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Parteienfinanzierung bleibt weiterhin im Dunst

Plakate - ein beliebtes Mittel im Wahlkampf. Keystone

Die Wähler hätten das Recht, zu wissen, wer den Wahlkampf finanziere, argumentieren Sozialdemokraten und Grüne und fordern seit Jahren mehr Transparenz bei der Parteien-Finanzierung, ohne Erfolg. Das werde auch so bleiben, sagt ein Politologe.

Die finanziellen Mittel der Parteien unterscheiden sich stark voneinander. Laut einer, von keiner Partei widersprochenen Analyse, die das Westschweizer Magazin L’Hebdo im Frühjahr 2011 veröffentlicht hat, gab die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei in den Jahren 2007 bis 2010 rund 35 Millionen Franken für Werbung (Inserate, Plakate) aus. Dem Freisinn standen in derselben Periode 19 Millionen, den Sozialdemokraten 9 und den Christdemokraten 8 Millionen zur Verfügung. Die Grünen hatten ein Budget von lediglich 2 Millionen.

Die Offenlegung der grossen Donatoren (Privatpersonen, Interessenverbände, Firmen) der Parteien ist seit Jahrzehnten ein Anliegen der Sozialdemokraten. Ihre entsprechenden Vorstösse im Parlament wurden von der bürgerlichen Mehrheit allesamt abgelehnt.

Deshalb tauchen regelmässig Ideen auf, dem Anliegen mittels einer Volksinitiative zum Durchbruch zu verhelfen. «Grundsätzlich ist für uns die Transparenz ein zentrales Anliegen», sagt Thomas Christen, der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) gegenüber swissinfo.ch: «Wenn es ein Initiativkomitee gibt, dann werden wir diese Initiative unterstützen. Dass wir selber eine Initiative lancieren, steht für uns nicht im Zentrum.»

Offen lässt Christen die Frage, ob es noch vor den Parlamentswahlen im Herbst zur Lancierung einer Volksinitiative für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung kommen wird oder nicht. Die Zurückhaltung der SP hat damit zu tun, dass die Kapazitäten der Partei zurzeit mit vier andern Volksinitiativen bereits ausgelastet sind.

Möglichkeiten der Umgehung

«Wenn man immer wieder die Moralkeule schwingt und sagt, ‹wir wollen diese Transparenz›, kann man als Partei vorübergehend einiges erreichen», sagt der Politologe Mark Balsiger im Gespräch mit swissinfo.ch: «So bringt man das Thema auf die politische Agenda und ins Bewusstsein einer breiten Bevölkerung.»

Langfristig werde sich jedoch kaum was ändern: «Es gibt genügend Umwege, um die Finanzierung der Parteien oder den Wahlkampf von einzelnen Kandidaten zu unterstützen.»

Abstimmungs- und Wahlkämpfe werden effektiv nicht allein von den Parteien bestritten. Unterstützungskomitees für Kandidatinnen und Kandidaten oder für ein Ja oder ein Nein bei Sachvorlagen sind genauso wichtige Akteure im Kampf um Wähler und Stimmen.

Blocher stört Glaubwürdigkeit nicht

Zudem – so Balsiger – stimme die Aussage nicht, dass man mit Geld allein Abstimmungen oder Wahlen gewinnen könne. «Geld ist lediglich einer von rund 20 verschiedenen Faktoren. Ganz zentral für eine Partei sind ihr Image, die Medienpräsenz, glaubwürdige Schlüsselfiguren und das konsequente Bewirtschaften jener Themen, die dem Volk unter den Nägeln brennen.»

Die erfolgreichste Partei der vergangenen 20 Jahre ist die Schweizerische Volkspartei (SVP, also jene Partei, die wahrscheinlich auch am meisten Geld in Abstimmungs- und Wahlkämpfe steckt. Dennoch hat sie weniger mit dem Image zu kämpfen, sie sei Befehlsempfänger der Banken oder der Industrie, als die beiden andern grossen bürgerlichen Parteien, die Freisinnigen (FDP.Die Liberalen) und die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP).

