So prägte die direkte Demokratie das Schweizer Polit-Jahr 2017
Fragen rund um die Gesundheit: Dies ist das Thema, das die Menschen in der Schweiz in den letzten 12 Monaten politisch am meisten auf Trab hielt. Vier der zehn Volksinitiativen, die 2017 lanciert wurden, drehen sich um die Gesundheitspolitik.
+ Das ist eine Volksinitiative
Die Schweiz verfügt über eine stark ausgebaute direkte Demokratie. Diese ermächtigt die Bürgerinnen und Bürger, in der Gesetzgebung ein Gegengewicht zum Parlament zu schaffen. Zwar sind es die gewählten Parlamentarier, die neue Gesetze machen oder bestehende ändern.
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Aber das letzte Wort hat das Volk: Ist jemand mit der Arbeit des Gesetzgebers nicht einverstanden, kann die neue Regelung mit einem Referendum angefochten werden. Dieses ist in der Schweiz also ein Vetorecht des Volks zur Korrektur von Entscheiden des Parlaments.
Aber das Volk kann in erster Linie die Verfassung ändern, mit dem Instrument der Volksinitiative. Wird eine politische Forderung von mindestens 100’000 Stimmberechtigen unterzeichnet, und das innerhalb der Frist von 18 Monaten, kommt es zur landesweiten Abstimmung darüber.
Was hat «das Schweizer Volk» im ausklingenden Jahr mit seinen politischen Rechten angestellt? Da zeigt sich erst mal Erstaunliches: 2017 ist das Jahr, in dem an den nationalen Abstimmungsterminen keine einzige Volksinitiative zur Debatte stand.
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Erstaunlich war auch dies: Die Volksinitiative hat wieder an Fahrt zugelegt. Zehn waren es an der Zahl, die 2017 lanciert wurden. Damit wurde der rückläufige Trend der letzten beiden Jahre gedreht.
Vier der zehn Vorlagen kommen aus dem Bereich der Gesundheitspolitik. Es geht um die Senkung der Prämien für die Krankenkassen, den Einfluss der Gesundheitsversicherer im Schweizerischen Parlament, Organspenden sowie bessere Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal.
Weitere Themen waren Tierschutz, Schutz der Umwelt, Investitionspolitik, Umverteilung von Vermögen und der Vorrang der Schweizer gegenüber Ausländern auf dem Arbeitsmarkt.
Burkaverbot und Vaterschaftsurlaub
2017 wurden bei den Bundesbehörden in Bern fünf Volksinitiativen eingereicht. Darunter ist der Vorschlag rechtskonservativer Kreise für die Einführung eines landesweiten Verschleierungsverbots in der Öffentlichkeit, auch Burkaverbot genannt. Als nächstes muss das Parlament darüber beraten. Danach wird die Regierung einen Gegenvorschlag präsentieren.
Bis zur Abstimmung an der Urne dürften noch rund zwei Jahre vergehen, eventuell mehr. Es ist aber schon heute klar, dass die Abstimmung über ein Burkaverbot die Schweiz in die Schlagzeilen der internationalen Medien bringen wird.
Aus Kreisen von Gewerkschaften und anderen Gruppen aus dem linken Spektrum fand die Initiative für die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs von 20 Tagen die Unterschriften der 100’000 erforderlichen Supporter.
Eingereicht wurde ferner eine Initiative für eine transparente Finanzierung der Parteien und eine zur Reduktion der Preise auf Gütern und Waren aus dem Ausland.
Für alle Volksbegehren gilt: Die Regierung hat das Datum der Abstimmung noch nicht bestimmt.
Folgenreiche Einwanderungs-Initiative
Drei Volksinitiativen wurden 2017 zurückgezogen. Die bekannteste war jene, mit der die Initiative «gegen Masseneinwanderung» rückgängig gemacht werden sollte. Die Initianten sahen ihre Forderung als erfüllt, denn das Parlament setzte die «Masseneinwanderungs-Initiative» sehr weich um.
Das Stimmvolk hatte 2014 Ja zur Begrenzung der Einwanderung gesagt. Ein Verdikt, das für grösste Spannungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union gesorgt hatte. Denn die EU sah in den erhöhten Einwanderungshürden eine Verletzung des freien Personenverkehrs, dem die Schweiz aufgrund der bilateralen Verträge angeschlossen ist.
Zwei Begehren scheiterten, weil die nötigen Unterschriften nicht zusammenkamen. Eine jener Forderungen war, dass Fitnesstrainings über die Krankenkassen abgerechnet werden können.
Daneben aber wurde auch im 2017 abgestimmt. Auch wenn die Zahl von sechs Vorlagen geringer ausfiel als in anderen Jahren.
Besonders drei Vorlagen aber hatten es in sich. Eine betraf eine grosse Reform des Rentensystems, eine andere eine Steuerreform, die grosse Unternehmen entlastet hätte. Beide scheiterten, trotz grossem Engagement der Befürworter.
Ja gesagt aber haben die Stimmbürger zu einem Wandel in der Energiepolitik. Demnach steigt die Schweiz bis 2050 aus der Atomenergie aus und setzt stattdessen auf erneuerbare Energien.
Renat Kuenzi
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