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Steht ein weiterer heisser Asyl-Sommer bevor?

Im vergangenen Jahr haben fast 40'000 Personen in der Schweiz Asyl beantragt. Keystone

Die Migrationswelle aus Nordafrika Richtung Italien hat seit Mai erneut massiv zugenommen und dürfte in diesem Jahr einen weiteren Rekord erreichen. In der Schweiz, wo eben die x-te Asylgesetzreform verabschiedet wurde, kommen die politischen Parteien einmal mehr mit Vorschlägen zur Bewältigung der Migrationskrise, da erneut tausende Menschen aus dem Süden erwartet werden. Auch die Option einer Grenzschliessung taucht wieder auf.

Da verschiedene Länder Zäune errichtet haben, um die Balkanroute zu blockieren, rechnet man dieses Jahr mit einem starken Zuwachs des Migrationsflusses übers Mittelmeer. Seit Januar sind bereits rund 50’000 Migranten an der italienischen Küste angekommen, und die Reisen der Hoffnung, oder der Verzweiflung, werden erfahrungsgemäss in den Sommermonaten zunehmen. Die Behörden in Rom gehen davon aus, dass 2016 der Rekordwert von 200’000 Neuankömmlingen (2015: 153’000) erreicht werden dürfte.

Dublin-Abkommen

Mit dem Dublin-Abkommen, das von 32 Staaten, darunter der Schweiz, unterzeichnet wurde, soll das Asylwesen in Europa teilweise harmonisiert werden. So soll verhindert werden, dass in mehreren Mitgliedländern ein Asylgesuch gestellt werden kann.

Gemäss Abkommen liegt die Kompetenz des Asylverfahrens beim Erststaat, in welchem der Gesuchsteller seinen Asylantrag gestellt hat oder in dem er eingereist ist, als er die Dublin-Aussengrenze überquerte. Diese Klausel benachteiligt ganz klar Länder mit exponierten Grenzen, wie etwa Italien und Griechenland.

Jeder Erststaat ist verpflichtet, die Daten der Asylsuchenden in der Eurodac-Datenbank zu erfassen, darunter auch die Fingerabdrücke. Wenn sich ein Asylsuchender danach in ein anderes Dublinland begibt, kann er quasi «automatisch» ins zuständige Land zurückgeschickt werden.

Fehlt die Registrierung, dann wird das Verifizierungsverfahren äusserst kompliziert. Die anderen Länder müssen dann beweisen, in welchem Erststaat der Asylgesuchsteller eingereist ist.

2015 hat die Schweiz 17’377 Rücknahmegesuche für Asylsuchende an andere Dublin-Staaten deponiert. In 8782 Fällen akzeptierten die aufgeforderten Länder die Gesuche. Die Schweizer Behörden ihrerseits akzeptierten 1205 der 3072 an sie gerichteten Gesuche von anderen Ländern.

Dieser Migrationsstrom betrifft zwangsläufig auch die Südschweiz, wo bereits in den letzten Wochen eine spürbare Zunahme der Asylgesuche registriert wurde. Am 5. Juni hatte das Schweizer Stimmvolk einer Revision des Asylgesetzes zugestimmt, das im Prinzip eine Beschleunigung der Asylverfahren zum Ziel hat. Die Änderungen treten allerdings erst 2019 vollumfänglich in Kraft und sind nicht per se dazu bestimmt, den Migrationsdruck zu lindern. Im Kanton Tessin hat Norman Gobbi, Minister der Lega dei Ticinesi, daraufhin seine Forderung nach einer Schliessung der Grenzen für die Migranten lanciert, angesichts einer Situation, die seiner Meinung nach bereits jetzt unhaltbar sei.

Systematische Kontrollen

Diesen Vorschlag hatte im vergangen Jahr bereits die Schweizerische Volkspartei (SVP) vorgebracht, die den Migrationszustrom mit systematischen Grenzkontrollen, das heisst mit Einsatz der Armee, bekämpfen will. «All jene, die aus Unterzeichnerstaaten des Dublin-Abkommens herkommen, sollten nicht in die Schweiz einreisen dürfen. Und das trifft auf fast alle Fälle zu. Nur per Flugzeug oder Fallschirm kann man den Fuss auf Schweizer Boden setzen, ohne einen Dublin-Mitgliedstaat zu durchqueren», betont Nationalrat Andreas Glarner, verantwortlich für die Asylpolitik der SVP.

