Bundesbahnen fahren ins finanzielle Fiasko
Volle Züge, Verspätungen und steigende Billett-Preise – darüber ärgern sich Passagiere in der Schweiz. Doch die wahren Probleme der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sind ihre Finanzen. Die finanzielle Schieflage ist besorgniserregend und wird von Jahr zu Jahr prekärer. Die Geschäftsleitung kann diesen Trend bislang nicht brechen.
Was die SBB an 365 Tagen im Jahr an Leistung auf die Schiene bringen, verdient Respekt. Der Fahrplan ist dicht, das Angebot wird immer besser. Parallel zu diesem Ausbau hat sich aber die Finanzsituation der SBB dramatisch verschärft.
Die Bundesbahnen haben ein ungelöstes Verschuldungsproblem und ein Sparpaket, das bei Weitem nicht reicht, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Im Einzelnen:
1. Enorme Nettoverschuldung
Auf Grund einer grossen Zahlung an ihre Pensionskasse hat sich die Verschuldung der SBB noch einmal deutlich erhöht. Massgeblich ist die sogenannte «verzinsliche Nettoschuld». Sie liegt inzwischen bei 8,8 Milliarden Franken. Das sind 50 Prozent mehr als 2007, als Andreas Meyer die Leitung der SBB übernommen hat.
«Aus betriebswirtschaftlicher Optik ist die Situation heute schon alarmierend», sagt Kurt Lanz. Er gehört seit 2012 der Geschäftsleitung des Wirtschafts-Dachverbandes Economiesuisse an und war vorher Kadermitglied bei den SBB. Diese Schuldenlast sei zu hoch. Dabei müsse das Ziel sein, diese Schulden wieder abzubauen.
Doch eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Dazu verletzen die SBB seit Jahren die vom Bund gesetzte Schuldenobergrenze, was die verzinsbaren Verbindlichkeiten betrifft.
2. «Free Cashflow» alarmierend
Eine wichtige Kennzahl ist der sogenannte «Free Cashflow». Er zeigt auf, welche Mittel einem Unternehmen frei zur Verfügung stehen. Seit 2007 – dem Amtsantritt von SBB-Chef Andreas Meyer – ist der Free Cashflow mit Ausnahme von zwei Jahren negativ bis stark negativ.
Kurz: die SBB verbrennen viel Geld. Allein im ersten Halbjahr 2016 waren es über ein halbe Milliarde Franken.
3. Schönfärberisches Sparprogramm
Mit dem unlängst angekündigten Programm «Railfit» wollen die SBB nun sparen. Verkauft werden der Öffentlichkeit Einsparungen von 1,2 Milliarden Franken bis 2020. Mit einem Stellenabbau «vorab in der Administration und der Verwaltung» sollen die Personalkosten um 470 Millionen Franken gesenkt werden.
Kurt Lanz sagt mit Blick auf die vergangenen Jahre: «Die Kosten der Verwaltung stiegen insgesamt überproportional im Vergleich zum Wirtschaftswachstum. Auch der personelle Ausbau ist überproportional zum Wirtschaftswachstum gestiegen.»
Das heisst: Unter Andreas Meyer war genau diese Verwaltung zuvor massiv ausgebaut worden – seit 2006 um 315 Prozent oder um 3400 Mitarbeitende. Im Vergleich dazu stieg der gesamte Personalbestand der SBB in diesem Zeitraum um lediglich 16 Prozent.
Von den angekündigten Einsparungen von 1,2 Milliarden sollen 900 Millionen den operativen Aufwand reduzieren – wobei davon 535 Millionen den Aufwand bzw. den mit dem Angebotsausbau verbundenen Kostenzuwachs von Bund und Kantonen dämpfen sollen. Lediglich 365 Millionen wirken sich gemäss SBB direkt auf das Betriebsergebnis aus und helfen deshalb bei der Bewältigung des Schuldenproblems.
SBB-Chef: «Anstieg der Verschuldung bewusst in Kauf genommen»
Im einem Interview mit SRF gesteht SBB-CEO Andreas Meyer ein, dass die Verschuldung unter seiner Ägide deutlich zugenommen hat. Er wehrt sich aber dagegen, dass hier etwas in eine falsche Richtung drifte.
«In den letzten Jahren haben wir 17 Milliarden Franken investiert», sagt Andreas Meyer. Vorübergehende Überschreitungen der Schuldenobergrenze seien zulässig. «Wir haben einen Anstieg dieser Verschuldung ganz bewusst in Kauf genommen.» Man befinde sich «vorübergehend in einer stark investiven Phase», vor allem wegen Bestellungen neuen Rollmaterials.
Wann sich dieser «Investitionsberg» abflachen werde, will Andreas Meyer nicht präzise festlegen. Er könne sich aber vorstellen, «dass das schon nächstes Jahr der Fall sein wird». «Wieder etwas schlanker werden», lautet die Erklärung für Meyers Sparprogramm.
Als Grund für den zuvor erfolgten Ausbau in der SBB-Verwaltung nennt der Firmenchef unter anderem die Professionalisierung, die nötig gewesen sei. Neu würden zudem die Lehrlinge dort gebucht.
Angesprochen auf seinen Lohn argumentiert er: «Ich bin aus einer anderen Funktion gekommen, habe dort mehr verdient.» Um seinen Lohn gehe es aber nicht, sondern um das Lohngefüge, und dort will er klarstellen: «Wir gehen bei niemandem an die Löhne, wir haben andere Effizienzsteigerungs-Potenziale identifiziert.» Das gilt auch für seinen Betrag. Dieser liegt bei mehr als einer Million – und damit 45 Prozent über jenem seines Vorgängers.
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