Merkel tritt als «Kanzlerin Alternativlos» an
Wenig überraschend und alternativlos: So kommentiert die Mehrheit der Schweizer Presse den Entscheid von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, sich im kommenden Jahr für eine vierte Amtszeit zu bewerben.
Kaum jemand habe an einer erneuten Kandidatur Merkels gezweifelt, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ). «Überraschend ist er nicht», findet auch die «Berner Zeitung» (BZ) zum Entscheid der deutschen Kanzlerin, im kommenden September erneut für die Christdemokraten (CDU) anzutreten.
Handelt es sich hierbei um eine erfreuliche Nachricht? Darüber gehen die Meinungen in der Schweizer Presse auseinander.
In Zeiten, in denen die Welt «angesichts des entfesselten Populismus aus den Fugen zu geraten scheint», sei eine «erfahrene Politikerin wie Merkel ein Anker der Stabilität und der Verlässlichkeit», findet etwa die «Aargauer Zeitung» (AZ). Und auch die «Luzerner Zeitung» kommentiert es als «beruhigend, zu wissen, dass es die verlässliche, für liberale Werte einstehende und berechenbare Kanzlerin noch einmal wissen will».
Merkel «stellt sich ihrer Verantwortung», schreiben die beiden Blätter «Der Bund» und «Tages-Anzeiger». Dies, obwohl die 62-Jährige die ins «Unermessliche» angestiegenen Erwartungen an sie «als kluge, aber spröde Regierungschefin einer mittleren Macht» nur enttäuschen könne.
Politische Landschaft im Umbruch
Innenpolitisch sieht die NZZ wenig Anlass zur Freude: Merkel habe Deutschland zwar «mit ruhiger Hand durch eine elfjährige Phase von Stabilität und Prosperität geführt». Doch habe sie das Land «nicht wesentlich vorangebracht. Sie profitierte von den Arbeitsmarkt- und Sozialreformen ihres Vorgängers Gerhard Schröder.» Grundsätzlich seien neue Ideen gefragt.
Denn auch in Deutschland stehe die politische Landschaft im Umbruch, so der Tenor in der Presse. Merkels Politik sei mitverantwortlich für die Polarisierung der deutschen Gesellschaft, findet die AZ. «Der Bund» und «Tages-Anzeiger» stellen fest, dass die Kanzlerin «zum erklärten Feindbild eines Teils der Bevölkerung» geworden sei.
Wie alternativlos ist Merkels Kandatur?
Merkel wisse um die Gefahr, «dass die Bürger eines Dauerregenten irgendwann überdrüssig werden», schreibt die BZ. Doch «in Wahrheit ist Merkels Wiederkandidatur alternativlos – in ihrer Partei, aber auch in Deutschland», so «Der Bund» und «Tages-Anzeiger». Auch die AZ findet, die CDU habe «schlicht keinen anderen Kandidaten», Merkel sei «als Kanzlerkandidatin alternativlos».
Zwei Zeitungen sehen das ein bisschen anders: Merkel verkaufe ihre Politik schlicht als alternativlos, schreibt etwa die «Luzerner Zeitung». In den Ohren vieler klinge das nach Bevormundung. Nötig sei aber eine Regierungschefin, «die den Leuten das Gefühl gibt, sie sei die Kanzlerin für alle – auch für jene, die sie kritisieren».
Und die NZZ schreibt, es werde suggeriert, Merkel sei unentbehrlich. Ihre vierte Kandidatur solle als ebenso natürliche Fügung erscheinen wie ihre Wiederwahl zur Kanzlerin. «Bundeskanzlerin Alternativlos also, genau so, wie Merkel zu regieren pflegt.»
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