Schweizer Pauschalsteuer verliert an Attraktivität
Ab 2021 wird die Möglichkeit für ausländische Steuerzahlende in der Schweiz, sich pauschal besteuern zu lassen, definitiv weniger attraktiv. Angesichts der bevorstehenden Steuererhöhungen dürften viele der davon betroffenen Ausländerinnen und Ausländer die zwar teurere, aber sicherere normale Besteuerung bevorzugen.
Die teilweise umstrittene PauschalbesteuerungExterner Link für reiche ausländische Staatsangehörige ist ein Privileg, das nicht mehr hoch im Kurs steht. Vor allem im linken politischen Lager aber auch im Mittelstand und in der Arbeiterklasse wird diese Art der Besteuerung als ungerecht empfunden.
Ab dem 1. Januar 2021 wird die Pauschalbesteuerung für alle Betroffenen definitiv höher ausfallen: Dann endet die Übergangsfrist von fünf Jahren, die bei der Einführung strengerer Regeln im Bundesgesetz 2016 festgelegt worden war. Ausländische Staatsangehörige, die nach dem 1. Januar 2016 in die Schweiz zogen, unterliegen bei der Pauschbesteuerung bereits heute den gesetzlichen Verschärfungen.
Die aufwandbezogene Besteuerung ist eine besondere Art der Berechnung von Einkommen und Vermögen. Steuerpflichtige, die auf diese Weise besteuert werden, dürfen in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit ausüben. Sie steht Ausländerinnen und Ausländern zu, die sich erstmals oder nach einer Abwesenheit von mindestens zehn Jahren in der Schweiz niederlassen.
Abgeschafft in einigen Kantonen
Das Recht auf Besteuerung nach Aufwand erlischt, wenn die Ausländerin oder der Ausländer das Schweizer Bürgerrecht erwirbt oder in der Schweiz erwerbstätig wird. Ende 2018 wurden 4557 Personen pauschal besteuert; sie bezahlten insgesamt 821 Millionen Franken Steuern.
Der Kanton Zürich hatte 2009 in einer Abstimmung eine Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung aus Gründen der Steuergerechtigkeit angenommen. Dem Zürcher Beispiel folgten seither die Kantone Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Landschaft und Basel-Stadt. Die Kantone Thurgau, St. Gallen, Luzern und Bern hingegen entschieden sich für die Beibehaltung der Besteuerung nach dem Aufwand, verschärften aber die Regeln.
Der Bundesrat setzte seinerseits auf eine Verschärfung der Vorschriften mit einer Gesetzesrevision. Die Regierung geht davon aus, dass die meisten der nach Aufwand besteuerten Personen die Schweiz trotz der verschärften Regeln nicht verlassen werden.
Wie funktioniert die Pauschalsteuer?
Das System der Pauschalbesteuerung basiert auf den Lebenshaltungskosten des Steuerzahlers, der Steuerzahlerin im In- und Ausland, statt auf deren Einkommen und Vermögen. Sie gilt nur für Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz nicht erwerbstätig sind.
Mit der verschärften Regelung, die ab 2021 nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren für alle Pauschalbesteuerten gilt, werden bei den Kantons- und Bundessteuern für die Berechnung neu mindestens der siebenfache Mietzins oder Eigenmietwert der bewohnten Immobilie berücksichtigt (gegenüber dem Fünffachen heute); bei der direkten Bundessteuer können nur noch Personen mit einem Mindestaufwand von 400’000 Franken dieses Steuerprivileg in Anspruch nehmen.
Konkret wird ein Ausländer, der in der Schweiz eine Wohnung hat, deren monatlicher Mietwert 5000 Franken beträgt, für ein Einkommen von 420’000 Franken (5000 x 12 x 7) besteuert, zum gleichen Satz wie andere Steuerzahlende. Dazu können weitere Ausgaben kommen, z.B. für Autos oder Privatflugzeuge.
Pauschalbesteuerung auf absteigendem Ast
Als absehbare Folge dieser Gesetzesänderung ist die Zahl der Personen, die nach Aufwand besteuert werden, rückläufig, vor allem in den französischsprachigen Kantonen. Diese haben in den vergangenen Jahren die vermehrt umstrittene Besteuerungsmethode am meisten genutzt.
So ging die Zahl der Neuzuzüger, die pauschal besteuert werden, etwa im Kanton Wallis stark zurück, von 93 im Jahr 2013 auf 57 im Jahr 2017. Unter den Pauschalbesteuerten im Wallis insgesamt am stärksten vertreten waren Franzosen (348), Briten (151) und Belgier (104).
