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Marianne Maret, eine «echte Mitte-Politikerin», ehrlich und fleissig

Eine Frau, im Hintergrund ein Wald.
Marianne Maret auf der Teufelsbrücke, nicht weit entfernt von ihrem Haus in Troistorrents. swissinfo.ch

Sie ist die erste Frau aus dem Wallis, die im Ständerat sitzt. Während eines Spaziergangs auf den naturbelassenen Wanderwegen des Chablais erzählt die Christdemokratin Marianne Maret, wer sie ist.

Im vergangenen Oktober haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Schweiz das bisher weiblichste Parlament der Geschichte gewählt. Obwohl die Parität noch nicht erreicht ist, stellen Politikerinnen nun 42% im Nationalrat. Aus diesem Anlass porträtiert swissinfo.ch acht neu gewählte Frauen aus verschiedenen Parteien.

«Meine Füsse stehen wirklich auf dem Boden, aber mein Kopf ist dennoch in den Sternen», sagt Marianne MaretExterner Link bei einer Wanderung in Troistorrents im Wallis, wo sie auch wohnt. Man glaubt ihr das sofort: Das neu gewählte Mitglied der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) im Ständerat (kleine Parlamentskammer) bewegt sich stetig und zielgerichtet vorwärts, sowohl in den Bergen als auch während der Wahlkampagne.

Aber sie kann auch einen Halt einlegen, um die Schönheit eines Augenblicks zu geniessen. «Ich bin eine Idealistin und werde es für den Rest meines Lebens bleiben», sagt sie über sich. Und das obwohl sie sich bereits seit 22 Jahren in der Politik engagiert.

Auf der Teufelsbrücke hält die Politikerin an und blickt auf die Vièze-Schluchten. Die Walliserin ist ihrem Kanton sehr verbunden. Seit 2013 ist sie Vorsitzende der Stiftung für die nachhaltige Entwicklung der BerggebieteExterner Link.

Sie setzt sich insbesondere für eine stärkere Unterstützung der Bauern ein, um diese Tradition zu bewahren, Arbeitsplätze in den Tälern zu erhalten und die biologische Vielfalt zu gewährleisten. «Für den Erhalt einer ausgewogenen Schweiz ist es wichtig, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den urbanen Zentren und den Bergregionen zu wahren», erklärt Maret.

«Der Föderalismus ist ein geniales Konzept»

Eckdaten ihrer politischen Laufbahn

  • 1997: Mitglied der Exekutiven in der Gemeinde Troistorrents im Wallis
  • 2005-2012: Gemeindepräsidentin von Troistorrents
  • 2009-2013: Präsidentin des Verbands Walliser Gemeinden
  • 2009-2019: Abgeordnete im Grossen Rat des Kantons Wallis
  • Seit 2014: Vizepräsidentin der französischsprechenden Walliser CVP-Sektion
  • 2019: in den Ständerat gewählt

Das Agrarreformprojekt des BundesExterner Link hatte das Wallis verärgert, weil es eine obligatorische Berufsprüfung für alle Bauern vorsah. Diese Anforderung hätte die Bergbauernhöfe stark benachteiligt. «Der Bundesrat schlägt oft Regeln vor, die zur Einheitlichkeit führen, dem Gegenteil des Föderalismus», sagt Maret. «Der Föderalismus ist ein geniales Konzept, denn er respektiert alle Menschen entsprechend ihren Besonderheiten.»

In der Kurve des Wanderwegs beugt sich Maret kurz nach vorne, um Abfall aufzuheben. Sie hält diesen bis zum nächsten Abfalleimer in der Hand und wirft ihn weg. Die Verbundenheit mit der Region geht Hand in Hand mit einer Sensibilität für die Umwelt: «Der Klimawandel ist eine Realität, wir müssen in Bewegung kommen», argumentiert die Walliserin.

Sie ist für das CO2-GesetzExterner Link, wie es derzeit vom Ständerat vorgeschlagen wird. «Ich denke hingegen, dass wir, wenn wir die Benzinsteuer erhöhen, ein Instrument vorsehen müssen, wie zum Beispiel eine Steuerkorrektur, um diejenigen zu unterstützen, die in Regionen mit schlechten öffentlichen Verkehrsdiensten leben und gezwungen sind, sich mit dem Auto fortzubewegen», sagt sie.

«Sie kennt die Dossiers, sie arbeitet viel»

In Troistorrents scheint Marianne Maret jeden zu kennen. Sie grüsst jeden Passanten. «Sie respektiert die Menschen und hat für alle ein offenes Ohr», sagt Serge Métrailler, noch bis Januar Präsident der französischsprachigen Walliser CVP-SektionExterner Link.

Er versteht sich sehr gut mit der frisch gewählten Ständerätin, die bisher Vizepräsidentin der Sektion war. Er bezeichnet sie als «echte Mitte-Politikerin», mit grossen menschlichen und politischen Qualitäten. «Sie kennt die Dossiers, sie arbeitet viel», so Métrailler. Sie tue, was sie sage, und sie sage, was sie tue.

Eine Frau vor einer Kapelle.
Marianne Maret vor einer Kapelle in Troistorrents. Die CVP-Politikerin wurde 1958 in Martigny geboren, ist verheiratet und hat vier Kinder. swissinfo.ch

Den gleichen Eindruck hinterliess Maret bei den Mitgliedern der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats des Wallis, die sie trafen. «Sie ist sehr professionell und lässt Menschen arbeiten», sagt Patrick HildbrandExterner Link, Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP). «Sie kann in Diskussionen sehr hart sein, aber sie bleibt immer ruhig und respektvoll.»

