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Wie autoritäre Regierungen NGOs den Zugang zur UNO blockieren

UNO-Menschenrechtsrat in Genf
Mit unlauteren Tricks werden NGOs vom UNO-Menschenrechtsrat ferngehalten. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Ende Februar hat die Frühjahrstagung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf begonnen. Für viele NGOs ist der Rat eine wichtige Plattform. Doch ein obskures Gremium in New York weigert sich, einigen von ihnen die Akkreditierung zu erteilen.

Die Sitzungen des Menschenrechtsrats in Genf – dem obersten Menschenrechtsgremium der Vereinten Nationen – sind für Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt eine wichtige Bühne, auf der sie sich für ihre Anliegen einsetzen können. Allerdings müssen zivilgesellschaftliche Gruppen zunächst eine Akkreditierung (den sogenannten ECOSOC-Beratungsstatus) des UN-Ausschusses für Nichtregierungsorganisationen – einem wenig bekannten Gremium mit Sitz in New York – erhalten, um an den Sitzungen des Rates teilzunehmen und Erklärungen vor seinen Mitgliedern abzugeben.

Auf dem Papier besteht die Aufgabe des Ausschusses darin, sicherzustellen, dass ein breites Spektrum von NGOs an den Prozessen der Organisation teilhaben können, um ihr Fachwissen in die Arbeit der UNO einzubringen. Doch viele Kritiker:innen, darunter zivilgesellschaftliche Organisationen, unabhängige Expert:innen, Diplomat:innen und sogar UN-Beamt:innen, vertreten die Meinung, dass einige seiner Mitglieder genau das Gegenteil tun.

«Die UNO sollte ihre Türen für Menschenrechtsorganisationen öffnen und nicht verschliessen», sagt Meena Varma, die Geschäftsführerin des International Dalit Solidarity Network (IDSN). Das IDSN ist eine kleine NGO aus Kopenhagen, die sich für die Beseitigung der kastenbasierten Diskriminierung von Dalits (Bezeichnung der untersten Gruppen der hinduistischen Gesellschaft) einsetzt. Sie hält den bedauernswerten Rekord, 15 Jahre auf eine Akkreditierung gewartet zu haben.

Unfaire Taktiken

«Leider agieren die meisten Mitgliedstaaten, die sich um die Wahl in den Ausschuss für Nichtregierungsorganisationen bemühen, als Gatekeeper, um bestimmte zivilgesellschaftliche Gruppen zu blockieren, anstatt ihnen die Teilhabe an der UNO zu erleichtern», sagt Maithili Pai, die sich beim Internationalen Dienst für Menschenrechte (ISHR), einer NGO mit Büros in New York und Genf, für den Zugang der Zivilgesellschaft zur UNO einsetzt.

Der Ausschuss für Nichtregierungsorganisationen setzt sich aus 19 Mitgliedstaaten zusammen, die für einen Zeitraum von vier Jahren gewählt werden. Eine Wiederwahl ist möglich. Das Gremium tritt zweimal im Jahr zusammen, um die Anträge von NGOs zu prüfen.

Viele seiner Mitglieder stehen der Arbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen nicht sehr positiv gegenüber. Nach Angaben der gemeinnützigen Gruppe CIVICUSExterner Link ist der nationale zivilgesellschaftliche Raum von 11 Mitgliedern des Ausschusses entweder «geschlossen» (z. B. China, Kuba und Eritrea) oder «unterdrückt» (z. B. Indien, Pakistan und die Türkei).

Die Methode, mit der die Ausschussmitglieder die Anträge von NGOs blockieren, ist bestechend einfach. «Die Taktik besteht darin, einfach eine Frage zu stellen. Ist die NGO nicht in New York anwesend, um diese zu beantworten, wird ihr Antrag automatisch auf die nächste Sitzung verschoben.

In den letzten 15 Jahren wurden insgesamt 105 Fragen gestellt. «Und das war die Taktik», sagt Varma. Nur finanzstarke Gruppierungen können es sich leisten, Vertreter:innen nach New York zu schicken.

Natürlich gibt es gute Gründe, NGOs zu überprüfen, bevor man ihnen eine Zulassung erteilt. Eine so genannte zivilgesellschaftliche Gruppe kann zum Beispiel von einer Regierung oder einer Miliz kontrolliert werden. Zudem könnte sie sich für Anliegen einsetzen, die gegen die UN-Charta oder die Menschenrechte verstossen.

Das Problem ist jedoch, so die Kritik, dass manche Länder die lockeren Regeln des Ausschusses ausnutzen, um legitime NGOs zum Schweigen zu bringen und sich und ihre Verbündeten vor Kritik zu schützen. Ihnen zufolge kann jedes Ausschussmitglied eine NGO blockieren, indem es praktisch eine beliebige Frage stellt, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Pai von den Internationalen Diensten für Menschenrechte sagt, zu den «unfairen Taktiken» des Ausschusses gehöre es, wiederholt Fragen zu stellen. Oder etwa zu verlangen, dass eine NGO, die eine:n Mitarbeiter:in ins UN-Hauptquartier geschickt hat, um die Fragen des Ausschusses persönlich zu beantworten, auch noch eine schriftliche Antwort einreicht. In der Folge wird der Antrag bis zur nächsten Sitzung des Ausschusses, also Monate später, zurückgestellt. Eine weitere Taktik ist die Frage nach zukünftigen Plänen; eine Frage, die beliebig oft wiederholt werden kann.

