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Regelverstösse sind Teil der politischen Werbung

Das Poster von Sheik Fareed gegen die Durchsetzungs-Initiative sagt "Nein zu einer Zweiklassen-Justiz!". Darunter die Jahrzahlen "1933: Deutschland, 1948: Südafrika, 2016: Schweiz". Keystone

Der Werber Parvez Sheik Fareed hat jüngst ein Motiv entworfen, dass so kontrovers war, dass die Schweizerischen Bundesbahnen das Plakat von ihren Werbebildschirmen verbannten: Ein zum Hakenkreuz umfunktioniertes Schweizer Kreuz, mit dem gegen die Durchsetzungs-Initiative geworben wurde. Der Werber bedauert nichts und denkt, dass der politischen Werbung keine Grenzen gesetzt werden sollten.

Nicht nur mit seiner Arbeit, auch als Person fällt Parvez Sheik Fareed auf, wo immer er auch hingeht: Mit einer runden Brille mit dickem, schwarzem Rand, gepflegtem Schnurbart und seiner Garderobe hebt er sich von der Menge ab. Seine Eltern kommen aus Grossbritannien und der Schweiz, aufgewachsen ist er in der Schweiz.

Im Gespräch mit swissinfo.ch äussert er sich auch dazu, warum politische Werber seiner Ansicht nach mehr Risiken eingehen sollten, und weshalb Geld nicht der einzige Faktor für erfolgreiche Kampagnen ist.

swissinfo.ch: Sollte es im Interesse einer gesunden Demokratie Regeln dafür geben, was in der politischen Werbung erlaubt ist und was nicht – wie Lügen oder das Übertreiben von Statistiken?

Parvez Sheik Fareed: Ich denke, man darf zu Interpretationen greifen, ich glaube nicht, dass dies ein Problem ist. So sah ich zum Beispiel ein Inserat der [nationalkonservativen] Schweizerischen Volkspartei (SVP), das eine lineare Entwicklung der Anzahl von Ausländern zeigt, die in die Schweiz kommen. Das darf man sagen, es ist keine Lüge – es ist ein Blick in die Zukunft, der zeigt, wie die Dinge aussehen könnten. Vielleicht wird die Entwicklung linear erfolgen, vielleicht auch nicht, ich weiss es nicht. Wenn jemand das aber so sagen will, sollte man es tun dürfen.

Der Werber Parvez Sheik Fareed zeigt sich gerne exzentrisch. swissinfo.ch

Ich denke nicht, dass Werbung allein die Macht hat, die Meinung von Menschen in dem Mass zu formen, dass die Leute zu Robotern werden, die einfach nur noch in eine Richtung gehen. Auch andere Dinge spielen eine Rolle – Medien, Gespräche mit Freunden, persönliche Erfahrungen. All dies sollte nicht unterschätzt werden.

Falls es Regeln gäbe, wer würde überprüfen, ob sie auch eingehalten werden? Ich denke, die öffentliche Debatte würde dies ohnehin regeln. Lügt jemand, muss ich einfacher schlauer sein, muss weiter denken als sie, statt mich darüber zu ärgern, dass sie sich nicht an die Regeln halten. Ich glaube nicht, dass mehr Regeln oder Schranken positive Wirkungen haben würden.

Man sollte immer alles im Leben in Frage stellen. Würde ich einen Werbeauftrag für eine politische Partei oder Kampagne erhalten, würde ich mir darüber Gedanken machen, wie wir besser sein können als alle anderen, und wie man uns für die richtigen Dinge wahrnehmen wird.

swissinfo.ch: Entwickeln Sie Projekte oder nehmen Aufträge an, bei denen Sie nicht voll hinter der Sache stehen?

P.S.F.: Wenn man die Anfrage zur Gestaltung einer [kommerziellen] Werbung erhält, sollte man nicht fragen, ob das Produkt dahinter gut oder schlecht ist. Die Aufgabe ist es bessere Werbung zu machen und die Werbung der Konkurrenz zu schlagen. Funktioniert ein Produkt nicht, werden die Leute dies merken, auch wenn die Werbung dafür noch so brillant ist.

Ich denke, wenn ich für eine politische Partei arbeiten würde, müsste ich mindestens bis zu einem gewissen Grad mit den politischen Werten einverstanden sein, für die sie einsteht. Falls eine politische Partei mit einem Auftrag an mich herantreten würde, müsste ich mir das zuerst gut überlegen und dann entscheiden, ob ich es tun würde oder nicht.

