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Neue Transparenzvorschriften: Wer die meisten Wahlkampfspenden erhält

Schweizer Banknoten
Keystone / Gaetan Bally

Welche politischen Parteien und Kandidierende in der Schweiz haben am meisten Geld für den Wahlkampf vom 22. Oktober zur Verfügung? Wer steckt dahinter? Die im Rahmen der neuen Transparenzvorschriften veröffentlichten Zahlen geben interessante Einblicke.

Am 22. Oktober wählen die Schweizerinnen und Schweizer ein neues Parlament. Für den Wahlkampf gelten erstmals neue TransparenzregelnExterner Link. Demnach müssen politische Parteien, Organisationen und Kandidierende ihre Budgets und Grossspenden offenlegen.

Bisher hinkte die Schweiz bei der Transparenz der Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich hinterher.

Für die kommenden Wahlen mussten Spenden von mehr als 15’000 Franken sowie Wahlkampfbudgets von mehr als 50’000 Franken deklariert werden. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat vor einer Woche konsolidierte Zahlen mit einer Aufschlüsselung der Wahlbudgets und -spenden veröffentlichtExterner Link.

Welche Partei hat das meiste Geld für den Wahlkampf zur Verfügung?

Über das grösste Budget für die diesjährigen Wahlen verfügt die rechtsbürgerliche Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) mit 12,4 Millionen Franken. Damit steht ihr fast doppelt so viel Geld zur Verfügung wie ihrer Hauptkonkurrentin, der Mitte-Partei, die 6,6 Millionen Franken an Spenden erhielt.

Dicht gefolgt werden die Freisinnigen von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) mit 11,1 Millionen Franken. Laut Umfragen wird diese Partei am 22. Oktober als klare Siegerin aus den Wahlen hervorgehen.

Bei den Parteien in der Mitte und links sind die Budgets kleiner: Die Sozialdemokratische Partei (SP), derzeit zweitstärkste politische Kraft in der Schweiz, verfügt über 6,9 Millionen Franken, die Grünen über 3,7 Millionen, die Grünliberale Partei (GLP) hat 2,9 Millionen zur Verfügung und die Evangelische Volkspartei (EVP) 1,2 Millionen.

Insgesamt deklarierten die politischen Parteien ein Wahlkampfbudget von 50,3 Millionen Franken.

Die Finanzkontrolle stellt fest, dass die politischen Kampagnen im Allgemeinen umfangreicher und kostspieliger sind, wenn es um eine grosse Anzahl von Sitzen geht, besonders in grossen Kantonen.

So verfügt Donato Scognamiglio, ein neuer Kandidat der EVP des Kantons Zürich, mit 365’000 Franken über das grösste WahlkampfbudgetExterner Link einer Einzelperson. Es folgt eine Handvoll freisinniger Kandidierender aus dem Kanton Zürich mit Budgets zwischen 200’000 und 280’000 Franken.

Wer sind die politischen Grossspenderinnen und -spender?

Die grösste Einzelspende leistete der Milliardär Christoph Blocher, ehemaliger Bundesrat und Aushängeschild der SVP, mit 550’000 Franken an seine Partei.

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Je 500’000 Franken für die Kampagne «Perspektive Schweiz» der bürgerlichen Kandidierenden gespendet haben dieses Jahr der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), der Schweizerische Arbeitgeberverband, der Schweizerische Bauernverband und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.

Ähnlich hohe Beträge spendeten die Stiftung für bürgerliche Politik an die SVP und Carmita Burkard, Erbin des Baukonzerns Sika, an die Grünen.

Grossspenderinnen und -spender seien aber die Ausnahme, betont die Finanzkontrolle. Die zehn grössten Zahlungen machen 40% der Spenden aus, von denen die Namen veröffentlicht werden müssen.

Wie transparent ist das neue Verfahren zur Offenlegung der Finanzierung politischer Kampagnen?

Die Medien in der Schweiz weisen darauf hin, dass es immer noch Grauzonen und Schlupflöcher im System gibt.