Auch der Kanton Genf zieht die Reichen nicht mehr gleich stark an: Im Jahr 2012 wurden dort 710 Personen pauschal besteuert. 2019 kam eine Erhebung nur noch auf 601 Personen (-16%). Gegenwärtig belaufen sich die Einnahmen des Kantons aus den Pauschalsteuern auf 150 Mio. Franken pro Jahr.
Im Allgemeinen führt der Wegzug wohlhabender ausländischer Steuerzahler zu erheblichen Steuerausfällen für den Kanton Genf und dessen Gemeinden und hat negative Auswirkungen auf die Wirtschaft in Bezug auf Beschäftigung und Konsum. Vor allem betroffen davon sind Hausangestellte, Bankiers, Anwälte, Privatschulen, Restaurants, Hotels und Luxusgüterunternehmen.
Ausländische Konkurrenz
Angesichts des starken Schweizer Frankens und der hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind einige wohlhabende Steuerzahlende der Ansicht, dass die Pauschalsteuer die Mühe nicht mehr wert ist. Welche Auswirkungen wird die neue Gesetzgebung ab Ende 2020 haben?
Es ist schwer zu sagen, aber an Alternativen fehlt es nicht: So locken Italien, Portugal und Grossbritannien mit interessanten Angeboten. Für Franzosen könnte der automatische Informationsaustausch zwischen Bern und Paris wohlhabende Familien beunruhigen, die weiterhin sehr mobil sind und sich in anderen Breiten niederlassen können.
Als Folge dieser Entwicklungen nimmt die Zahl der Ausländer, die zur normalen Besteuerung wechseln, zu, auch wenn diese teurer sein kann als die Pauschalbesteuerung. «Vor allem für grosse Vermögen», sagt der Steuerexperte Philippe Kenel von der Anwaltskanzlei Python in Pully (Kanton Waadt). «Für Ausländerinnen und Ausländer, die nach dem schicksalhaften 1. Januar 2016 in die Schweiz kamen, ist das neue Regime bereits in Kraft, und daran wird sich auch 2021 nichts ändern.»
Nach Ansicht des Steuerexperten ist es die Vermögenssteuer – eine «Schweizer Spezialität», die zu den höchsten in Europa zählt –, die sich am stärksten nachteilig auswirkt. In Genf beläuft sie sich für einen Steuerzahler mit einem Vermögen von 20 Millionen Franken auf 200’000 Franken (1%) pro Jahr.
Der Chef eines Lausanner Treuhandbüros beteuert gar, die Vermögenssteuer koste mehr, als sie den Schweizer Steuerbehörden letztlich einbringe. Dabei hatte die Politik bei der Kampagne für die Einführung der Mehrwertsteuer 1993 versprochen, falls diese an der Urne angenommen werde, würde die Vermögenssteuer abgeschafft werden.
Dies war bisher ein leeres Versprechen. 2015 spülte die Vermögenssteuer insgesamt 6,6 Milliarden Franken in die Kassen von Kantonen und Gemeinden. Würde diese Steuer abgeschafft, würden sich selbst mit dem Brexit keine grossen Schweizer Vermögen mehr an der Themse ansiedeln, schätzt der Leiter eines anderen Treuhandbüros.
Damoklesschwert aus Paris
Ein Steuerpraktiker bestätigt den Trend: Immer mehr pauschal Besteuerte wechseln demnach zur normalen Besteuerung. Dies gelte besonders für Franzosen, die befürchteten, dass das französisch-schweizerische Doppelbesteuerungs-Abkommen für sie in Zukunft nicht mehr gelten könnte.
Im Kanton Bern konzentriert sich die Pauschalbesteuerung auf Gstaad, wo einige hochkarätige Fälle Schlagzeilen machten. So erinnert man sich in dem Nobelkurort etwa an Johnny Hallyday. Der Sänger hatte versichert, er werde die Hälfte des Jahres in seinem Chalet in Gstaad verbringen, obwohl er sich viel eher in Los Angeles oder St. Bartholomew’s auf den Antillen aufhielt.
Und erst jüngst hatte die amerikanische Presse über den Umzug des Ehepaars Sackler nach Gstaad berichtet. Die Sackler-Familie steht hinter dem Unternehmen Purdue Pharma und gilt als mitverantwortlich für die verheerende Opioidkrise in den USA.
Diese spezifischen Fälle sind zwar nicht die Regel, aber sie wirken sich in der Öffentlichkeit nicht zugunsten der Pauschalsteuer aus. Auch wenn die Schweizer Stimmberechtigten noch 2014 eine Volksinitiative der Linken abgelehnt hatten, welche die Abschaffung der Pauschalbesteuerung in der ganzen Schweiz gefordert hatte.
(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)
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