Gewisse politische Parteien wollen sich einfach wohl fühlen mit ihrer Werbung, statt das Ziel zu verfolgen, die Aufmerksamkeit der Leute zu wecken und auf sich zu ziehen. Es geht darum, mit Leuten zu arbeiten, die das Ziel von Werbung verstehen und bereit sind, die nötigen Schritte zu tun, um Reaktionen auszulösen. Es kann ab und zu unangenehm sein, exponiert zu sein. Gewisse Leute werden nicht mit Ihnen einverstanden sein, es kann Beleidigungen und Angriffe geben. Wenn man sich dabei nicht wohl fühlt, lässt man es besser bleiben.

Die Hakenkreuz-Werbung war eine private Initiative meinerseits. Ich glaubte, dass man gegen das [Thema] stimmen sollte. Ich dachte, dass wir die Debatte anheizen, auf eine andere Ebene bringen sollten, wo – im Licht weiterer anstehender Initiativen der Schweizerischen Volkspartei – die umfassendere Dimension ersichtlich würde.

Ich denke, es ist wichtig, dass man einen reflektierenden Denkprozess hat, man sollte nicht einfach um der Provokation Willen provokativ sein. Natürlich habe ich mir überlegt, ob das vielleicht zu radikal ist. Würde es Leute beleidigen? Und ist es in Ordnung, Leute zu beleidigen? Soll man Leute beleidigen? Letzten Endes weist diese Swastika-Werbung jedoch schlicht und unverblümt auf etwas hin. Und gestützt auf meine Prinzipien dachte ich, es sei das Richtige.

swissinfo.ch: Was haben Sie aufgrund der Reaktion der Leute auf Ihr Plakat über die Gesellschaft in der Schweiz gelernt?

P.S.F.: Egal worum es geht, grundsätzlich ist die erste Reaktion von Leuten jeweils negativ. Ein paar Tage später, wenn sich alles etwas beruhigt hat, folgen stärker reflektierte Meinungen von Leuten, die mit dem, was man sagen wollte oder tat, einverstanden sein könnten. Das dauert aber immer einige Zeit, geschieht immer etwas verzögert.

Vor allem im Zeitalter der sozialen Medien bedeutet die Tatsache, dass Leute negative Kommentare schreiben, noch nicht, dass die Reaktion insgesamt negativ ist. Es ist immer eine Frage, an was etwas gemessen wird.

Ein Vorteil des so genannten «digitalen Zeitalters» ist, dass man rascher reagieren kann. Man sieht, was geschieht, kann Zeitungen lesen, chatten, Leute können an einen herantreten. Die Idee, das Hakenkreuz-Plakat auf einer Werbefläche im Bahnhof zu schalten, kam mir im Verlauf der Kampagne.

Ich weiss nicht, was geschehen wäre, wenn Martin Landolt [Parteipräsident der Bürgerlich-Demokratischen Partei] das Plakat nicht via Twitter weiter verbreitet hätte. Vielleicht wäre es nicht auf so viel Aufmerksamkeit gestossen.

swissinfo.ch: Wie steht es um die Kultur der politischen Werbung in der Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern?

P.S.F.: Die Art Werbung der Schweizerischen Volkspartei ist weltweit ziemlich einzigartig, brillant. Sie verstehen, was gute Werbung ist und bringen die Leute dazu, abstimmen zu gehen. Doch es gibt nicht genug andere Parteien, die bessere Werbung machen und die SVP ausstechen könnten.

Die Schweiz hat eine besonders grosse Vielfalt an politischen Parteien, und alle haben eine klare Vorstellung davon, welche Art Gesellschaft sie schaffen, für welche Werte sie sich einsetzen wollen. Doch [meist] scheint ihre Werbung nicht zu funktionieren, und ich bin immer etwas erstaunt darüber, weshalb sie nicht in der Lage sind, ihre Botschaft an die Wähler und Wählerinnen klar und markant zu gestalten.

Ich denke, in Grossbritannien schlagen sich die Parteien in diesem Bereich viel besser: Die Konservativen hatten diese brillante Werbung mit dem Slogan ‹Labour isn’t working› [Wortspiel mit Arbeitspartei und arbeiten] und schliesslich schaffte es auch die Labour-Partei, ihre Werbestrategie zu verbessern und einige brillante Politanzeigen zu gestalten. Das ist dann der Moment, in dem gute Werbung von allen Seiten kommt.

In der Schweiz erklären Leute oft: «Ich werde so stimmen, weil ich nicht weiss, wofür die anderen Parteien einstehen.» Aus dieser Sicht betrachtet denke ich, gibt es in der Schweiz Raum für viel Verbesserung.

swissinfo.ch: Im Nachhinein, was würden Sie mit Blick auf Ihr Hakenkreuz-Plakat anders machen?

P.S.F.: Ich würde mehr Werbeflächen buchen.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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