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Nationalrat gegen Schliessung der Botschaft

Aussenminister Didier Burkhalter begründet vor dem Nationalrat die Sparpläne des Bundesrats bei den Aussenvertretungen - erfolglos. Keystone

Die Schweizer Botschaft in Guatemala und das Generalkonsulat in Chicago sollen nicht geschlossen werden. Dies fordert der Nationalrat. Er hat Vorstössen seiner Aussenpolitischen Kommission am Dienstag deutlich zugestimmt.

Die geplante Schliessung der Vertretungen gehört zu den Sparmassnahmen, die der Bundesrat auf Geheiss des Parlaments vorgelegt hat. Bis 2014 müssten im Aussennetz rund 20 Millionen Franken gespart werden.

2012 gab das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für das Aussennetz rund 300 Millionen Franken aus. Würden die Botschaft in Guatemala und das Generalkonsulat in Chicago aufrechterhalten, könnten die Sparziele nicht eingehalten werden, argumentierte Aussenminister Didier Burkhalter. «Wenn Sie die Motionen annehmen, müssen sie auch die finanziellen Folgen tragen.»

Entweder bräuchte es zusätzliche Mittel für das Aussennetz, oder aber die Pläne in den Wachstumsregionen Asiens und der Golfstaaten könnten nicht wie vorgesehen umgesetzt werden. Eine weitere mögliche Folge wäre ein Leistungsabbau in den EU- und Nachbarstaaten.

Ginge es nach dem Willen des Bundesrates, wäre für die Beziehungen zu Guatemala ab 2014 die Schweizer Botschaft in Costa Rica zuständig. In Chicago soll es anstelle des Generalkonsulats ein Honorarkonsulat geben. Auch in Jidda (Saudiarabien) und Dubai sollen Vertretungen abgebaut oder in andere Niederlassungen integriert werden.

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Mit dem Horn gegen die Schliessung der Botschaft

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Ein Alphorn, ein Transparent und ein Mann stehen vor dem Bundeshaus: Werner Rüesch lebt seit 41 Jahren in Guatemala. Er bläst in sein Horn, weil ihm «nichts mehr anderes übrig bleibt, als meine Stimme auf dem Bundesplatz zu erheben». Alphornklänge erklären sich nicht von selbst. Rüesch hat darum seine Botschaft auf ein Transparent geschrieben. Lange…

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Grosse Umbau-Aktion

Seit 1990 baute das EDA 62 Aussenstellen ab. Das Netz der Auslandvertretungen wurde Richtung Asien, Balkan und ehemalige Sowjetrepubliken verlagert. Insgesamt wurden 40 neue Standorte mit Konsulardienstleistungen aufgebaut. Rund ein Viertel der Konsulate wurden in Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) integriert.

  

Am Dienstag hat der Nationalrat aber den Bundesrat beauftragt, auf die Abbaupläne in Guatemala und Chicago zu verzichten. Der Motion zu Guatemala stimmte der Rat mit 142 zu 17 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu, jener zu Chicago mit 153 zu 22 Stimmen. Die Vorstösse gehen nun an den Ständerat.

«Es ist ein starkes Signal vom Parlament», sagt Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizerorganisation ASO gegenüber swissinfo.ch. Wyder fordert, «dass die Erosion des diplomatischen und konsularischen Netzes so nicht weitergehen darf».

Seit 2003 unterhält die Schweiz im ehemaligen Bürgerkriegsland Guatemala ein Programm zur Stärkung des Friedens, der 1996 zwischen Regierung und Guerilla geschlossen worden war.
 
Zentralamerika gehört zu den Regionen, die bei der Entwicklungsagentur des Bundes Deza Priorität geniessen.

Laut dem jüngsten Bericht der UNO über Drogenhandel zählen die drei Länder Guatemala, Honduras und El Salvador zu den gewalttätigsten der Welt.

Auch Hilfswerke gegen Schliessung

Gegen die geplante Schliessung der Botschaft in Guatemala hatten sich vor allem Entwicklungs-Organisationen und Hilfswerke gewehrt. Sie befürchten, dass die Unterstützung für ihre Arbeit ohne Schweizer Vertretung in dem zentralamerikanischen Land schwinden könnte.

Die Botschaft habe in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle gespielt, um die Einhaltung der Menschenrechte und den Frieden im Land zu stärken sowie die Arbeit der Nichtregierungs-Organisationen zu unterstützen, schrieben die Hilfswerke.

Würde die Vertretung in Guatemala geschlossen, wäre es die erste Botschaft, die von den Restrukturierungen beim diplomatischen Netz des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) betroffen wäre.

Mit der Umsetzung der Massnahmen hat das EDA  2011 begonnen. Betroffen sind 26 Konsulate in Europa, in der Karibik und im Süden Afrikas. Sie werden in 8 regionale Zentren aufgeteilt, die verschiedene Länder abdecken (im Fall von Wien sogar deren 6).

Neue regionale Zentren:

Stockholm (Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen)

 Wien (Österreich, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slovenien, Kroation)

Pristina (Kosovo, Albanien)

Den Haag (Belgien, Luxemburg, Niederlande)

Bukarest (Rumänien, Bulgarien)

Riga (Lettland, Litauen, Estland)

Hispaniola (Dominikanische Republik, Haiti)

Pretoria (Südafrika, Malawi, Sambia, Simbabwe)  

Eine Botschaft für sechs Länder?

Aus Sicht der Aussenpolitischen Kommission sprechen auch die laufenden Verhandlungen über ein Freihandels-Abkommen mit den Ländern Zentralamerikas, die menschenrechtliche Situation sowie die Eröffnung einer guatemaltekischen Botschaft in Bern gegen eine Schliessung.

Die Schliessung sei ausserdem nicht im Sinne der Schweizer Bürgerinnen und Bürger in Zentralamerika, gibt Roland Büchel, Kommissionssprecher und Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu bedenken. Neu würde eine einzige Botschaft sechs Länder betreuen.

Im Juni 2012 hatte Büchel in einer Motion ein Ende der Schliessungen gefordert. «Der Nationalrat hat verstanden, dass die Schweizer Vertretung in Guatemala City die erste Schweizer Botschaft wäre, die geschlossen würde, seit der Schliessung der Vertretung in Ostberlin 1990.»

Der Entscheid des Nationalrats zu Chicago zeige, dass man die Dienstleistung für die Schweizer Bürger im amerikanischen Midwest und die Schweizer Firmen in der Region nicht weiter abbauen soll, sagt Büchel gegenüber swissinfo.ch. «Ich traue dem Ständerat einen ähnlich vernünftigen Entscheid zu.»

Auch Carlo Sommaruga, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP) und Mitglied des Auslandschweizer-Rats, zeigt sich zufrieden. «Es ist ein extrem wichtiges Signal, dass man das diplomatische Aussennetz nicht weiter abbaut.»

Der Aussenminister (Bundesrat Didier Burkhalter) habe nun den anderen Mitgliedern des Bundesrats klar zu machen, dass mehr Geld nötig sei, um das diplomatische Netz aufrecht zu erhalten. Die Schweiz sei auf sich selbst gestellt, könne nicht wie EU-Länder mit anderen zusammenarbeiten und sich gegenseitig vertreten.

«Das Signal ist klar: In Ländern wie Guatemala und in andern Staaten mit fragilen Strukturen, wo NGO seit Jahren sehr gute Arbeit leisten, macht es keinen Sinn, die diplomatischen Vertretungen abzubauen.“

(Mit Input von Urs Geiser)

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