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Psychische Krankheiten belasten Invalidenversicherung

Der häufigste Grund für eine IV-Rente sind psychische Erkrankungen.

Die Zahl neuer IV-Rentner ist in den letzten 10 Jahren stark gewachsen. Hauptgrund ist die Zunahme psychischer Krankheiten. Die Folge sind desolate Finanzen dieser Sozialversicherung.

Die Politiker streiten heftig über dieses Problem und seine Gründe. Experten erklären die Entwicklung mit dem tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft und der Arbeitswelt.

Im Jahr 1997 gab es in der Schweiz 173’000 Personen, die eine Invalidenrente bezogen. Inzwischen ist ihre Zahl auf 256’000 gestiegen.

Es ist bekannt, dass dieses Wachstum vor allem auf die Zunahme psychischer Erkrankungen zurückzuführen ist.

Die Zahl von IV-Bezügern mit psychischen Krankheiten ist jährlich um 8 Prozent gestiegen. Und diese Krankheitskategorie steht mittlerweile an erster Stelle bei den Gründen für die Anerkennung neuer Invalidenrenten.

Die Zahlen lassen keine Zweifel aufkommen. Rund 100’000 Personen in der Schweiz erhalten die IV-Rente wegen psychischer Probleme.

Allerdings sagen diese Zahlen nichts über die Ursachen dieser Entwicklung. Die Meinungen gehen auseinander.

So behauptet etwa die populistische Rechte in der Schweiz, dass es sich bei den neuen IV-Bezügern in den meisten Fällen um «Scheininvalide» handele.

Es seien Personen, die das soziale System missbrauchten und damit die Finanzgrundlage dieser Versicherung zerstörten.

Arbeitsdruck macht krank

Viele Experten sind jedoch der Auffassung, dass der Anstieg der psychischen Krankheiten eher eine Folge der radikal veränderten Arbeitswelt ist.

«Ein steigender Druck am Arbeitsplatz, schnellere Arbeitsrhythmen, weniger Teilhabe an Entscheidungen: Dies dürften wohl die Hauptgründe für diese Entwicklung in den letzten 10 Jahren sein», meint Achim Elfering, Arbeitspsychologe an der Universität Bern.


Als Folge der Strukturkrise der 1990-er Jahre und der wachsenden internationalen Konkurrenz mussten viele Firmen restrukturieren.

Die Produktionsabläufe wurden angepasst, von den Mitarbeitern wurde mehr Flexibilität verlangt. Viele Jobs für schlecht ausgebildete Arbeitnehmer verschwanden.

«Diese Entwicklung und ihre Folgen sind in vielen Ländern zu beobachten. Auch in Deutschland gibt es beispielsweise ein starkes Wachstum an Invaliditätsfällen aus psychischen Gründen, vor allem unter den Jungen», weiss Elfering.

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Invaliden-Versicherung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Invalidenversicherung (IV) ist eine obligatorische Versicherung. Sie sichert den Versicherten die Existenzgrundlage, wenn sie invalid werden. Dies geschieht mittels Eingliederungsmassnahmen oder Geldleistungen. Die IV subventioniert auch speziell eingerichtete Institutionen. Die Versicherung wird zu rund 40% von Beiträgen der Erwerbstätigen und Arbeitgeber finanziert. Der Rest stammt aus öffentlichen Geldern.

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Wer trägt die Verantwortung?

Der Arbeitspsychologe will aber nicht ausschliessen, dass es Fälle vorgetäuschter Invalidität gibt. Mit dem Ausdruck «Scheininvalide» sollte man seiner Ansicht nach aber sehr vorsichtig sein.

«Viele Personen mit psychischen oder schwierig zu diagnostizierenden Störungen werden mit ihren Problemen allein gelassen», sagt Elfering. Ohne Erkennung und Behandlung bestünde die Gefahr, dass die Probleme chronisch würden.

Die Linke vertritt manchmal die These, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter, die nicht mehr den Anforderungen entsprechen, in die IV-Rente abschieben. Doch Elfering mahnt zu Vorsicht bei dieser These.

«Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitgeber einen Angestellten in die IV-Rente drängt.

Doch im Regelfall will auch ein Arbeitgeber vermeiden, dass Mitarbeiter zu IV-Fällen werden. Es ist sehr teuer, einen Mitarbeiter mit beruflichen Erfahrungen durch eine neue Kraft zu ersetzen.»

Frühzeitig eingreifen

Für Elfering geht die 5. IV-Revision in die richtige Richtung, da sie ein Hauptgewicht auf die Erkennung psychischer Störungen in der Anfangsphase legt.

«Ein frühzeitiges Handeln ist der Schlüssel, um zu vermeiden, dass Personen wegen psychischer Probleme aus dem Arbeitsleben ausgeschlossen werden.»

Doch um dieses Ziel zu erreichen, müssten alle beteiligten Parteien an einem Strick ziehen. Vor allem die Arbeitgeber müssten sich Mühe geben, ein psychisches Problem bei einem Mitarbeiter frühzeitig zu erkennen und so ein Abgleiten in die Invalidität zu vermeiden.

swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Am 17. Juni befindet das Schweizer Stimmvolk im In- und Ausland über die 5. Revision der Invalidenversicherung.

Hauptstreitpunkt im Abstimmungskampf ist die bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Die Gegner befürchten einen Leistungsabbau zu Lasten der Behinderten.

Das Thema kommt an die Urne, weil gegen die Gesetzesrevision das Referendum eingereicht wurde.

Schon 1997 erhielten die meisten IV-Bezüger wegen psychischer Probleme eine Rente. Damals belief sich ihre Zahl auf 48’479. Dies entsprach 28 Prozent aller IV-Bezüger (173’216).

An zweiter Stelle lagen Erkrankungen der Knochen oder der Bewegungsorgane (beispielsweise Rückenschmerzen) mit 35’062 Renten-Bezügern (20 Prozent).

2006 hat sich die Reihenfolge bei den Krankheitsbildern von IV-Rentnern nicht geändert, doch die Proportionen.

Inzwischen leiden 96’208 von insgesamt 256’300 IV-Bezügern unter psychischen Problemen (37,5 Prozent).

Der Anteil der Bewegungsgeschädigten hat sich auf 21,5 Prozent eingependelt (35’062 Fälle).

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