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Proteste gegen Patentierung von Samen nehmen zu

Anti-Patent-Aktivisten sorgen sich um den Erhalt der Vielfalt von Peperoni und anderen Lebensmittelsamen. AFP

Träumt nicht jeder Bauer von Peperoni, die resistent sind gegen Insekten? Im Prinzip ja, aber die Opposition gegen ein Peperoni-Patent, des Schweizer Agrochemiekonzerns Syngenta wächst.

«Wenn wir unser autochthones Saatgut nicht verteidigen, werden wir am Schluss nichts mehr haben und nur noch die standardisierten Pflanzen der Multis anbauen», sagt Cynthia Osorio eine kolumbianische Bio-Kaffee Produzentin.

Sie reiste von Kolumbien nach Zürich an einen Anlass, bei dem es um Patente auf Pflanzen und Saatgut ging. Wenige Wochen vor dem Anlass hatten drei Dutzend Landwirtschafts-, Umweltschutz- und Entwicklungs-Organisationen beim Europäischen Patentamt eine Beschwerde gegen das Syngenta-Patent für insektenfreie Peperoni eingereicht..

Osorio zeigte auf, wie Firmen wie Syngenta oder Monsanto von internationalen Handelsabkommen und Sortenrechten profitieren und welche Auswirkungen dies 9000 Kilometer entfernt auf die Lebensgrundlagen und die Artenvielfalt hat.

Autochthone Sorten verschwinden

Die kolumbianische Aktivistin sagte, Saatgutregulierungen und Freihandelsabkommen missachteten die Rechte der einheimischen Bevölkerung und ebneten den Weg dafür, dass die patentierten Pflanzen die autochthonen Sorten vertrieben: «Unsere Idee zur Erhaltung und Wiederherstellung der Vielfalt besteht nicht darin, die Samen in einer Bank zu Lagern, sondern sie unter den Menschen auszubreiten.»

Saatgut-Unternehmen wie Syngenta werden nicht nur für ihre Patente, sondern auch für ihre Zuchtrechte kritisiert. Die Lobby-Gruppe CropLife International vertritt die Interessen der Industrie und ihre Patente und Technologien.

Patent-und Sortenrechte gewähren den Firmen eine exklusive Kontrolle über Saatgut und Ernte und auch die Lizenzrechte für den Weiterverkauf. Syngenta argumentiert, Patente seien ein Anreiz für Innovationen. Erzeuger und Verbraucher profitierten von den Innovationen. Diese ermöglichten es den Bauern, die Produktivität zu steigern und gleichzeitig den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu verringern.

Das Peperoni-Patent EP2140023 macht die Pflanzen gegen bestimmte Schädlinge resistent: «Um die Möglichkeit von Innovationen zur Förderung der Ernährungssicherheit zu schaffen, stellt Syngenta die neue Eigenschaft allen interessierten Züchtern zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Konditionen über ihre E-Lizenz-Plattform TraitAbility zur Verfügung.

Wir sind davon überzeugt, dass die landwirtschaftliche Produktion nachhaltig gesteigert werden kann, ohne natürliche Ressourcen wie Biodiversität, Wasser und Boden zu beeinträchtigen. Allerdings ist hierfür ein umfassender Ansatz erforderlich.

Syngenta investiert weltweit jedes Jahr über eine Milliarde Schweizer Franken in Forschung und Entwicklung. Unsere 5000 Forscherinnen und Forscher arbeiten in der Schweiz und weltweit täglich an neuen Lösungen, mit denen Landwirte eine höhere Produktivität, eine verbesserte Ressourcen-Effizienz und ein grösseres Einkommen erzielen können.

Die Landwirte nehmen beim Schutz der Ökosysteme und dem Erhalt der biologischen Vielfalt eine bedeutende Rolle ein. Mit hochwertigen Trainingsprogrammen für Landwirte fördern wir die sichere Anwendung unserer Produkte und setzen höchste Sicherheitsstandards.

Wir sind bestrebt, Nutzen unserer Aktivitäten und Produkte für die Umwelt zu optimieren – von Herstellung und Anwendung bis hin zur Entsorgung. Ausserdem betreiben wir spezielle Biodiversitäts-Programme, um die Artenvielfalt in der Landwirtschaft gezielt zu stärken.

Syngenta arbeitet weltweit mit vielen Organisationen zusammen, um nachhaltige Praktiken zu fördern. Unsere Programme konzentrieren sich dabei auf vier Schwerpunkte: Biodiversität, Wasserknappheit, Bodenerhaltung und ländliche Gemeinschaften.»

(Quelle: Syngenta)

Variationen von Soja und Mais

Die Aktivisten wehren sich dagegen, dass die Patente auch für die Verfahren und die daraus resultierenden Produkte gelten.

Monsanto beansprucht Patente auf Gensequenzen oder genetischen Variationen von Soja und Mais. Die Patente beinhalten auch die Ernten und deren Verwendung in Lebens- und Futtermitteln.Die Industrie lehnt hingegen Patente auf Basis von herkömmlichen Kreuzungen mit Wildarten ab.

