So haben wir die Parlamentsarbeit ausgewertet
Anlässlich der anstehenden Parlamentswahlen wollten wir wissen: Wie stellte sich das Parlament in der ablaufenden Legislatur zu den Anliegen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer? Hier zeigen wir auf, wie wir dabei vorgegangen sind.
Welche Themen waren für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer relevant? Auf diese Frage hin hat SWI swissinfo.ch in Zusammenarbeit mit SmartvoteExterner Link zunächst sämtliche Nationalrats-Geschäfte dieser Legislatur bis und mit Sommersession 2019 durchgesehen.
Wie haben wir die Parlamentsgeschäfte ausgewählt?
Wir haben Entscheide gesucht, welche die im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer tangieren. Dabei stützten wir uns bei 14 der 16 untersuchten Abstimmungen auf die Agenda der Auslandschweizer-Organisation ASOExterner Link ab. Die ASO ist die politische Lobby der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Inland. Natürlich liegt nicht alles, wofür sich die ASO einsetzt, im Interesse jedes und jeder einzelnen Stimmberechtigten mit Wohnsitz im Ausland. In der Schweiz besteht aber ein breiter Konsens darüber, dass die Organisation die Stimme der in den Auslandschweizer-Vereinen organisierten Auswanderer und Auswanderinnen ist.
Welche Parlamentsgeschäfte haben wir ausgewählt?
Wir haben fünf Themenkomplexe ausgewählt, die wir für relevant und wichtig für die Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen halten:
1. Zugang zu einem Schweizer Bankkonto zu nicht diskriminierenden Konditionen.
2. Einführung von E-Voting.
3. Volksinitiativen, bei denen sich die ASO deutlich positioniert hat.
4. Medienangebot für das Ausland
5. Übrige. Darunter haben wir folgende Themen zusammengefasst: Daten über die Fünfte Schweiz, Doppelbürgerrecht und Ergänzungsleistungen für Rückkehrer.
Wir haben dann alle relevanten zugehörigen Parlamentsgeschäfte der Legislatur 2015-2019 ausgewählt. Die Liste umfasste am Ende 16 Parlamentsgeschäfte.
Wie sind wir vorgegangen bei der Analyse?
Nach Auswahl der 16 Geschäfte hat Smartvote für swissinfo.ch einen Datensatz mit den Abstimmungen zusammengestellt. Für alle Geschäfte wurde sowohl erhoben, wie das gesamte Parlament und wie die einzelnen Parlamentarier abgestimmt haben, als auch, welche Position die ASO vertrat. So konnte swissinfo.ch analysieren, wie hoch die Übereinstimmung von Parteien und Parlamentariern mit der ASO-Position ist. Wir haben diese für alle Geschäfte einzeln errechnet und nach Kategorie aufgeschlüsselt. Das Vorgehen, die analysierten Daten als auch den Analyse-Code können Sie hier auf Github einsehen.Externer Link
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«Der Präsident der ASO verfolgt eine sozialistische Agenda»
Warum nur der Nationalrat?
Wir haben nur die Entscheide im Nationalrat berücksichtigt. Nicht berücksichtigen konnten wir alles, was in der kleinen Kammer des Parlaments, im Ständerat, entschieden wurde. In der Kammer der Kantone sind die Abstimmungen geheim. Publik werden nur die Resultate. Wer wie gestimmt hat, kann darum nicht ausgewertet werden. Dasselbe gilt übrigens für die Kommissions-Entscheide der grossen wie der kleinen Kammer. Auch diese konnten wir nicht berücksichtigen.
Wie vergewissern wir uns, dass wir alle relevanten Geschäfte berücksichtigt haben?
SWI swissinfo.ch ist dank vieler Rückmeldungen aus unserer Leserschaft – insbesondere auf Social Media – gut darüber informiert, was die Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland leben, beschäftigt. Trotzdem haben wir die grossen fünf Schweizer Parteien SVP, SP, FDP, CVP und die Grünen gebetem, uns mitzuteilen, welche konkreten drei Geschäfte aus ihrer Sicht die höchste Relevanz in Bezug auf die Fünfte Schweiz hätten. Einzige Einschränkung: Es musste in der laufenden Legislatur eine Abstimmung im Nationalrat darüber stattgefunden haben.
