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Hans-Ueli Vogt will in Bern die Selbstbestimmung der Schweiz verteidigen

SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt ist für eine offene, aber unabhängige Schweiz. Keystone

Rechtsprofessor und Kosmopolit in einer Partei, die häufig Akademikerkreise attackiert und gegen die Öffnung der Schweizer gegenüber dem Ausland kämpft: Für die einen ist Hans-Ueli Vogt ein Exot innerhalb der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), für andere der Vertreter einer neuen Politiker-Generation des rechten Lagers.

Hans-Ueli VogtExterner Link empfängt uns an seinem Arbeitsort an der Universität Zürich. Es ist ein eher schlichtes Büro mit nicht viel mehr als einem Schreibtisch und einigen Sesseln, dafür überall Bücher und Gesetzesschriften. Der elegante Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht entschuldigt sich, dass er nicht aufgeräumt hat. Damit wird umgehend klar, dass er ein zuvorkommender und umgänglicher Mensch ist, was einen Kontrast zu seiner neuen Rolle als SVP-Nationalrat darstellt.

Man fragt sich umgehend, was einen derart höflichen Akademiker dazu getrieben hat, sich ins politische Gemenge zu werfen, umso mehr, als er das für eine Partei tut, der immer wieder zu harte und aggressive Töne vorgeworfen werden.

Neu im Parlament

Die Tochter von Christoph Blocher, ein kommunistischer Gemeindepräsident, der Chef der Weltwoche, eine junge Grüne: swissinfo.ch publiziert eine Auswahl von Porträts neuer Abgeordneter, die bei den Wahlen vom 18. Oktober 2015 ins Parlament gewählt wurden.

Entdecken Sie diese neuen Gesichter unter der Bundeshauskuppel, seien es Vertreterinnen oder Vertreter von Regierungsparteien oder kleiner Gruppierungen.

Der Neo-SVP-Abgeordnete thematisiert die Kontraste und Widersprüche jedoch nicht. Im Gegenteil, er scheint sie eher mit der gleichen Sorgfalt pflegen zu wollen wie seine Kleider und Worte. Er bezeichnet sich als innovativ, fortschrittlich und weltoffen.

Vogt, Kosmopolit, städtisch und homosexuell, lebte mehrere Jahre im Ausland und reist gerne in Grossstädte. Er vertritt aber eine politische Ausrichtung, die traditionelle Werte verteidigt, eine konservative Vision vertritt und auf verschiedenen Gebieten eine Abschottung der Schweiz gegenüber dem Ausland befürwortet. So wurde Vogt in der Presse auch schon als «Exot» bezeichnet, eine Art Ausserirdischer innerhalb seiner Partei.

«Jede Person trägt in sich auch Widersprüche. Leider hat dies im Allgemeinen einen negativen Beigeschmack. Persönlich bin ich aber überzeugt, dass Widersprüche produktiv sind. Wenn man sie lebt und sich damit auseinandersetzt, können sie zu etwas Neuem führen, zu etwas Kreativem», erklärt Vogt, bevor er anfängt, seine «anscheinenden» Widersprüche in Ruhe zu erklären. Etwas, was er gerne tut. Die Leidenschaft, Themen zu klären und sie in einer überzeugenden Art anderen zu vermitteln, hat ihn dazu gebracht, das Recht und dann die Politik zu wählen.

Rascher Aufstieg

Vor dem Recht und der Politik interessierte er sich in jungen Jahren jedoch für den Lehrberuf. «Ich war wohl von ein paar guten unter meinen Lehrern beeinflusst. In der Sekundarschule wollte ich Sekundarlehrer werden, im Gymnasium dann Gymnasiallehrer. Und als ich an der Universität war, war ich auf fast natürliche Weise vom universitären Lehren begeistert», erinnert sich Vogt. Seine akademische Karriere begann er 2003 in Zürich, nach einigen Jahren des Studiums und der Arbeit als Anwalt in New York.

Das politische Profil von Hans-Ueli Vogt. smartvote.ch

In die Politik stieg er erst 2011 ein, als er ins Kantonsparlament gewählt wurde. Der Aufstieg ging rasch: Bereits vier Jahre später erreichte er bei den eidgenössischen Wahlen das siebtbeste Resultat von 35 Zürcher Abgeordneten im Nationalrat.

Seine Partei stellte ihn allerdings für einen der zwei Ständeratssitze auf. Eine Mission, die für die SVP im Kanton Zürich fast unmöglich ist. Vier Jahre zuvor war sogar der SVP-Parteistratege Christoph Blocher dabei gescheitert. Vogt nahm die Herausforderung an, der viele seiner erfahreneren Kollegen lieber aus dem Weg gingen, und nahm an Dutzenden Wahlversammlungen und Debatten teil. Er wurde nicht gewählt, war aber dafür nun bekannt, und einige Beobachter sahen in ihm bereits den führenden Vertreter einer neuen SVP-Generation.

Während seinen Vorlesungen an der Universität verzichtet er darauf, über Politik zu reden. In Bern jedoch will er die Visionen der SVP in vollen Zügen verteidigen. «Ich teile die Positionen meiner Partei über die politischen Hauptthemen voll und ganz, wie etwa die Beziehungen zur EU oder die Migrationsprobleme. Und ich teile auch das Ziel, die Unabhängigkeit und Freiheit der Schweiz beizubehalten.»

Der Professor ist der Vater der im letzten Jahr lancierten Selbstbestimmungs-InitiativeExterner Link («zur Umsetzung von Volksentscheiden – Schweizer Recht geht fremdem Recht vor»). Mit der Initiative soll unter anderem verhindert werden, dass die Schweiz automatisch EU-Recht übernehmen muss und den Entscheiden des Europäischen Gerichtshofs untersteht, die der Bundesverfassung widersprechen.