Obwohl «im Wesentlichen biologische Verfahren zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren» im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens patentiert werden können, werden die Unternehmen beschuldigt, mit einem Trick, die Rechte auf Pflanzen, Saatgut und Lebensmittel für sich zu beanspruchen.

Gegen die Kultur

«Patente – besonders im Bereich der Landwirtschaft sowie der Pflanzen- und Tierzüchtung – können den Zugang zu genetischen Ressourcen erschweren oder zum Teil blockieren. Es gibt sogar Patente für wenig innovative Prozesse», sagt Eva Gelinsky von ProSpecieRara,einer Organisation, die sich für den Erhalt der genetischen Vielfalt von Tieren und Pflanzen einsetzt.

In den Augen der Gegner, richten sich  Rechte auf lebende Organismen gegen die Grundprinzipien der meisten Religionen und Kulturen[SP(1] . Sie argumentieren Patente seien für Maschinen und Chemikalien gemacht, aber nicht für Menschen, Tiere, Pflanzen oder Mikroorganismen.

«Wir brauchen andere Schutzsysteme, die die ethischen und sozio-politischen Grenzen respektieren und die Interessen der Landwirtschaft und der Forschung berücksichtigen», erklärt Fabio Leippert, der Verantwortliche für Entwicklungspolitik und Ernährungssouveränität bei der entwicklungspolitischen Organisation Swissaid: «Patente diskriminieren vor allem die Bauern in den Entwicklungsländern, wo ein Grossteil der biologischen Vielfalt beheimatet ist.»

Gefährdete Existenzgrundlage

Die Firma Syngenta macht geltend, sie beanspruche keinen Patentschutz für Entwicklungen in der Pflanzenbiotechnologie oder für Samen in den am wenigsten entwickelten Ländern und die Kleinbauern müssten keine Lizenzgebühren zahlen.

Swissaid stellt sich auf den Standpunkt, dass die Unternehmen nicht jede Möglichkeit ausnutzen sollten, um Sorten aus Ländern der südlichen Hemisphäre als Basis für die Patentierung zu nehmen und sie sollten nicht ganze Samenbanken durchforsten, ohne die Länder für ihre genetischen Ressourcen zu entschädigen.

Monsanto, DuPont und  Syngenta kontrollieren laut dem europäischen Bürgerforum mehr als die Hälfte der weltweit gehandelten Samen. Während die Unternehmen argumentieren, ihre Produkte trügen zur Ernährungssicherheit bei, kritisieren die Aktivisten, die zunehmende Dominanz einer Handvoll Unternehmen gefährde die Existenzgrundlage der Bauern in den Schwellenländern und stelle eine Bedrohung für die Souveränität der Saatgut-Souveränität und der globalen Ernährungssicherung dar.

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Nur registrierte Samen zugelassen

Syngenta überlässt Selbstversorgern die Samen gratis. Kleinbauern wie Osorio müssen dafür Jahresgebühren zahlen. Da sie sich die Gebühren nicht leisten können, möchten sie die Samen ebenfalls gratis erhalten. Um diese Forderung zu illustrieren gab es an der Veranstaltung im alternativen Kulturzentrum Rote Fabrik in Zürich auch ein symbolisches Saatgutaustausch-Zentrum.

Um registriert werden zu können, muss das Saatgut unterscheidbar, homogen und stabil sein. In Kolumbien dürfen Bauern lediglich zertifiziertes Saatgut verwenden. Autochthone Saatgut-Kulturen erfüllten die Kriterien nicht, sagte Osorio.

Die Gesetze und Freihandelsabkommen spielten direkt in die Hände von multinationalen Unternehmen, sagte Jürgen Holzapfel vom Europäischen Bürgerforum und Mitbegründer der landwirtschaftlichen Genossenschaft Longo Mai, welche die Reise von Osorio organisiert hatte. Die Multis produzierten zudem eine Monokultur, die auf Kosten der Vielfalt gehe, so Holzapfel.

Vielfalt an Reissorten

«Die grösste Vielfalt an Reis-Sorten findet man in Asien, wo die Landwirte deren Eigenschaften und den Ertrag über Jahrhunderte verbessert haben», sagt François Meienberg von der Nichtregierungs-Organisation Erklärung von Bern. «Doch nicht diese Länder verfügen über die Rechte an dieser Arbeit, sondern Unternehmen wie Syngenta, die Hunderte von Genomen patentiert haben.»

Die Nichtregierungsorganisationen erwarten, dass das Europäische Patentamt noch in diesem Jahr über ihre Klage entscheidet. «Wenn die Klage in unserem Sinn entschieden wird, dann wird es schwierig für Syngenta», sagt Meienberg. «Wenn Syngenta gewinnt, dann wird der politische Prozess beginnen. In diesem Fall erwarten wir, dass sich gewisse Politiker für unser Anliegen einsetzen werden, denn auch mittelständische Pflanzenzüchter widersetzen sich den Multis.»

(Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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