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Parteienfinanzierung immer noch ein Schwachpunkt

Wer hat für diese Plakate bezahlt? Niemand weiss es. Ex-press

Die Anti-Korruptionskommission des Europarats (Greco) kritisiert die Schweiz in einem Bericht wegen fehlender Transparenz bei der Parteienfinanzierung. Zudem würden nur wenige Personen wegen Korruption verurteilt, wegen Privatbestechung noch niemand.

Die Schweiz geniesst international das Image eines Landes mit guter Regierungsführung und einer fairen Demokratie.

Trotzdem ist die Schweiz eines der wenigen westlichen Länder, in denen Politiker und politische Parteien nicht deklarieren müssen, aus welchen Quellen ihre Spendengelder stammen.

Die Öffentlichkeit zeigte sich in den letzten Jahren immer besorgter über diese Tatsache. Das Thema wurde im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen von diesem Herbst in diversen Medien thematisiert.

Mit jeder Wahlkampagne nimmt der Umfang der Parteispenden zu. Und damit auch die Debatte, wie viel Einfluss Unternehmen und reiche Privatpersonen auf den demokratischen Prozess in der Schweiz ausüben.

Rechenschaftspflicht nötig

Politisch linke Parteien haben sich seit Jahren darum bemüht, das System zu ändern, doch ihre Ängste wurden vom Parlament immer wieder vereitelt. Das Thema hat es bisher noch nie bis an die Urne geschafft.

Internationale Organisationen wie Transparency International, Democracy Barometer und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben ebenfalls die fehlende Transparenz als eine Schwäche des schweizerischen Systems bezeichnet.

Letzte Woche hat die einflussreiche Gruppe Greco das Schweizer Politsystem kritisiert. Ihr Bericht hätte eigentlich bereits im Oktober herauskommen sollen, nur zwei Tage vor den Eidgenössischen Parlamentswahlen. Doch die Landesregierung erlaubte die Publikation erst letzten Freitag.

«Die gegenwärtige Situation würde die Einführung von Regelungen betreffend Transparenz und einer angemessenen Übersicht über die Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkampagnen verlangen. Dies losgelöst von einem etwaigen Entscheid über irgendeine Form von öffentlicher Finanzierung», heisst es im Greco-Bericht.

«Politische Parteien und Kandidaten bei Wahlen müssen offene und detaillierte Rechnungen bereithalten, zusammen mit Informationen über Spenden, die eine gewisse Grösse überschreiten, um diese einer unabhängigen Stelle zu präsentieren», fordert der Bericht.

Auch das System der Volksinitiativen, bei dem Bürgerinnen und Bürger neue Gesetze vorschlagen und über diese abstimmen können, müsse genauer untersucht werden, angesichts der Geldbeträge, die für Kampagnen zu verschiedensten Themen ausgegeben würden, schreiben die Spezialisten.

Weiter empfiehlt die Organisation die Einsetzung einer unabhängigen Stelle, um die Konten der politischen Parteien zu überprüfen. Die Empfehlungen der Anti-Korruptionskommission sind auf nationale und kantonale Wahlen gemünzt.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Widersprüchlich

Bereits im August hatte Transparency International (TI) ihre Haltung gegenüber der undurchsichtigen Parteienfinanzierung der Schweiz wiederholt. Die Überwachungs-Organisation argumentierte, die fehlende Transparenz stehe in Widerspruch mit der Tatsache, dass die Schweiz zahlreiche Standards gegen die Korruption unterzeichnet habe und seit 2006 Greco-Mitglied sei.

«Um ihre Bürgerpflichten wahrnehmen zu können, müssen Stimmberechtigte wissen, woher das Geld kommt und wer die Parteien und wichtigen Organisationen in der Schweiz finanziert», heisst es in einem Positionspapier von TI.

TI begrüsste den Greco-Bericht, verlangte aber zusätzlich auch eine Obergrenze für Spenden und Ausgaben von Parteien, Kampagnen und Kandidaten.

Als Antwort auf die Kritik hat Justizministerin Simonetta Sommaruga kürzlich eine Evaluation der Frage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen nächstes Jahr vom Parlament debattiert werden, und Greco soll 2013 einen Bericht erhalten.

«Wir wollen die Art und Weise der Spenden der letzten Wahlen und jener von vorherigen Jahren untersuchen», sagte Sommaruga kürzlich am Schweizer Fernsehen.

Ungestraft

Schliesslich äusserte der Greco-Bericht auch Bedenken über die relativ tiefe Zahl von Verurteilungen durch Schweizer Gerichte wegen Bestechung. Seit 2005 kam es laut Greco jährlich im Durchschnitt zu 15 Verurteilungen. Dieses Jahr wurden bis jetzt 37 Untersuchungen wegen Bestechung eröffnet.

«Wenn man die wirtschaftliche und finanzielle Bedeutung bedenkt und die grosse Anzahl von multinationalen Konzernen, die hier ihre Hauptquartiere haben, scheint die Schweiz den Risiken von Bestechung im Privatsektor und von ausländischen Behördenvertretern besonders ausgeliefert zu sein», so der Greco-Report.

Besonders die Tatsache, dass in der Schweiz bisher noch kein einziges Urteil wegen Bestechung im Privatsektor ausgesprochen wurde, stösst Greco sauer auf.

Ein Teil des Problems ist, dass eine Untersuchung gegen ein privates Unternehmen nicht eröffnet werden kann, wenn nicht zuvor eine Beschwerde an die Behörden eingereicht worden ist. Zudem verfolgt die Schweizer Justiz Firmenbestechung im Ausland nicht, wenn dies im entsprechenden Land nicht als illegale Tätigkeit gilt.

Die Schweiz ist eines von wenigen Ländern in Europa, die keine verbindliche Gesetzgebung betreffend Parteienfinanzierung kennen.

Auf kantonaler Ebene haben Genf und Tessin entsprechende Regeln eingeführt.

Die Nichtregierungs-Organisation Transparency International hat das Schweizer System kritisiert, weil es der Korruption und dem Missbrauch von Parteigeldern Vorschub leiste.

Mehr Transparenz fordern auch die internationale Forschungsgruppe Democracy Barometer und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Die Marktforschungsgruppe Media Research hat eine Untersuchung zu den Parteispenden im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen im Herbst durchgeführt.

Gemäss dieser Untersuchung gab die Schweizerische Volkspartei (SVP) 7,1 Mio. Fr. für Werbung in der gesamten Schweiz aus.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) liess sich den Wahlkampf 4,5 Mio. Fr. kosten, die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) 3 Mio., die Sozialdemokratische Partei (SP) 1,6 Mio. und die Grüne Partei 388’000 Fr.

Ein Bericht des Westschweizer Wochenmagazins L’Hebdo schätzte früher in diesem Jahr, dass die SVP zwischen 2007 und 2010 rund 35 Mio. Fr. in Werbung und Plakate gesteckt hat.

Laut L’Hebdo gaben die FDP.Die Liberalen im gleichen Zeitraum 19 Mio. aus, die SP 9 Mio., die CVP 8 Mio. und die Grünen 2 Mio.

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