevard mit gleichem Kaliber zurückschoss» verbessert. «Merkel hat mit ihrem unpolemischen Auftritt in der Bundesstadt hoffentlich einen Schlussstrich unter diese Zeit gezogen. Ein entkrampftes Verhältnis ist keine Garantie, aber zumindest eine gute Grundlage, um bei der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative eine Lösung anzupeilen.»

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