Recht auf Selbstbestimmung

Aber steht denn die Abschottungspolitik der SVP in Bezug auf das Ausland, gegenüber der EU und der UNO auch, nicht voll im Widerspruch zu seiner persönlichen Vision der Weltoffenheit? «Für mich ist die Welt nicht die EU oder die UNO», antwortet Vogt. «Das sind Organisationen, die auch in vielen anderen Ländern Skepsis hervorrufen und ständig neue Richtlinien erlassen, solche, die häufig unnötig oder falsch sind und keiner demokratischen Kontrolle von Seiten des Volkes unterliegen. Was die SVP im Endeffekt verteidigen will, ist nichts anderes als das Vorrecht für die Schweiz und die anderen Staaten auf Selbstbestimmung, auch in einer globalisierten Welt.»

Hans-Ueli Vogt

Vogt wird am 5. Dezember 1969 in Winterthur geboren und wächst in Illnau, Kanton Zürich auf. Seit 1993 lebt er in der Stadt Zürich.

1995 schloss er an der Universität Zürich sein Rechtsstudium ab, machte im Jahr 2000 an der University School of Law in New York den Master und 2001 in Zürich das Doktorat. Zudem erwarb er das Anwaltspatent für den Kanton Zürich und im US-Bundesstaat New York, wo er zwischen 2000 und 2002 tätig war.

Nach einem Semester am European University Institute in Florenz begann er 2003 seine akademische Karriere an der Uni Zürich. Seit 2013 ist er ordentlicher Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht.

2011 gelang ihm die Wahl ins Zürcher Kantonsparlament und 2015 in den Nationalrat als Vertreter der SVP des Kantons Zürich. In Bern ist er Mitglied der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats.

Der Professor unterstützt auch die Umsetzung der «Masseneinwanderungs-Initiative», welche die bilateralen Abkommen mit der EU gefährdet, darunter auch die Programme der Zusammenarbeit zwischen den europäischen und den Schweizer Universitäten.

«Wer mit anderen Universitäten kollaborieren will, kann das auch ohne diese Verträge tun. Die Zusammenarbeit bestand auch schon vorher. Ich zum Beispiel organisiere jedes Jahr Forschungsaktivitäten mit einem deutschen und einem österreichischen Kollegen. Auch auf finanzieller Ebene ändert sich nicht viel. Die Schweiz beteiligt sich finanziell an den Forschungsprogrammen mehr oder weniger im gleichen Mass, wie sie von der EU erhält.»

Und wie rechtfertigt dieser kosmopolitische Dozent die Tendenz der SVP, das Thema Ausländer ständig auf negative Art und Weise zu behandeln? «Persönlich habe ich nichts gegen Ausländer. Ich bin der erste, der anerkennt, dass sie zur Entwicklung der Schweiz viel beigetragen haben», sagt er.

«Es ist jedoch nicht Aufgabe einer Partei, Lorbeeren zu verteilen, sondern auf bestehende Probleme hinzuweisen, auch wenn das irritieren kann. Es ist nicht akzeptabel, dass bestimmte Fragen, wie etwa die Kriminalität der Ausländer, lediglich aus Gründen der ‹political correctness› nicht angepackt werden. Die jüngsten Ereignisse in Köln verkörpern lediglich Anzeichen von Integrationsproblemen, die in Zukunft immer häufiger vorkommen könnten. Unsere Werte stehen auf dem Spiel, die Achtung der Frauen und der Minderheiten und schliesslich auch unsere Freiheit.»

Den eigenen Ideen treu bleiben

In gewissen gesellschaftlichen Fragen, wie bei der eingetragenen Partnerschaft für homosexuelle Paare oder der Entkriminalisierung leichter Drogen, weicht Vogt jedoch von der harten Linie der SVP ab. «Meiner Meinung nach sollten sich die Parteien und der Staat nicht in die persönlichen Lebensformen einmischen, solange sie das Zusammenleben und den Fortbestand einer Gesellschaft nicht bedrohen. Im Gegenteil: Ein liberaler Staat hat alles Interesse daran, dass es stabile zwischenmenschliche Beziehungen gibt, so dass sich zwei Personen bei Bedarf gegenseitig helfen können.»

Vogt hat bereits gezeigt, dass er bereit ist, wenn nötig seine Positionen zu verfechten, auch wenn er schliesslich mit seiner Meinung fast alleine gegen alle steht. Dies war der Fall im Januar, als rund 150 Rechtsprofessoren ein Manifest gegen die von ihm unterstützte Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» unterzeichneten. An der anderen Front löste er harsche Reaktionen in der eigenen Partei aus, als er in einem Interview sagte, dass in der Schweiz geborene und aufgewachsene Ausländer (Secondos) nicht ausgeschafft werden sollten.

Auch wenn sein Lebensstil zumindest teilweise zu seiner politischen Wahl im Widerspruch steht, so zeigt der Zürcher Nationalrat doch, dass er in der Verteidigung seiner Ideen kohärent ist. «Es ist nicht einfach, sich nicht allein zu fühlen, wenn man alleine gegen 150 ist. Das muss aber kein schlechtes Gefühl auslösen. Bei mir ist es jedenfalls nicht so. Ich weiss, dass ich mich in der Politik in einem Spannungsfeld bewege, wo es viele Interessen und auch Erwartungen an mich gibt, sei das innerhalb meiner Partei oder auch ausserhalb. Ich kann aber nicht versuchen, all diese Interessen zu befriedigen. Ich muss das tun, was ich für richtig halte und mir selber treu bleiben.»

(Übertragung aus dem Italienischen: Gaby Ochsenbein)

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