Am Ende seiner letzten Sitzung im Februar genehmigte der NGO-Ausschuss die Akkreditierungsanträge von 214 Organisationen und vertagte die Anträge von 296 weiteren. Er lehnte 49 Anträge von NGO ab, die es versäumt hatten, die Fragen des Ausschusses in zwei aufeinander folgenden Sitzungen zu beantworten. Mehr als die Hälfte der von ihm geprüften Anträge (321) waren zuvor zurückgestellt worden.

Manche NGOs geben nach einer gewissen Zeit auf. Anderen fehlen die Ressourcen, um sich für ihre Akkreditierung einzusetzen und den wiederholten Aufforderungen des Ausschusses nachzukommen. «Ich war darauf vorbereitet, dass unsere Akkreditierung für weitere 15 Jahre aufgeschoben wird», sagt Varma. «Ich bin sicher, dass sie [die Ausschussmitglieder] gehofft haben, dass wir irgendwann einfach aufgegeben», fügt sie hinzu.

Umgehungsmöglichkeiten

Die Akkreditierung ist die einzige Möglichkeit für NGOs, direkten Zugang zu den Vereinten Nationen zu erhalten und sich dort effektiv einzubringen. Im Menschenrechtsrat ist ihr Beitrag von unschätzbarem Wert. Ohne sie würden Themen wie Diskriminierung, neue Technologien und die Umwelt nicht so weit oben auf der Tagesordnung des Rates stehen.

Zivilgesellschaftliche Gruppen arbeiten oft direkt vor Ort, wo sie wertvolle Informationen sammeln, welche die Mitgliedsstaaten nicht einbringen können. Sie spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Nachbereitung von Ratsbeschlüssen.

Für NGOs, die keine Akkreditierung erhalten können, gibt es einen Ausweg. Sie können sich mit einer anderen NGO zusammenschliessen, die über Zugang verfügt und bereit ist, ihre Redezeit mit ihnen zu teilen. Doch das ist kein Patentrezept. Es bedeutet, dass lediglich gut vernetzte NGOs Zugang zu diesen Foren haben. NGOs an der Basis bleiben auf der Strecke, ebenso diejenigen, die nicht über ausreichende Ressourcen verfügen.

Der World Uyghur Congress (WUC) – eine in München ansässige NGO, die sich für die Rechte der muslimischen Minderheit in China einsetzt – konnte sich dank seiner Verbindungen zu anderen Organisationen Zugang zu UN-Sitzungen verschaffen, obwohl sein Antrag bereits zweimal abgelehnt wurde. Nach Angaben seines Vorsitzenden Dolkun Isa bleibt der WUC aufgrund des chinesischen Einflusses in der UNO eine Akkreditierung verwehrt. Peking betrachtet den WUC als «terroristische» und «separatistische» Gruppe. Isa weist diese Vorwürfe zurück.

Doch das sind nicht Isas einzigen Schwierigkeiten. «Das Problem ist, dass den NGOs, die uns eine Akkreditierung geben, manchmal damit gedroht wird, ihnen die Akkreditierung zu entziehen», sagt er. So forderte China 2018 den Entzug der Akkreditierung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), einer deutschen NGO, über welche die WUC Zugang zu den Vereinten Nationen erhielt. Die GfbV konnte ihren Zugang behalten, doch der Vorfall zeigt, wie weit Länder zu gehen bereit sind, um ihnen missliebige Gruppen zu blockieren.

Laut ISHR setzen sich einige NGOs, die sich um eine Akkreditierung bemühen, nicht gegen die unlauteren Praktiken des Ausschusses ein, weil sie ernsthafte Repressalien im eigenen Land und bei der UNO befürchten.

Der Ausweg

In den letzten Jahren haben sich die USA und das Vereinigte Königreich für einen neuen Weg stark gemacht, um Gruppen zu unterstützen, die ihrer Meinung nach zu Unrecht vom NGO-Ausschuss blockiert werden.

Im Dezember 2022 lanciertenExterner Link die USA eine erfolgreiche Abstimmung im UNO-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) – dem übergeordneten Gremium des NGO-Ausschusses, in dem 54 Länder vertreten sind –, um neun zivilgesellschaftliche Gruppen, darunter das IDSN, trotz der Ablehnung durch den Ausschuss zu akkreditieren.

Dieses Vorgehen verärgerte einige Ausschussmitglieder. Pai zufolge kann es keine effektive Lösung sein, wenn man bedenkt, dass derzeit rund 300 NGOs zurückgestellt sind. «Es wird eine Ewigkeit dauern, sollte dies die einzige Methode sein, auf die wir uns verlassen können», sagt sie.

Eine bessere Lösung wäre nach Ansicht der ISHR, wenn der Ausschuss so reformiert würde, dass er mehr Länder umfassen würde, die der Beteiligung der Zivilgesellschaft positiv gegenüber stehen. Die ISHR setzt sich dafür ein, dass sich mehr solcher Länder zur Wahl stellen. Bei den Wahlen werden die Sitze in geografische Regionen aufgeteilt, die jedoch oft so genannte «non-competitive slates» vorschlagen, was bedeutet, dass die Wahlen unumstritten sind.

Isa vom WUC zeigt sich angesichts des Einflusses Pekings wenig optimistisch, dass eine aufgewertete Mitgliedschaft oder Stimmenzahl im ECOSOC seiner Organisation zu einer Akkreditierung verhelfen wird. «China nutzt seine wirtschaftliche und diplomatische Macht, um Druck auf afrikanische, nahöstliche und lateinamerikanische Länder auszuüben. Demokratien sind bei der UNO in der Minderheit. Die meisten Mitgliedsstaaten sind autoritäre Regierungen.»

Wie der UNO-Menschenrechtsrat funktioniert:

Editiert von Virginie Mangin. Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger.

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