Präsident der Schweizer Nationalbank unter Beschuss
Devisengeschäfte im privaten Umfeld des Nationalbank-Präsidenten sorgen in der Schweiz für Schlagzeilen. Laut Medienberichten steht SVP-Nationalrat Christoph Blocher hinter Vorwürfen, die Fragen zur Unabhängigkeit und Transparenz der SNB aufwerfen.
Ist es eine Affäre «Hildebrand» oder eine Affäre «Blocher»? Die Schweizer Medien überbieten sich seit Tagen mit immer neuen Details über Devisentransaktionen, welche die Gattin von Notenbankpräsident Philipp Hildebrand getätigt haben soll.
Bereits vor Weihnachten wurden Vorwürfe publik, Kashya Hildebrand habe im August 2011 eine halbe Million Dollar gekauft und sich dabei persönliche Vorteile verschafft, dank Insiderwissen über die Einführung eines Mindestkurses für den Schweizer Franken gegenüber dem Euro.
Das Aufsichtsorgan der SNB erklärte aber noch am Abend vor Weihnachten, eine Untersuchung habe ergeben, dass die Gerüchte haltlos seien.
Am Wochenende behauptete die Sonntagspresse zu wissen, dass Christoph Blocher, der ehemalige Bundesrat und heutige Chefstratege der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die Angriffe auf Hildebrands persönliche Integrität ausgelöst habe.
Hildebrands Bankdaten gestohlen
Die Bank Sarasin, bei welcher sich die Privatkonten Hildebrands befinden, liess am Dienstag die Öffentlichkeit wissen, dass sie einen Mitarbeiter aus dem Informatik-Bereich entlassen habe, der den Diebstahl der Kundendaten über Hildebrands Transaktionen zugegeben habe. Der Mann habe die Daten einem Anwalt offengelegt, welcher der SVP nahestehe. Dieser habe in der Folge ein Treffen mit Nationalrat Christoph Blocher arrangiert.
Inzwischen hat sich Hildebrands Frau Kashya in einer schriftlichen Stellungnahme, die sie einer Informations-Sendung des Schweizer Fernsehens zugeschickt hat, zu den fraglichen Transaktionen geäussert.
Als Galeristin und ehemalige Finanzspezialistin habe sie die Devisenmärkte immer beobachtet und vom Dollar-Rekordtief profitiert. 70 bis 80 Prozent der finanziellen Transaktionen der Galerie würden in Dollar abgewickelt, begründete Kashya Hildebrand den Devisenkauf. Das Devisengeschäft sei einen Tag später der zuständigen Stelle bei der Nationalbank gemeldet worden, und es habe keine Einwände gegeben
Am Mittwoch teilte die Weltwoche in einem Vorabbericht mit, dass nicht die Gattin, sondern der SNB-Präsident selbst die privaten Devisentransaktionen ausgelöst haben soll. Die Zeitschrift behauptet, im Besitz eines Kontoauszugs der Bank Sarasin zu sein, das auf Philipp Hildebrand laute und die umstrittenen Devisengeschäfte zeige.
(Un)publiziertes SNB-Reglement
Das Aufsichtsorgan der SNB, der sogenannte Bankrat, hatte Hildebrand auf Grund einer «vertieften Prüfung» das uneingeschränkte Vertrauen ausgesprochen. In ihrer Stellungnahme Ende Dezember hatte die SNB mitgeteilt, dass sich Philipp Hildebrand reglementskonform verhalten habe.
Was dieses Reglement über Eigengeschäfte des SNB-Direktoriums festhält, war bis zu dem Zeitpunkt nicht bekannt. Eine SNB-Sprecherin hatte dazu gegenüber verschiedenen Medien gesagt, dass es sich um ein internes Reglement handle, das nicht publiziert werde.
Nur wenige Stunden vor Bekanntwerden der Devisenaffäre hatte ein SVP-Politiker im Parlament Transparenz über die internen SNB-Vorschriften gefordert. Inzwischen verlangen dies auch Politiker anderer Parteien, um «das Vertrauen in die SNB-Führung wiederherzustellen».
Am Mittwochnachmittag kündigte die SNB an, dass Philipp Hildebrand am 5. Januar zu den Vorwürfen Stellung nehmen werde. Gleichzeitig veröffentlichte sie das Reglement über die Eigengeschäfte (Vgl. rechte Spalte).