Der Einsatz der Armee, bislang nur von der Rechten unterstützt, wurde kürzlich auch von Gerhard Pfister, dem neuen Präsidenten der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), angedeutet. «Der starke Anstieg der Zahl an Migranten wird sich diesen Sommer früher oder später auch auf die Schweiz auswirken. Wir müssen also die Kontrollen an der Grenze verstärken, vor allem jene im Süden, und die Zusammenarbeit mit Italien verbessern», erklärt Pfister.

Seiner Meinung nach muss sich «die Schweizer Regierung vor allem dafür einsetzen, die italienischen Behörden dazu zu drängen, das Dublin-Abkommen zu respektieren, will heissen, die Asylsuchenden zu registrieren und jene zurückzunehmen, die dann in die Schweiz kommen. Italien muss aber auch mehr Unterstützung von den anderen europäischen Ländern erhalten, damit es seine EU-Aussengrenze besser schützen kann.»

Keine Lösung

Die hermetische Abriegelung der Grenzen wurde bislang von einer deutlichen Mehrheit des Schweizer Parlaments wiederholt zurückgewiesen. 2015 stieg die Zahl der Asylgesuche zwar auf 39’000, aber die Schweiz war von der grossen Welle von Flüchtlingen vor allem aus Syrien weit weniger betroffen als andere europäische Staaten. Für die Freisinnigen (FDP.Die Liberalen) und die Sozialdemokratische Partei (SP) ist diese Option noch immer nicht anwendbar.

«Bis zu einem gewissen Grad kann man die Kontrollen verschärfen, aber es ist unmöglich, die Schweizer Aussengrenze von über 1800 km systematisch zu überwachen. Man darf auch nicht vergessen, dass systematische Kontrollen den Handel und den Arbeitsmarkt zwischen der Schweiz und den Nachbarn blockieren würden. Jeden Tag überqueren tausende Personen die Grenze», bekräftigt SP-Nationalrätin Cesla Amarelle.

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Ein Einsatz der Armee würde wenig bringen, meinte jüngst auch FDP-Ständerat Philipp Müller. Denn nur eine kleine Minderheit der Asylsuchenden gelange über die «grüne Grenze» in die Schweiz. Tatsächlich reisen die meisten Migranten ganz einfach per Eisenbahn an. Und die Schweiz muss als Rechtsstaat jedes Asylgesuch prüfen, das eine Person auf ihrem Territorium einreicht.

Drastische Massnahmen oder Verständnis

Gemäss Dublin-Abkommen können Asylsuchende nur «automatisch» in einen Mitgliedstaat zurückgeschickt werden, wenn sie in der Eurodac-Datenbank registriert sind. Seit einigen Jahren registrieren die italienischen Behörden nur eine Minderheit der Einwanderer, weil sie bei der Bewältigung der Migrationskrise von Seiten anderer europäischer Länder kaum Unterstützung erhalten. Eine Politik, welche für die SVP inakzeptabel ist.

«Die Schweiz muss den Mut haben, eines Tages ihre Grenze zu Italien hundertprozentig zu schliessen und damit Zehntausende Grenzgänger daran zu hindern, in unser Land zu reisen, um zu arbeiten. Das Chaos können wir uns ausmalen. Nach wenigen Tagen wäre Italien gezwungen, seine Asylpraxis zu ändern», erklärt Andreas Glarner.

Eine Option, die Cesla Amarelle kategorisch zurückweist. «Italien befindet sich bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise in Europa seit Jahren an vorderster Front und hat lange Zeit mitgespielt. In letzter Zeit war es bei der Registrierung der Migranten weniger beflissen. Ich glaube, wir müssen angesichts der Probleme ein gewisses Verständnis aufbringen für Länder wie Italien, die von Asylgesuchen überschwemmt werden.»

Eine Sichtweise, die von rund 10’000 Personen geteilt wird, die einen Appell an die Schweizer Behörden zur Aufnahme von 50’000 Flüchtlingen in diesem Jahr unterzeichnet haben. Gemäss den Unterzeichnern des Appels müsste die Schweiz jenen Ländern helfen, die von der humanitären Flüchtlingskrise stark betroffen sind, in einem Europa, wo immer mehr Mauern errichtet werden.

Kontaktieren Sie den Autor dieses Artikels auf Twitter: @ArmandoMombelliExterner Link

Soll die Schweiz dem Beispiel anderer Länder folgen und ihre Grenzen für Migranten schliessen?

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(Übertragung aus dem Italienischen: Gaby Ochsenbein)

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