Was haben die Parteien geantwortet? Wie nahmen wir dies auf?
Alle fünf grossen Parteien haben auf unsere Anfrage umfassend geantwortet. Teils empfahlen sie konkret, was aus ihrer Sicht zu analysieren wäre. Teils verwiesen sie aber auch generell auf ihre Agenda. Wir haben die Inputs der Parteien abgewogen und berücksichtigt.
SVP:
Die SVP InternationalExterner Link verwies auf das Engagement ihres ASO-Ratsmitglieds John McGough in Sachen Bankzugang für die Fünfte Schweiz: Dieser plant eine Diskriminierungsklage gegen die Postfinance. Diese Initiative hat aber nichts mit dem Bundesparlament in Bern zu tun.
Erwähnt hat die Partei auch eine Ersatzlösung für das E-Votingexterner LinkExterner Link, welche in der Sommersession im Nationalrat zur Abstimmung kam. Sie findet in unserer Auswertung Niederschlag. Diese Abstimmung erfolgte, nachdem absehbar wurde, dass sich E-Voting in naher Zukunft kaum auf breiter Ebene durchsetzen würde. In diesem Rückzugsgefecht stellte sich auch die ASO, eigentlich Vorkämpferin für die kompromisslose, breite Einführung des E-Votings, hinter die Motion.
SP:
Die Sozialdemokratische ParteiExterner Link empfahl an erster Stelle die Abstimmung über das Budget für swissinf.chExterner Link zur Analyse. «Sehr wichtig war auch die Abwendung der drohenden Kürzung von Ergänzungsleistungen für Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen», sagt Peter Hug; er ist bei der SP für die Fünfte Schweiz zuständig.
Ein anderer Vorschlag konnte nicht in der swissinfo.ch-Auswertung berücksichtigt werden: Es ging um die Politische Repräsentanz der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Dazu hatte das Parlament in der letzten Legislatur einen BerichtExterner Link eingefordert. Eine Diskussion darüber fand aber nicht statt, weil die Kommission das Geschäft abgeschrieben hatte.
FDP:
Die FDP InternationalExterner Link nannte als wichtigste Bereiche für die Auslandschweizer:
Die Beziehungen zu Europa – weil 500’000 in der EU lebende Schweizer von den Verträgen mit der EU abhängen, insbesondere dem Freizügigkeitsabkommen.
Das E-Voting – weil es das Stimmrecht für viele Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen faktisch erst möglich macht.
Ein Schweizer Bankkonto – weil es bei aller Schwierigkeit ein Thema ist, das den Auslandschweizern und Auslandschweizerinnen sehr wichtig ist.
Die drei Themen fanden in der Auswertung Niederschlag.
CVP:
Die Partei empfahl vier Geschäfte zur Analyse. Es ging um E-VotingExterner Link, das Budget für SwissinfoExterner Link, Bankkonti für AuslandschweizerExterner Link und die Schweizer SchulenExterner Link.
Drei der Geschäfte hatte ASO-Vizepräsident Filippo Lombardi im Ständerat eingebracht. Nur eines davon fand den Weg in den Nationalrat. Dieses haben wir ausgewertet. Die Interpellation betreffend der Schweizer Schulen kam ebenfalls nicht über den Ständerat hinaus und entging somit der Auswertung.
Die Grünen:
Die Grünen legten am meisten Gewicht auf die Umsetzung der MasseneinwanderungsinitiativeExterner Link. Hier hätten sie sich wohl im Interesse der Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen eingesetzt. An zweiter Stelle nannte die Partei den Zugang zu PostfinanceExterner Link, an dritter die No Billag InitiativeExterner Link. Diese drei Vorschläge wurden in der Analyse berücksichtigt.
Nicht berücksichtigen konnten wir weitere Vorschläge aus der politischen Agenda der Partei: So etwa der «Ausbau internationaler Bahnverbindungen in Europa (Nachtzüge)», hierüber wurde im Rat nicht entschieden.
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