Kindesunterhalt, Bankgeheimnis und «Swiss made»-Label
Im Januar 2017 sind in der Schweiz zahlreiche neue Gesetze in Kraft getreten. Sie betreffen so unterschiedliche Personen wie getrennte Eltern, Hundebesitzer, Banker und Schweizer Produzenten.
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swissinfo.ch und Agenturen
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Du nouveau pour le secret bancaire, le label suisse et l’entretien des enfants
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Der Schweizer Gesetzgeber möchte alle Kinder von getrennten Eltern beim Unterhalt gleichbehandeln, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet waren oder nicht. Zudem haben Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern neu Vorrang vor anderen Unterhaltsansprüchen. Das neue Gesetz verteilt auch die Pensionskassengelder bei einer Scheidung gerechter.
Mit der Gesetzesänderung soll den Zahlen Rechnung getragen werden, wonach im Jahr 2009 16,9% der Einelternhaushalte von der Sozialhilfe abhängig waren und mehr als 95% der Fälle Frauen mit Kindern betrafen.
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Der bekannte Kinder- und Jugendpsychologe Allan Guggenbühl findet es grundsätzlich richtig, dass uneheliche Kinder beim Unterhalt den ehelichen Kindern gleichgestellt werden. Doch er sieht auch ein Problem bei Kindern, die nicht in stabilen Partnerschaften gezeugt wurden: «Es ist das Szenario denkbar, dass bei einem One-Night-Stand von zwei 18-Jährigen ein Kind entsteht, die Frau nicht abtreiben will und der Vater dann der Frau jahrelang Unterhalt zahlen muss. Ein One-Night-Stand kann somit gravierende Folgen für den jungen Mann haben.» Man wisse noch nicht, wie sich die Situation und die Gerichtspraxis entwickeln werden. «Man kennt aber das Beispiel der USA und England, wo hohe Kindergelder dazu geführt haben, dass ein Teil der jungen Frauen dies ausnützt und absichtlich schwanger wird.» Ob es in der Schweiz mit dem neuen Betreuungsunterhalt eine ähnliche Entwicklung gibt, wird sich laut Guggenbühl zeigen.
Austausch von Bankinformationen
Ein internationales Abkommen über den automatischen Austausch von Bankinformationen beendet die berühmte Rolle der Schweiz als Steueroase. Mit dem neuen globalen Standard für den automatischen Informationsaustausch (AIA) soll die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung verhindert werden.
Die Standards wurden von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der globalen Finanzindustrie entwickelt. Die Konvention verlangt ab 2018 den jährlichen Austausch von Finanzinformationen über Schweizer Bankkonten von Kunden aus bestimmten Ländern.
Swissness
Ein neues «Swissness»-Gesetz verschärft die Anforderungen für den Gebrauch des Schweizerkreuzes und der Bezeichnung «Made in Switzerland». Das neue Gesetz definiert nun klar die Bedingungen, unter welchen Firmen ihre Produkte als «Swiss made» bezeichnen können.
Pflanzliche und tierische Landwirtschaftsprodukte müssen zu 100% aus der Schweiz stammen, um das Swiss Label zu erhalten. Bei Lebensmitteln müssen 80% der Rohstoffe aus der Schweiz stammen. Das Gesetz sieht einige Ausnahmen vor. Für Wasser, Kaffee und Schokolade gelten andere Regeln.
Industrielle Produkte müssen mindestens 60% der Produktionskosten in der Schweiz verursachen. Das betrifft vor allem Schweizer Uhren.
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Wenn Nahrungsmittel künftig das bekannte Schweizer Kreuz tragen wollen, müssen sie zwei Kriterien genügen. Die Produkte müssen in der Schweiz fabriziert, und 80% ihrer Inhaltsstoffe im Inland hergestellt worden sein. Viele Schweizer Produzenten arbeiten immer noch daran, den neuen Richtlinien zu genügen. Der Biscuit-Hersteller Hug hat bereits von Import- auf einheimischen Zucker umgestellt. Die Firma…
Blaulicht-Organisationen: Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und anderen freiwilligen Rettungsorganisationen dürfen neu in Notfällen ausrücken, auch wenn sie etwas Alkohol getrunken haben. Es gilt neu ein Grenzwert von 0,5 Promille und nicht mehr 0,1 Promille. Das Bundesamt für Strassen wollte die Änderung, damit in Notfällen mehr freiwillige Helfer einspringen können.
Hundebesitzer: Der Bund verlangt keine theoretischen und praktischen Hundekurse mehr. Die Kantone können diese jedoch weiterhin vorsehen.
Schweizer Wälder: Mit dem neuen Gesetz soll das einheimische Holz mehr genutzt werden. Die RegierungExterner Link will den Wald besser vor Schadorganismen schützen, ihn für die Herausforderungen des Klimawandels wappnen und die Holznutzung sowie die Arbeitssicherheit bei der Holzernte stärken.
Energie-Label: Autokäufer werden zukünftig mehr Angaben auf der Energieetikette von Neuwagen sehen. Das ermöglicht einen energie- und umweltbewussten Kauf.
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Wo und warum sich Paare scheiden lassen – oder nicht
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Die Scheidungsrate in der Schweiz ist ziemlich durchschnittlich. Es scheint aber einen Graben zwischen (Vor-)Stadt und Land zu geben, der darauf hindeutet, dass das Leben auf dem Land zum Eheglück beiträgt. Oder doch nicht?
