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Stipendien bleiben Hoheit der Kantone

Unterstützungsbeiträge und Stipendien: Es sind weiter die Kantone, welche über deren Vergabe an Auszubildende bestimmen und nicht der Bund. Keystone

72,5% Nein-Stimmen des Volkes, kein einziges Ja eines Kantons: Am Verdikt des Urnengangs vom Sonntag gegen die Stipendieninitiative gibt es nichts zu rütteln. Rund 1'611'600 Personen lehnten das Begehren des Verbandes der Studierendenschaften ab, nur rund 610'400 legten ein Ja ein. Von den 23 Standesstimmen entfiel keine einzige auf das Volksbegehren des VSS. Die Stimmbeteiligung betrug 43,5%.

Die Initiative schnitt damit schlechter ab als in vorgängigen Umfragen. Ende Mai hätten noch 38% angegeben, Ja zu stimmen. Tendenziell fand das Anliegen in der Westschweiz mehr Unterstützung als in der Ost- und der Zentralschweiz.

Bundesrat zufrieden

Wirtschafts- und Bildungsminister Johann Schneider-Ammann wertete die Ablehnung der Stipendieninitiative als klares Bekenntnis zur aktuellen föderalistischen Praxis. Die Kantone würden die Bedürfnisse der Auszubildenden am besten kennen. Deshalb, so der Bundesrat, müssten sie auch weiter für die Vergabe von Unterstützungsbeiträgen zuständig sein. Er unterstrich, dass die von den Initianten angestrebte Harmonisierung der Beiträge mittels des entsprechenden Konkordats der Kantone umgesetzt werde.

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Am deutlichsten Nein sagte der Kanton Appenzell Innerrhoden mit fast 87% Nein-Stimmen, gefolgt von Obwalden und Nidwalden mit rund 84,7% respektive 83,9% Nein. Die höchste Zustimmung fand die Initiative in den Westschweizer Kantonen Neuenburg und Genf mit lediglich je knapp 57% Nein-Stimmen.

Damit bleibt der Föderalismus im Stipendienwesen erhalten, ebenso die Unterschiede zwischen den Kantonen: Einige Kantone richten zwar viele Stipendien aus, aber nur tiefe Beträge, andere unterstützen nur wenige Studierende, diese dafür grosszügig.

Genau diese unterschiedlichen Praktiken wollte der VSS, unterstützt von linken und grünen Kreisen, mit dem Begehren ändern. Für Studierende an Hochschulen und in der höheren Berufsbildung sollte das Stipendienwesen auf Bundesebene vereinheitlicht werden.

Den Ausschlag gegeben haben vermutlich einerseits die geschätzten Mehrkosten von rund 500 Millionen Franken pro Jahr. Auf der anderen Seite dürfte die Benachteiligung von Lernenden und Gymnasiasten, die heute die Mehrheit der Stipendien-Bezügerinnen und -Bezüger ausmachen, viele Ja-Stimmen gekostet haben. Für sie hätte der neue Verfassungsartikel nicht gegolten.

Dazu kommt, dass die Kantone in den letzten Jahren bereits einen Schritt Richtung Vereinheitlichung gemacht. 2007 nahmen sie die Arbeit an einem Konkordat auf, mit dem die Grundsätze der Vergabe und die Höhe der Stipendien teilweise vereinheitlicht werden. Die Vereinbarung ist im März 2013 in Kraft getreten. Ihr sind aber noch nicht alle Kantone beigetreten.

Studentenorganisation nicht entmutigt

Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) lässt sich angesichts des Neins zur Stipendieninitiative nicht entmutigen. Er verbucht es als Sieg, das Anliegen auf die politische Agenda gesetzt zu haben. Dass das Stipendienwesen reformiert werden müsse, werde kaum mehr bestritten, sagte Maxime Mellina vom VSS. Obwohl die Initiative abgelehnt wurde, habe der VSS auf ein ungerechtes System aufmerksam machen können.

Nun gehe es für den Verband darum, die Kantone für eine Harmonisierung des Stipendienwesens zu sensibilisieren. Besonders in ländlichen Gebieten sei dies notwendig, wo der Rückhalt der Studierendenorganisationen geringer sei.

Ziel ist es laut Mellina, dass alle Kantone dem Stipendienkonkordat beitreten, das Grundsätze für die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen festlegt. «Wir können nicht akzeptieren, dass gewisse Studierende wegen ihres Wohnorts benachteiligt werden», sagte Mellina.

Kantone erleichtert

Der Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), Christoph Eymann, zeigte sich in einer ersten Reaktion erleichtert, dass das Schweizer Stimmvolk der Stipendieninitiative eine Absage erteilt hat. Ein Ja hätte ihm zufolge grosse Auswirkungen auf die Hochschulen gehabt.

So hätten die zusätzlichen Ausgaben für Stipendien Abstriche bei den Bildungsbudgets der Kantone bedeutet, sagte Eymann. Dies hätte bei Schweizer Hochschulen möglicherweise zu Qualitätseinbussen geführt.

Aber dennoch werde die Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge weiter vorangetrieben, sagte er. Bereits 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebe in einem Kanton, der dem geplanten Stipendienkonkordat beigetreten sei. Die Gefahr, andere Kantone, deren Zusage noch aussteht, das Konkordat fallen lassen könnten, stufte Eymann als gering ein.

Tiefste Quote seit 1990

Nach neusten Daten gaben 2013 in der Schweiz die Kantone 334 Millionen Franken für Ausbildungsbeiträge aus, davon 98% für Stipendien. 53% wurden an Bezüger auf Tertiärstufe ausgegeben, die durchschnittlich 8276 Franken pro Kopf erhielten. 46% gingen an Absolventen der Sekundarstufe II mit durchschnittlich 5458 Franken pro Kopf, der Rest an Bezüger, die noch in der obligatorischen Schule sind oder eine Weiterbildung machen.

2013 erhielten in der Schweiz 7,2% der 638’135 Jugendlichen, die eine Ausbildung nach der obligatorischen Schulzeit absolvierten, ein Stipendium, die niedrigste Quote seit 1990.

(Quelle: Bundesamt für Statistik)

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