Online-Medien: Staatliche Medienförderung ist in Europa gang und gäbe
Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern hat die Schweiz nie eine direkte finanzielle Unterstützung für die Presse eingeführt. Dies könnte sich am 13. Februar ändern, wenn die Stimmberechtigten über ein Massnahmenpaket zur Unterstützung der privaten Medien abstimmen. Darunter befindet sich auch eine neue Subvention für journalistische Online-Inhalte.
Wird die Schweiz dem Beispiel vieler europäischer Länder folgen und eine direkte finanzielle Unterstützung für Online-Medien einführen? Das Volk stimmt am 13. Februar über ein Massnahmenpaket zur Förderung der MedienExterner Link ab, um die Qualität und Vielfalt der Informationen in allen Regionen zu gewährleisten.
Die Vorlage will zusätzliche 151 Millionen Franken pro Jahr (bis zu einem Total von 287 Millionen Franken) zur Verfügung stellen, um bestehende finanzielle Unterstützungen zu stärken und neue zu schaffen.
Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), zu der auch SWI swissinfo.ch gehört, wird durch die Radio- und Fernsehgebühren finanziert und ist nicht vom Medienpaket betroffen, über das am 13. Februar abgestimmt wird.
Der Staat gewährt den Regionalradios und -fernsehsendern bereits einen Anteil an den Gebühren, die von allen Schweizer Haushalten erhoben werden, und unterstützt indirekt die Zeitungen, indem er ihnen einen Rabatt auf die Postzustellung gibt sowie eine reduzierte Mehrwertsteuer bietet.
Neu an dem zur Abstimmung stehenden Paket ist die Einführung direkter Finanzhilfen für Online-Inhalte, um den digitalen Wandel der traditionellen Medien zu fördern.
«Lange Zeit waren direkte Fördermassnahmen in der Politik und in der Medienbranche ein «No Go», weil eine stärkere staatliche Einflussnahme befürchtet wurde», sagt Manuel PuppisExterner Link, ordentlicher Professor für Medienstrukturen und Governance an der Universität Freiburg.
«Dafür gibt es aber wenig Anlass. Erst als die finanzielle Krise der Medien durch die Digitalisierung verschärft wurde und es zu immer mehr Sparmassnahmen und Zusammenlegungen kam, setzte sich die Erkenntnis durch, dass direkte Förderung vielleicht doch eine Möglichkeit ist, um die Medienvielfalt in der Schweiz zu erhalten.»
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Abstimmung: Neue Medienförderung mit mehr Geld und Direktzahlungen
Der Entwurf sieht vor, jährlich 30 Millionen Franken aus dem Bundeshaushalt für Online-Medien bereitzustellen, wenn diese bestimmte Bedingungen erfüllen: Sie müssen unter anderem teilweise durch die Leserschaft finanziert werden, sich an ein Schweizer Publikum richten, ihren Inhalt ständig aktualisieren und ihn klar von Werbung trennen.
Medien in ganz Europa angeschlagen
Während die direkte Förderung von Online-Medien in der Schweiz ein neuer Mechanismus ist, gibt es diesen bereits in vielen europäischen Ländern. Die skandinavischen Staaten, Italien, Liechtenstein und Luxemburg kennen seit Jahrzehnten eine direkte Presseförderung und hätten diese einfach auf Internetangebote ausgeweitet, sagt Puppis. «Von Transportsubventionen für die Post können Onlinemedien aber nicht profitieren, weshalb es direkte Massnahmen braucht, wenn auch Onlinepublikation unterstützt werden sollen.»
Die Medien stecken auch in anderen europäischen Ländern in Schwierigkeiten, und die Covid-19-Pandemie hat die Situation noch verschlimmert, da den Unternehmen viele Werbeeinnahmen entgangen sind.
Der Media Pluralism MonitorExterner Link (MPM) für Europa zeigt, dass bei 69% der Medien ein Risiko in Bezug auf ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit besteht, wobei diese Zahl bei Lokalmedien auf 82% und bei Zeitungen sogar auf 89% steigt.
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«Informationen sind ein Gut, das Gefahr läuft, vom Markt nicht in ausreichender Menge produziert zu werden», sagt Roberta CarliniExterner Link, Forscherin am Europäischen Zentrum für Medienpluralismus und Medienfreiheit. «In diesem Fall ist ein staatliches Eingreifen gerechtfertigt und meiner Meinung nach zumindest kurzfristig unerlässlich, um den Übergang zu einem neuen, wirtschaftlich tragfähigen Modell zu erleichtern.»
Unterstützung nötig?
Das Referendum gegen das Medienpaket wurde von Rechtskonservativen, Unternehmen und Verlagen eingereicht. Sie sind gegen weitere Subventionen in diesem Bereich. Aber können Redaktionen wirklich ohne Subventionen auskommen?
«Wenn wir uns einig sind, dass Journalismus wichtig ist für unsere direkte Demokratie, und dass eine rein marktliche Finanzierung angesichts der Digitalisierung in der kleinräumigen Schweiz unwahrscheinlich ist, dann führt an Medienförderung kein Weg vorbei», sagt Puppis.