Überträgt man die Scheidungsraten des ganzen Landes auf eine Karte, sieht man, dass Scheidungen in der Umgebung urbaner Zentren am häufigsten vorkommen. Aber auch in vielen Schweizer Pendlerorten – oft in grüner, malerischer Umgebung gelegen – scheint es höhere Scheidungsraten zu geben.
Im Metropolitanraum Zürich waren Scheidungsraten von um die 40 auf 100 Ehen über die letzten vier Jahrzehnte die Norm; höher als in der Stadt Zürich selber (35 auf 100). Im Bemühen, herauszufinden, weshalb das so ist, besuchte ich den kleinen Ort Adlikon bei Andelfingen, rund 30 Minuten Fahrt von der Bankenhauptstadt der Schweiz entfernt. Mit einem Restaurant, einem Coiffeursalon und einer Primarschule ist Adlikon weder ein eigenständiges, noch ein wirkliches ländliches Dorf.
Zur Mittagszeit sind die meisten Tische im Restaurant besetzt. Die Kundschaft reicht von Polizisten, die dienstfrei haben, bis zu Senioren, die sich zum Kartenspiel treffen. Zwei Frauen, die ihre Mittagspause hier verbringen, sind erstaunt, als sie von der hohen Scheidungsrate hören.
"Das ist interessant! Wahrscheinlich ist das der Grund, wieso ich nicht heirate", scherzt die Frau mittleren Alters, während die jüngere kichert. Vielleicht sei die ruhige Umgebung zu langweilig für gewisse Leute, sinniert ein Beamter. "Die Leute träumen von einem Haus auf dem Land, doch dann ist es vielleicht allzu 'ländlich' – zumindest für die eine Hälfte eines Paars. Und dann hat man ein Problem."
Rolle der Religion
Als sie die Karte mit den Scheidungsraten sieht, erklärt eine ältere Frau, der Grund, wieso es in gewissen Gegenden der Schweiz so wenige Scheidungen gebe, sei die Religion.
"Das sind die katholischen Regionen. Wir sind hier viel freier", sagt sie, wobei das "hier" für die allgemein protestantisch geprägten Gemeinden im Kanton Zürich steht. In Adlikon gibt es gar keine Kirche, im benachbarten Andelfingen dafür sowohl eine katholische wie eine protestantische.
Im bergigen – und mehrheitlich katholischen – Kanton Wallis gibt es zwei Dörfer, in denen sich scheinbar noch nie ein Paar hat scheiden lassen. Die Einheimischen hier können sich ein paar Gründe für diese Tatsache vorstellen.
Asked whether religion is really such a key factor, University of Zurich sociologist François Höpflinger is sceptical – but says it could have some influence in terms of divorce rates.
“Rural areas are more likely to be Catholic, and urban Protestant, though I think the differences are blurring,” Höpflinger told swissinfo.ch. In any case, social mores have changed. Back at the restaurant in Adlikon, the grandmother observes: “It’s OK for children to be born out of wedlock today. But 40-50 years ago, they were taken away.” Another patron, a silver-haired man, adds that it’s also more acceptable for people to not marry at all these days. But both say they know a number of couples who’ve been married for 20-40 years.
Living apart together
As Höpflinger points out, it’s tricky to interpret marriage and divorce statistics.
“In cities, couples often don't even get married. So any ‘divorces’ are then unofficial, as it were, since nobody records those break-ups. That’s part of the reason why the Swiss divorce rate has gone down – because fewer people are getting married,” Höpflinger says.
In 2014, about 42,000 couples tied the knot in Switzerland. In comparison, the late 1960s saw about 46,000 weddings per year, and the year 1991 saw an all-time high of 47,567. The Federal Statistical Office has marriage records dating back to 1801.
Among those who do marry, staying married doesn’t necessarily mean that they’re happy, points out Höpflinger. “It seems that in most countries, the divorce rates have been going down because people have more ways of mitigating conflict than before. For example, by ‘living apart together’ or via open relationships.”
Leaving Adlikon I meet a man walking his dog, and strike up a conversation. Hearing that divorce is so common in the area intrigues him – and seems to cheer him up.
“I’m going through it myself,” he says. As it turns out, he and his wife separated in January.
Switzerland compared to the US
Religion plays a bigger role in the United States than it does in Switzerland. In the US, divorce is often more common in rural areas – and less so in the Northeast, where levels of education and the ages of the brides and grooms tend to be higher.
“In the United States, belonging to a religion is a big deal – more so than in Switzerland or Europe. There are religions that ban divorce, and sex before marriage, and they exact a certain amount of social control,” according to University of Zurich sociologist François Höpflinger.
University of Texas sociologist Jennifer Glass says it is religion and culture – more so than location – that influence divorce rates in the US.
“In the South, conservative religious beliefs (Christian religious fundamentalism) lead communities to deny comprehensive sexuality education and encourage youth to abstain from sex until marriage,” Glass told swissinfo.ch.
She notes that shotgun weddings are still common in the South, as many believe that both contraception and abortion are sinful.
“Youth who do engage in sex tend to get pregnant quickly and marry to resolve the pregnancy. So it’s the combination of conservative beliefs about sex and less emphasis on educational attainment that result in lots of early marriages between two young people with inadequate education and training to support themselves, coupled with early and frequent childbearing. It’s a recipe for higher divorce rates,” Glass says.
Contact the author on Twitter: @SMisicka
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