Schweizer Wahlen 2019 sind schon heute ein Rekordjahrgang
Noch nie haben so viele Personen für die Schweizer Parlamentswahlen kandidiert wie 2019. Und noch nie waren mehr Frauen darunter wie für die Wahl vom 20. Oktober. Auch bemerkenswert: Ein Drittel der Kandidierenden ist jünger als 30 Jahre.
Am 20. Oktober kandidieren 4596 Schweizerinnen und Schweizer für einen der 200 Sitze in der Grossen Kammer des Parlaments, dem Nationalrat. Das sind so viele wie noch nie zuvor in der Geschichte der Schweiz.
Während die Zahl der Kandidierenden in den 1990er-Jahren noch knapp unter 3000 lag, waren es 2007 erstmals mehr als 3000.
Der Sprung auf weit über 4000 Köpfe ist enorm. Wieso gehen 2019 so viele ins Rennen um einen Parlamentssitz unter der Bundeshauskuppel? In einigen Kantonen wurde das Reglement für die Einreichung der Listen angepasst, sagt Cloé Jans, Politikwissenschaftlerin bei der Gesellschaft für Sozialforschung, dem Forschungsinstitut gfs.bernExterner Link.
Früher musste man mancherorts eine bestimmte Anzahl Unterschriften haben, um eine Liste überhaupt einreichen zu können. Heute sei das nicht mehr der Fall. Es ist also einfacher geworden, zu kandidieren.
Jans sieht noch einen weiteren Auslöser: «Es gibt Parteien, die bewusst auf die Strategie setzen, möglichst viele Listen einzureichen». Die Idee sei, dass Freunde und Verwandte jene Listen mit bekannten Namen wählen. Diese Strategie verfolge zum Beispiel die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).
Obwohl sich dieses Vorgehen in Prozentpunkten wohl wenig auswirken werde, ermögliche es dem politischen Nachwuchs, Erfahrung zu sammeln.
Viele Kandidatinnen, aber Unterschied bleibt gross
Ein Blick in die Liste der Kandidatinnen und Kandidaten zeigt: Seit 1971, als die Schweiz endlich das Frauenwahlrecht auf nationaler Ebene einführte, gab es nie so viele weibliche Kandidierende. Im Vergleich zur vergangenen Wahl 2015 ist der Frauenanteil um volle sechs Prozentpunkte angestiegen – von 34,5% auf 40,4% Frauen.
In politischen Positionen sind Frauen in der Schweiz noch immer deutlich schlechter vertreten als Männer. Der Frauenanteil liegt in den Kantonsparlamenten bei knapp 30%. Im Nationalrat sind es zurzeit 32% Frauen.
Den höchsten Frauenanteil unter den Kandidierenden haben 2019 die Grünen: 56% ihrer Interessenten auf einen Sitz im Nationalrat sind weiblich. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) dagegen tritt anteilsmässig mit den wenigsten Frauen an, nämlich nur mit 22%.
Mehr Frauen – dass dies nur ein konjunkturelles Phänomen sei, bezweifelt Jans. Der Frauenstreik vom 14. Juni 2019 habe natürlich dazu geführt, dass die Parteien sich mit der Frage der Frauenförderung beschäftigt haben. Trotzdem glaubt Jans, dass dieser Trend weitergehen wird, weil es nicht mehr zu einer modernen Schweiz passe, wenn nur so wenige Frauen im Parlament sitzen.
Ein Drittel unter 30 Jahre
Auch auf andere demografische Merkmale hin hat das Feld sich leicht verändert. Im Vergleich zu den Kandidierenden der endenden Legislatur sind die aktuell Kandidierenden insgesamt etwas älter: 2015 waren die Kandidierenden im Schnitt 40,8 Jahre alt, 2019 sind sie 41,3 Jahre.
Seit den 1990er-Jahren aber ist das Durchschnittsalter der Kandidierenden stetig gesunken. Der Rückgang um rund fünf Jahre zwischen 1971 und 2015 war jedoch relativ gering, wie eine Studie des Bundesamts für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2015 zeigt.
Bemerkenswert ist jedoch, dass seit 2003 die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen die grösste geworden ist. Auch 2019 sind 32% der Kandidierenden unter 30 Jahre alt. Bei den Grünen finden sich nicht nur die meisten Frauen, sondern auch die meisten Jungen auf den Listen: 43,6% der Kandidierenden gehören zur Gruppe der U30.
Auch schon 2011 und 2015 kandidierte insgesamt ein Drittel junge Politikerinnen und Politiker. In Bundesbern macht sich ebenfalls eine Verjüngung bemerkbar: Die Anzahl National- und Ständeräte, die mit unter 30 Jahren in Bern beginnen, nimmt seit dem Jahr 2000 stetig zu.
Trend der Junglisten setzt sich fort
«Der Rückgang des Durchschnittsalters der Kandidaten in den letzten Jahrzehnten ist zweifellos auf die Zunahme der Jugendlisten zurückzuführen», sagt Madeleine Schneider, Leiterin der Sektion Politik, Kultur und Medien des BFSExterner Link. «Einzelne sehr junge Kandidierende wurden so auch wirklich gewählt, was in den Siebzigerjahren kaum der Fall war», sagt Schneider.
Etwa zwei Drittel der U30-Politikerinnen und -Politiker stehen in diesem Jahr auf den Jugendlisten der Parteien, und nur ein kleiner Teil ist auf den Hauptlisten zu finden.
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