«Neben Publikums- und Werbeeinnahmen ist eine Unterstützung mit öffentlichen Geldern eine notwendige dritte Einnahmenquelle für den Journalismus», sagt er.
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Denis Masmejan, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (ROG) Schweiz, erinnert daran, dass die Informationsfreiheit diversifizierte und wirtschaftlich starke Medien voraussetzt.
Er ist der Meinung, dass die Abstimmungsvorlage besonders die Lokalredaktionen stärken werde, die in den letzten Jahren stark gelitten haben: «Eine staatliche Unterstützung ist im aktuellen Schweizer Kontext eine der Voraussetzungen, damit die Medien weiterhin ihre Rolle in der demokratischen Debatte spielen können.»
Angst um die Unabhängigkeit der Medien
Die Beteiligung des Staats ist jedoch nicht ohne Gefahren. «Das Hauptproblem ist die Gefahr der politischen Einflussnahme», warnt Carlini. Dies könne durch die Einführung bestimmter Grundsätze bei der Gestaltung der staatlichen Unterstützung vermieden werden: «Die Zuschüsse müssen transparent sein, auf der Grundlage klarer Regeln und objektiver Kriterien vergeben werden und dürfen nicht von willkürlichen Entscheiden der Regierung abhängen», so die Forscherin.
«Das sind Regeln, die bei der Vergabe von indirekten Subventionen wie Steuerabzügen leichter zu befolgen, aber auch bei direkten Subventionen anwendbar sind, wenn sie gut konzipiert sind und von einer unabhängigen Stelle verwaltet werden.» Die Vorlage, über die am 13. Februar abgestimmt wird, sieht vor, dass der Bund die Subventionen direkt an die Online-Medien auszahlt.
Das Referendumskomitee befürchtet, dass die staatliche Unterstützung die Unabhängigkeit der Redaktionen schmälert und sie daran hindert, ihre Rolle als vierte Gewalt im Staat wahrzunehmen, sich kritisch mit den Behörden auseinanderzusetzen.
«Die skandinavischen Länder, die schon lange eine direkte Presse- und Onlineförderung kennen, rangieren auf allen Erhebungen zur Medienfreiheit auf den vordersten Plätzen», entgegnet Puppis. Das in der Schweiz vorgeschlagene Modell funktioniert ähnlich: Es gibt keine Leistungsaufträge für Onlinemedien und keine Evaluation der Berichterstattung. «Damit besteht kein Hebel, um Medien mit staatskritischer Berichterstattung abzustrafen. Im Gegenteil: Die vorgeschlagene Medienförderung hat zum Ziel, durch eine finanzielle Unterstützung eine freie und vielfältige Medienlandschaft zu gewährleisten.»
ROG teilt diese Meinung. Die Organisation veröffentlicht jedes Jahr eine weltweite Rangliste der Pressefreiheit. «Die im Gesetz festgelegten Modalitäten für die Verteilung dieser Direkthilfe verhindern unserer Meinung nach jegliche Einmischung der öffentlichen Hand in die redaktionelle Unabhängigkeit der unterstützten Medien», sagt Generalsekretär Masmejan.
Auf der Suche nach neuen Modellen
Doch die staatliche Unterstützung wird nicht ausreichen. Die Medien werden sich neu erfinden und neue Funktionsweisen finden müssen. Denn staatliche Interventionen würden auch ein weiteres Risiko bergen, sagt Carlini, «nämlich die Unterstützung von ‹Zombie-Industrien›, also von Geschäftsmodellen, die aufgrund technologischer Innovationen und veränderter Marktbedingungen nicht mehr tragfähig sind und zu Verzerrungen führen».
In der Schweiz und in Europa haben mehrere Medien erfolgreich andere Modelle getestet, die auf einer stärkeren Beteiligung der Leserschaft, einer partizipativen Finanzierung oder der Unterstützung durch private Stiftungen beruhen.
«Die Frage, mit welchem Wirtschaftsmodell die für die Schweiz charakteristische Medienvielfalt im digitalen Wandel aufrechterhalten werden kann, ist nicht geklärt», sagt Masmejan. «Das Engagement grosser Stiftungen ist ein äusserst interessanter Ansatz.»
Doch Philanthropie berge ebenfalls die Gefahr, die Unabhängigkeit der Redaktionen zu beeinträchtigen, warnt Carlini. Für die Forscherin ist klar: Die Zukunft des Journalismus ist online.
«Wir müssen jedoch genauer definieren, was das bedeutet: Für viele traditionelle Medien bedeutete die Umstellung auf digitale Medien eine Anpassung der Sprache, der Instrumente und der redaktionellen Themen, um ein Publikum anzuziehen und Klicks zu generieren. Dies hat sich als der falsche Weg erwiesen, um ‹online zu gehen›, weil man das Niveau senkte, ohne auf dem Werbemarkt ausreichend wettbewerbsfähig zu sein.»
Für Carlini besteht die Herausforderung des Sektors nun darin, die durch technologische Innovation und Digitalisierung gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, um die Produktions- und Vertriebskosten zu senken, die Leserschaft zu vergrössern, neue Organisationsmodelle einzuführen, investigativen Journalismus zu fördern und den Zugang zu Informationen zu verbessern.
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