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«Ein Brückeneinsturz ist in der Schweiz unmöglich»

Ungläubig und schockiert schaut die Welt nach Genua: Da stürzt mitten in der Stadt eine stark befahrene Brücke ein, zahlreiche Menschen sterben oder werden verletzt. Könnte das auch in der Schweiz passieren?

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Auch in der Schweiz gibt es viele Autobahnbrücken. Das Bundesamt für Strassen (AstraExterner Link) kontrolliert rund 1500 Brücken, dazu 1600 Überführungen und über 2000 Unterführungen. Astra-Sprecher Thomas Rohrbach erklärt, wie man in der Schweiz verhindern will, dass Autobahnbrücken einstürzen.

Bis zu einem Drittel des Budgets für Brückenunterhalt

Laut Astra-Sprecher Rohrbach fliessen pro Jahr zwischen 200 und 400 Millionen Franken in den Brückenunterhalt, wie er gegenüber der Tageszeitung «Blick» sagte. Das ganze Strassenbudget beläuft sich auf rund 1,3 Milliarden Franken pro Jahr.

SRF News: Könnte auch in der Schweiz eine Autobahnbrücke einstürzen?

Thomas Rohrbach: Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Autobahnbrücken jederzeit sicher betrieben werden können. Das heisst, dass ein Brücken-Einsturz schlicht unmöglich ist, selbst dann, wenn die Bedingungen ein bisschen abnormal sind.

SRF News: Warum ist das in der Schweiz nicht möglich?

T.R.: Unsere Autobahnbrücken werden laufend untersucht. Die Mitarbeitenden der Autobahn-Werkhöfe sind täglich auf dem Nationalstrassennetz unterwegs, nehmen Sichtkontrollen vor und rapportieren allfällige Schäden sofort. Jede Brücke wird alle fünf Jahre gründlich inspiziert. Und bei Unfällen oder Bränden in der Nähe einer Brücke wird die Brücke untersucht.

«Mit der Untersuchung von Brücken ist man nie fertig.» Thomas Rohrbach, Astra

SRF News: Wie kontrolliert man über 5000 Objekte, damit man stets «à jour» ist?

T.R.: Das ist eine Frage der Planung. Wir wissen, wann wir welche Brücke untersucht haben. Die grossen Inspektionen alle fünf Jahre werden festgehalten. Nötige Arbeiten werden nicht nur vom Astra ausgeführt, sondern auch von spezialisierten Ingenieurfirmen, die sich täglich mit Brücken beschäftigen. Das ist eine immerwährende Aufgabe. Mit der Untersuchung von Brücken ist man nie fertig.

SRF News: Setzen Sie auch Drohnen ein, um Brücken und Überführungen zu überwachen?

T.R.: Die höchsten Brücken stehen in der Leventina, teils mit über 110 Meter hohen Pfeilern. Um eine Sichtkontrolle vorzunehmen, ist es in einem ersten Schritt sinnvoll, wenn man die Brückenpfeiler mit einer Drohne abfliegt, damit man nach dem Video-Studium weiss, wo allenfalls noch eingehender kontrolliert werden muss.

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SRF News: Was kann dazu führen, dass eine Autobahnbrücke instabil wird?

T.R.: Wenn man den Job richtig macht, können nur äussere Einflüsse die Ursache für katastrophale Ereignisse sein, zum Beispiel Erdbeben. Die Schweizer Nationalstrassen erfüllen relativ hohe Anforderungen an die Erdbebensicherheit. Überschwemmungen, Erdrutsche, Steinschläge oder Grossbrände können ebenfalls Schäden anrichten. Aber der eigentliche Verkehrsbetrieb wird in der Schweiz nicht dazu führen, dass eine Brücke einfach so in sich zusammenstürzt.

Offenbar keine Schweizer Opfer

Über allfällige Schweizer Opfer lagen dem Schweizer Aussendepartement (EDA) am Dienstagnachmittag keine Informationen vor, wie dieses auf Anfrage der Agentur Keystone-SDA mitteilte.

SRF News: Die Brücke in Genua stammt aus den 1960er-Jahren. Auch in der Schweiz gibt es Brücken in diesem Alter. Ist das Alter ein Risiko?

T.R.: Eine Brücke kann 75 bis 90 Jahre betrieben werden, allenfalls auch länger. Das Alter alleine ist noch kein Indikator. Die meisten Nationalstrassenbrücken sind 30 bis 40 Jahre alt, wenn nicht sogar noch älter. Alle sind in einem Zustand, der nicht besorgniserregend ist. Wenn man eine Brücke gut unterhält, dann kann sie sehr, sehr lange ihren Dienst tun.

«Weltweit passiert dies ein paarmal pro Jahr»

Auch Thomas VogelExterner Link sagt in einem Interview mit der Zeitung «Tages-Anzeiger», dass ein Einsturz wie in Genua in der Schweiz schwer vorstellbar sei: «Das würde man bei den Überprüfungen wohl rechtzeitig merken. Zudem versuchen wir bei uns, die Brücken so zu bauen, dass es zuerst deutliche Risse oder Durchbiegungen gibt, bevor wirklich etwas einstürzt», so der Ingenieur und ETH-Professor für Baustatik und Konstruktion.

Vogel sagt zudem, dass es weltweit ein paar Mal pro Jahr zu solch katastrophalen Brückeneinstürzen komme. «Wir erfahren lange nicht alles.» Passiere ein solches Unglück bei uns in der Nähe, beunruhige uns das mehr. «Wenn das irgendwo in Südamerika passiert, finden wir schnell eine Ausrede, warum so etwas bei uns nicht geschehen kann. Bei Italien wird das etwas schwieriger.»

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