Marets Slogan bei den letzten Wahlen lautete: «Aufrichtig, bedingungslos». Eine Maxime, die ihren Charakter perfekt widerspiegle, findet Jean-Yves Gabbud, Journalist bei der Walliser Tageszeitung Le NouvellisteExterner Link: «Ich habe selten jemanden getroffen, der so offen ist. Sie hat keine Angst, zu schockieren.»

Eine Aufrichtigkeit, die Maret während ihrer Kampagne manchmal vorgeworfen wurde. «Es sind dieselben Menschen, die Politiker vorwerfen, immer nur Lippenbekenntnisse abzugeben, es ist paradox», lautet ihre Antwort.

Marets Schwächen? «Sie ist stur», gibt Serge Métrailler zu. Wenn sie einen Standpunkt hat, weicht sie nicht davon ab. Es ist auch eine Stärke, aber um einen Konsens mit ihr zu finden, muss man gute Argumente haben.»

«Ich habe es noch nicht realisiert»

Auf einer mit abgestorbenen Blättern zugedeckten Waldstrasse antwortet Maret auf die Frage, wie es für sie sei, nun im Ständerat zu sitzen: «Ich habe es noch nicht realisiert.»

Die Politikerin wurde am 3. November in der zweiten Runde mit 1370 Stimmen Vorsprung auf ihren Hauptrivalen, Mathias Reynard von der Sozialdemokratischen Partei (SP), gewählt. Sie bestätigte damit die Dominanz der Walliser CVP in der kleinen Kammer: Die Partei besetzt die beiden diesem Kanton zustehenden Sitze seit mehr als 160 Jahren. Allerdings ist sie die erste Frau aus dem Wallis, die es in den Ständerat geschafft hat.

Eine Frau blickt in eine Filmkamera.
Marianne Maret nach ihrem Sieg in der zweiten Runde der Ständerats-Wahlen. Keystone / Olivier Maire

Auslandschweizer und -schweizerinnen können im Kanton Wallis keine Ständeräte wählen. Marianne Maret hatte während ihrer Wahlkampagne keinen besonderen Kontakt zur Fünften Schweiz, erinnert sich aber an die Auslandschweizer, die in ihrer Zeit als Gemeindepräsidentin an jeder Abstimmung teilnahmen: «Es ist verrückt, dass diese Zugehörigkeit fortbesteht.»

Die Frischgewählte spricht sich für die Entwicklung eines neuen elektronischen Abstimmungssystems aus. Sie sagt aber auch: «Bis die Datensicherheit gewährleistet ist, kann dieses Projekt nicht gestartet werden. Das Vertrauen in das System ist die Garantie für unsere Gelassenheit.»

Viele Parlamentarier sitzen zunächst im Nationalrat, der grossen Parlamentskammer, bevor sie in den Ständerat wechseln. Aber Maret hat diese Etappe übersprungen: «Ich mag die Idee einer Zwangspassage sowieso nicht, sie ist nicht demokratisch und elitär.»

Die Walliserin hat noch keine Erfahrung in der Bundespolitik, was ihrer Meinung nach sowohl Vor- als auch Nachteile hat. «Es ist ein Vorteil, weil neue Perspektiven oft ikonoklastisch sind. Als ich im Grossen Rat war, stellten die Neuankömmlinge relevante Fragen, stellten Dinge in Frage, die wir nicht mehr in Frage stellen konnten, weil wir zu sehr mittendrin waren», erinnert sie sich. Der Nachteil ist, dass dies zu einer längeren Latenzzeit führen kann als im Fall einer Person, die bereits im Nationalrat sass.»

«Dank Lohngleichheit könnte man die Kassen der AHV auffüllen»

Eines der Hauptthemen der neuen Legislaturperiode ist die Reform der Altersvorsorge (AHV). Und im Gegensatz zu ihrer Partei ist Maret dagegen, das Rentenalter für Frauen anzuheben, bis die Lohnungleichheit beseitigt ist: «Ich habe ein Problem damit, im Namen der Gleichstellung ein Rentenalter von 65 Jahren für alle zu fordern, während andere Ungleichheiten bestehen bleiben. Zumal der gleiche Lohn es ermöglichen würde, die Kassen der AHV aufzufüllen.»

Der Spaziergang neigt sich dem Ende zu. Auf der Zielgeraden sind das Dorf Troistorrents und das Talende zu sehen. Auf die Frage, welche Haltung Maret gegenüber dem Vaterschaftsurlaub hat, gibt sie sich pragmatisch: «Ich bin für zwei Wochen. Dies ist sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wir werden wirtschaftlich damit experimentieren, und dann ein höheres Niveau anstreben.»

Deux femmes dans une salle
Bundesrätin Karin Keller-Sutter begrüsst Marianne Maret an ihrem ersten Tag im Ständerat. Keystone / Alessandro Della Valle

Unser Ausgangspunkt, das Haus von Maret, taucht am Ende der Strasse auf. Der politisch-sportliche Ausflug ist vorbei. Nach zwei Gläsern Leitungswasser eine letzte brennende Frage zur Transparenz der Politik-Finanzierung: «Ich bin persönlich sehr transparent und denke, dass die Bevölkerung heute wissen muss, wie Parteien, Kampagnen und Lobbys funktionieren», sagt sie. «Insbesondere im Hinblick auf die Transparenzinitiative und den Gegenvorschlag werde ich sehen, wie sich die Debatten entwickeln.»

Maret wurde am 2. Dezember im Ständerat vereidigt. Sie ist für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. «Sie kennt das Wallis und hat viel Erfahrung», sagt Patrick Hildbrand. «Sie ist die ideale Person, um die Interessen der Region zu vertreten und die Menschen zu überzeugen.»

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(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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