Wie unabhängig ist die SNB?
Dass ein einflussreicher Politiker und ehemaliger Bundesrat hinter den Angriffen auf die SNB-Spitze stehen könnte, hat die Frage nach der Unabhängigkeit der SNB erneut aufgeworfen.
Die Bundesverfassung garantiert der SNB grundsätzlich eine Unabhängigkeit gegenüber Politik und Verwaltung. Dies verleiht dem Führungsgremium die Befugnisse, im Interesse der Preisstabilität und der Gesamtwirtschaft nach eigenem Ermessen Zinssätze zu bestimmen oder auf dem Devisenmarkt zu intervenieren.
Als infolge der EU-Verschuldungskrise der Franken gegenüber dem Euro rasch zulegte und damit die Exportwirtschaft und den Inlandtourismus unter Druck setzte, intervenierte die SNB 2009 und 2010 mit massiven Euro-Käufen – ohne Erfolg. Der Frankenkurs stieg weiter und die SNB machte Devisenkursverluste von 26,5 Mrd. Franken.
Lautstarke Kritik
Gewisse Politiker und Medien warfen SNB-Präsident Hildebrand damals vor, panisch reagiert zu haben. In den Augen der SNB hatte die Intervention den Aufwärtsdruck gestoppt und die Gefahr einer Deflation gemildert.
Lob und Tadel erntete die SNB im September 2011, als sie erklärte, dass sie eine Obergrenze des Frankenkurses von 1,20 gegenüber dem Euro verteidigen werde, koste es, was es wolle. Aber auch in den Reihen der am meisten betroffenen Exportwirtschaft und des Tourismus war man sich nicht einig, ob die Intervention ausreichend sei oder nicht.
Einige Ökonomen äusserten aber die Befürchtung, dass sich die SNB den Devisenspekulanten ausliefere und die Währungsstabilität aufs Spiel setze.
Für Charles Wyplosz, Ökonomieprofessor am Institut des Hautes Etudes in Genf, ist die SNB eine der unabhängigsten Notenbanken der Welt, trotz des Drucks seitens der Wirtschaft.
Die Unabhängigkeit der SNB ist seit 2000 verfassungsrechtlich garantiert. Das Gesetz auferlegt ihr aber auch eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bundesrat, dem Parlament und der Öffentlichkeit. Ausserdem ernennt der Bundesrat die Mitglieder des Direktoriums.
«Keine Notenbank ist total unabhängig», sagt Wyplosz gegenüber swissinfo.ch. «Alle sind gewissen Zwängen ausgesetzt. Die SNB befindet sich nicht in einem Vakuum; sie ist auf die Unterstützung und das Vertrauen der Gesellschaft angewiesen».
Die Schweizerische Nationalbank hat das bisher der Öffentlichkeit nicht zugängliche Reglement über Eigengeschäfte der Mitglieder des SNB-Direktoriums veröffentlicht.
Gemäss diesem dürfen Direktoriumsmitglieder der SNB keine Eigengeschäfte tätigen, die «nicht öffentlich bekannte Informationen ausnutzen». Nicht erlaubt sind insbesondere Eigengeschäfte, die geld-und währungspolitische Absichten der SNB ausnutzen.
Unzulässig sind auch «das vorzeitige und gleichzeitige Tätigen von Eigengeschäften in Kenntnis von geplanten oder beschlossenen Transaktionen der SNB». Konkret dürften Direktoriumsmitglieder also keine Devisengeschäfte tätigen, wenn sie wie im vergangenen Sommer währungspolitische Massnahmen ins Auge gefasst hat.
Die Richtlinien sind seit dem 1. Mai 2010 in Kraft.
Gemäss der Neuen Züricher Zeitung sind solche Reglemente über Eigengeschäfte auch in anderen staatlichen oder internationalen Finanzinstitutionen üblich.
So sind Mitglieder der Europäischen Zentralbank verpflichtet, Situationen zu vermeiden, die zur Entstehung von Interessenkonflikten führen könnten.
Den Mitarbeitern des Internationalen Währungsfonds wird explizit untersagt, kurzfristige Handelsgeschäfte, die den Kauf und Verkauf von Gold, Fremdwährungen oder verwandten Finanzinstrumenten involvierten, zu spekulativen Zwecken zu tätigen.
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