Bis zum 7. September mussten Spenden und Budgets für die Nationalratswahlen offengelegt werden. Mitglieder des Ständerats, der sich dafür eingesetzt hatte, von den neuen Regeln ausgenommen zu werden, müssen erst nach ihrer Wahl Rechenschaft über Spenden und Wahlkampfausgaben ablegen.

Buchhalterische Tricks sind aber nach wie vor möglich, etwa eine anonyme Spende an einen Verein, die dann an eine bestimmte kandidierende Person oder eine Partei weitergeleitet werden kann. Auch besteht weiterhin UnklarheitExterner Link darüber, welche Aktionen eine politische Kampagne darstellen und welche nicht.

Spenden unter 15’000 Franken und Wahlkampfbudgets unter 50’000 Franken müssen nicht deklariert werden. Und es besteht Unklarheit über die genauen Beträge, die Kandidierende von Verbänden oder Gruppen erhalten.

«Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht am Ziel», sagt Martin Hilti, Direktor von Transparency International Schweiz.

«Die Regeln sind relativ bescheiden und beschränken sich auf die grössten Spenden. Sie können relativ leicht umgangen werden, und ihre Überwachung ist ziemlich schwach», sagte er gegenüber dem Schweizer Radio RTS.

Hilti argumentiert, dass die Daten nur eine kleine Anzahl von Spendenden offenlegten und einige Personen auf Vereine und Stiftungen zurückgriffen, um die Herkunft ihrer Spenden zu verschleiern.

Pascal Stirnimann, Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle, zeigte sich zufrieden mit diesem ersten Schritt in Richtung Transparenz der politischen Finanzierung, der «eine grosse Veränderung» darstelle.

«Bei allen Gesetzen gibt es immer Elemente der Komplexität und Fragen, die geklärt werden müssen», sagte er gegenüber RTS. «Und bei allen Gesetzen gibt es immer Möglichkeiten, die Regeln zu umgehen. Ich denke, es ist wichtig, dem neuen Gesetz eine Chance zu geben.»

Die Finanzkontrolle beobachtet die Situation und kann unangekündigte Kontrollen durchführen. Verstösse können mit Bussen bis zu 40’000 Franken geahndet werden.

Nach den Wahlen werde man eine abschliessende Bewertung vornehmen und eventuell Teile der Regeln in Zukunft anpassen müssen, so Stirnimann.

Ist die Schweiz immer noch das schwarze Schaf Europas, wenn es um die Transparenz politischer Spenden geht?

Im Juni 2021 verabschiedete das Schweizer Parlament die letzten Änderungen einer Reform, die für mehr Transparenz bei politischen Spenden und Wahlkampfausgaben sorgen soll.

Die neuen Regeln waren eine Alternative zu den Forderungen der Transparenzinitiative, einer Volksinitiative aus dem Jahr 2017.

In der Vergangenheit hatten sich Schweizer Politikerinnen und Politiker in dieser Frage zurückgehalten, und die Schweiz galt als schwarzes Schaf, wenn es um Transparenz in der politischen Finanzierung ging.

Bis vor kurzem war die Schweiz das einzige Land unter den 47 Mitgliedern des Europarats, das keine Gesetze zur Regelung dieses Bereichs erlassen hatte. Deshalb wurde die Schweiz von der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) regelmässig kritisiert.

Hanne Juncher, Exekutivsekretärin der GRECO, sagte kürzlich in einem Interview mit SWI swissinfo.ch, die Berichte der Aufsichtsbehörde, der Druck der Medien sowie die Volksinitiative für Transparenz seien 2021 «ausschlaggebend für diese Gesetzesänderung» gewesen.

Sie lehnte es ab, sich zu der Frage zu äussern, ob die neue Gesetzgebung stark genug sei oder mehr Zähne brauche. Die GRECO wird im März 2024 einen Folgebericht über die Finanzierung von Wahlkampagnen in der Schweiz veröffentlichen.

Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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