Selbst die Tatsache, dass der SVP-Übervater und Multimillionär Christoph Blocher als einer der Hauptsponsoren der Partei gilt, stösst bei einer breiten Öffentlichkeit kaum auf Kritik. «Gerade Leute mit einem bescheidenen Lohn, die gegen Abzocker und Grossverdiener wettern, nehmen Blocher als einen von ihnen wahr. Ich habe das Gefühl, dass das mit seinem Auftreten und mit seiner Rhetorik zu tun hat, also damit, dass die Leute ihn verstehen. Man stellt ihn nicht in die  Ecke des x-fachen Millionärs, der er seit Jahrzehnten ist.»

Torpedierte Weissgeldstrategie

Auf der FDP und der CVP lastet in der öffentlichen Wahrnehmung hingegen zuweilen der Verdacht, die Parteien stünden zu stark unter dem Einfluss der Wirtschaft. Vor einem Jahr versuchte eine Gruppe von FDP-Nationalräten, die Partei auf eine Weissgeld-Strategie zu trimmen. Damit sollte erreicht werden, dass die Banken unversteuertes Geld von ausländischen Kunden konsequent abweisen müssten. Das Ansinnen sorgte ein paar Wochen für Schlagzeilen, bis es die FDP-Delegiertenversammlung torpedierte.

Das Resultat des gescheiterten Versuchs, sich definitiv für eine Weissgeld-Strategie einzusetzen, sei, dass der FDP «immer noch die vermutete oder die echte Nähe zu den Grossbanken» anhafte, sagt Balsiger. «Das ist wie ein Klotz am Bein der Partei.»

Die Kehrtwende der CVP

Die CVP kam verschiedentlich in den Verdacht, sie habe wegen ihrer Nähe zur Wirtschaft ihre Positionen in Sachfragen geändert. Balsiger nennt als Beispiel die Haltung der CVP-Parlamentarier in der Frage der Parallel-Importe von pharmazeutischen Produkten.

Ursprünglich sei die Partei dafür eingetreten, Parallel-Importe zuzulassen, aber «nachdem der Forschungsplatz Basel massiv Druck aufgebaut hatte, vollzog die CVP-Fraktion eine Wende um 180 Grad. Da ging es sicher auch um Geld, das die Pharma-Industrie der Partei zukommen lässt. Konkret wurde eine Zahl zwischen 170’000 und 180’000 Franken pro Jahr genannt».

Tabu Geld

Obschon die fehlende Transparenz bei der  Finanzierung den Parteien auch schaden kann, sind die bürgerlichen Parteien geschlossen gegen eine Offenlegung der Spender und Donatoren. Balsiger sieht den Grund dafür vor allem in der  Tradition, den Geldgeber nicht transparent zu machen. Dazu komme, dass ganz allgemein «in der Schweiz das Thema Geld grundsätzlich Tabu ist».

Im Mai haben Experten des Europarates die Parteienfinanzierung in der Schweiz unter die Lupe genommen.

Ende 2011 wollen sie einen Bericht veröffentlichen. Allenfalls wird der Bund dann Massnahmen treffen müssen.

Näheres zur Arbeit der Europaratskommission «Groupe d’Etats contre la Corruption» (Greco) wurde nicht bekannt. «Das Programm ist vertraulich», erklärte Folco Galli, Sprecher des Bundesamtes für Justiz.

Die Greco überprüft die Bekämpfung von Korruption in den Mitgliedstaaten. Im letzten Bericht vom Juni 2010 bescheinigte die Greco der Schweiz, praktisch alle Empfehlungen zufriedenstellend umgesetzt zu haben.

Die meisten Mitgliedsländer des Europarats verfügen über Regelungen der Parteienfinanzierung. In der Schweiz sind bisher alle von linker Seite erfolgten Bemühungen für ein Gesetz gescheitert.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga will bei der Parteienfinanzierung mehr Transparenz schaffen. Im Februar hatte sie beim Bundesamt für Justiz ein Gutachten bestellt, das zeigen soll, wie andere Länder dies handhaben.

In der Schweiz müssen Parteispenden derzeit einzig in den Kantonen Genf und Tessin offengelegt werden. Das Schweizer System leiste dem Missbrauch von Parteigeldern und der Korruption Vorschub, kritisierte die Organisation Transparency International.

Auch die Autoren des Ende Januar veröffentlichten Demokratiebarometers bemängelten das Fehlen einer transparenten Parteienfinanzierung. Schliesslich hat auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) der Schweiz mehr Transparenz empfohlen.

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