Kleiner Schritt Richtung Transparenz in der Schweizer Politik
Es kommt ein wenig Licht ins Dunkel der Finanzierung von politischen Parteien in der Schweiz. Der Ständerat will Regeln erlassen, aber diese sollen nicht zu streng ausfallen. Das sei nicht genug, kritisiert Transparency International Schweiz.
Auch wenn sich die Schweiz oft ihrer direkten Demokratie rühmt, bleibt die Finanzierung der Parteien im Land die undurchsichtigste in Europa. Unter den 47 Mitgliedstaaten des Europarats ist die Schweiz das einzige Land, das keine entsprechende Gesetzgebung kennt. Die Staatengruppe des Europarats gegen KorruptionExterner Link (Greco) hat bereits wiederholt auf diesen Mangel hingewiesen.
Trotzdem hat sich der Ständerat (kleine Parlamentskammer) nur sehr vorsichtig auf den Weg zu mehr Transparenz begeben. Am Montag lehnte er die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)»Externer Link mit 32 zu 12 Stimmen ab.
Die Initiative wurde von der Linken und kleineren Mitteparteien eingereicht. Der Initiativtext zielt speziell darauf ab, die politischen Parteien zu verpflichten, den Betrag und die Herkunft von Spenden von mehr als 10’000 Franken sowie Wahlkampfkosten für Wahlen und Volksabstimmungen zu veröffentlichen, falls diese 100’000 Franken überschreiten. Nur die Linke und die Grünen setzten sich für die Initiative ein.
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25’000-Franken-Schwelle
Wie die Landesregierung (Bundesrat) hat auch eine Mehrheit des Ständerats einen Handlungsbedarf anerkannt, war aber der Meinung, dass die Initiative zu weit gehe. Deshalb nahm die kleine Kammer mit 29 zu 13 Stimmen bei zwei Enthaltungen einen indirekten GegenvorschlagExterner Link an.
Dieser von der Staatspolitischen Kommission (SPK) des Ständerats ausgearbeitete Entwurf sieht mildere Untergrenzen vor. Die der Transparenz unterliegenden Beträge sollen auf 25’000 Franken pro Jahr für Spenden und 250’000 Franken für Kampagnen festgelegt werden.
Der Ständerat schwächte den Vorschlag seiner Kommission aber noch weiter ab. So sollen etwa Beiträge für die Sammlung von Unterschriften für Volksinitiative und Referenden nicht gemeldet werden müssen. In einem Punkt allerdings ging die kleine Kammer sogar noch über die Forderungen der Initiative hinaus: Sie will Spenden aus dem Ausland gänzlich verbieten, unabhängig von deren Höhe.
Vorsätzliches Verschweigen soll mit einer Geldstrafe von 40’000 Franken geahndet werden können, für Fahrlässigkeit sollen aber keine Geldstrafen verhängt werden.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) waren der Ansicht, dass der Text des Gegenvorschlags wenig zur Verbesserung der Transparenz beitrage. Sie versuchten aber vergeblich, das ganze Projekt zu stoppen.
«Der Mangel an Informationen über die Finanzierung des politischen Lebens schadet dem Ruf, aber auch der Qualität der schweizerischen direkten Demokratie.» Alex Bicaro
«Zu viele Mängel»
An der Initiative mitgearbeitet hat die Schweizer Sektion von Transparency International. Für diese geht die vom Ständerat verabschiedete Version viel zu wenig weit. «Die Mängel des Gegenvorschlags machen das Gesetz de facto inexistent», sagt der stellvertretende Direktor Alex Biscaro.
Die Schwelle von 25’000 Franken für Spendentransparenz sei zu hoch. So würde ein Grossteil der Spenden gar nicht bekannt werden. «In den europäischen Ländern liegt dieser Betrag im Durchschnitt bei 3500 Euro. Das ist ein viel anspruchsvolleres Ziel als die bescheidenen 10’000 Franken, die von der Initiative gefordert wurden.»
Nach Ansicht von Transparency International Schweiz sieht der Gegenvorschlag auch keinen wirksamen Kontrollmechanismus vor, um die Einhaltung der Standards zu gewährleisten. Die NGO bedauert auch, dass die vorgesehenen Transparenzregeln nur für die Wahlen in den Nationalrat gelten sollen und für Mitglieder des Ständerats keine Offenlegungspflichten vorgesehen sind.
Qualität der direkten Demokratie gefährdet?
In der Schweiz verfügen fünf Kantone bereits über eigene Transparenzregeln: Schwyz, Genf, Neuenburg, Freiburg und Tessin. Doch Biscaro ist der Ansicht, dass Massnahmen auf nationaler Ebene ergriffen werden müssten. «Der Mangel an Informationen über die Finanzierung des politischen Lebens schadet dem Ruf, aber auch der Qualität der schweizerischen direkten Demokratie.»
Bevor sie an die Urne kommen, müssen die Volksinitiative und der indirekte Gegenvorschlag noch im Nationalrat beraten werden.
Nichtkonformitäts-Verfahren gegen Schweiz beendet
Die Greco (Staatengruppe des Europarats gegen die Korruption) hat ein Nichtkonformitäts-Verfahren gegen die Schweiz beendet. Die aktuellen Bemühungen der Schweiz hinsichtlich Transparenz in der Parteienfinanzierung, namentlich der Gegenvorschlag, würden in die richtige Richtung gehen, hiess es.
Gemäss dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) muss die Schweiz der Greco nun bis Ende 2020 über den Fortschritt ihrer Bemühungen berichten. Gestützt darauf werde diese einen weiteren Konformitätsbericht verabschieden.
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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