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Russenmedien in der Schweiz: Mal Propaganda, mal Regimekritik

Zeitungen
Der Schweizer Markt ist mit Medien gesättigt, russischsprachige Projekte überleben hierzulande nur durch schiere Begeisterung, und weder die Behörden noch die berüchtigten Oligarchen sind bereit, solche Projekte zu unterstützen. Keystone / Gaetan Bally

In der Schweiz gibt es nur wenige russischsprachige Medien. Wie stehen Sie zu Putins Krieg? Eine aufschlussreiche Recherche.

Die Schweiz ist für russische Medien nicht wirklich ein Markt. Gerade einmal 70’000 Russischsprachige leben hier. Das Land zeichnet sich zudem durch seine Mehrsprachigkeit aus. Darum ist auch die kleine russischsprachige Diaspora, zu der auch Weissrussen, Ukrainer, Juden, Georgier oder Armenier gehören, regional geteilt.

Auch können publizistische Projekte auf Russisch in der Schweiz weder auf das Sponsoring durch Oligarchen zählen, noch sind Schweizer Behörden an einer Unterstützung russischsprachiger Medien interessiert.

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Zu guter Letzt sind russische Einwander:innen tendenziell hoch qualifiziert, also kaum an spezialisierten Medien für Migrant:innen interessiert. All dies macht Medienprojekte in russischer Sprache für den Schweizer Markt eigentlich unmöglich.

Aber es gibt Projekte – und jedes von ihnen hat ein eigenes Profil, gestaltet von einer eigenen Redaktionspolitik. Wir sind an vier russischsprachige Medien in der Schweiz herangetreten mit der Bitte, ihre journalistische Mission darzustellen. Drei haben geantwortet.

«Gegen den Hass»

Nadeschda Sikorskaya, Chefredaktorin von «Nascha Gaseta»Externer Link (Unsere Zeitung), einem in Genf ansässigen Online-Portal, war die Erste, die reagierte. Ihr Online-Portal wurde 2007 ins Leben gerufen.

Fünf Jahre später begann die Redaktion mit der Veröffentlichung einer halbjährlich erscheinenden Hochglanz-Ausgabe der besten Artikel des Portals. «Unser Medienprojekt spricht sich gegen den Krieg und Hass aus», sagt Herausgeberin Sikorskaya.

Im Detail wollte sie dies nicht erläutern, wies aber darauf hin, dass man sich die Beiträge ansehen müsse. Das haben wir getan. Die Redaktion des Portals unterhielt in den letzten Jahren sehr enge Beziehungen zu den russischen Vertretenden in der Schweiz, etwa mit der russischen Botschaft in Bern oder mit Russlands UNO-Vertretung in Genf.

Schon in den ersten Tagen des Krieges nahm «Nascha Gaseta» eine klare Antikriegshaltung ein. Russlands Angriff auf die Ukraine wird als eine Tragödie dargestellt, als ein Krieg, der nicht sein kann und nicht sein darf.

Bemerkenswert ist aber die Aussage, «Nascha Gaseta» sei «gegen Hass». Ausdrücklich befürchtet wird der Berichterstattung zufolge eine Kampagne gegen die russische Sprache und die russische Kultur. In den Artikeln des Portals wird wiederholt darauf hingewiesen, dass es besonders traurig sei, wenn Vertretende der russischen Kultur von Wettbewerben, Festivals und Projekten ausgeschlossen würden.

Russischsprachige Plattform

Ebenfalls geantwortet hat Marina Karlin. Sie ist Direktorin und Herausgeberin des Projekts, das bei Gründung 2004 «Russische Schweiz» hiess, jetzt aber einfach «RS / Alles über die Schweiz auf Russisch»Externer Link*.

Das Projekt begann als gedruckte Ausgabe und bekam später eine Online-Version. Laut Karlin erscheint das Magazin derzeit achtmal im Jahr, die Ausgabe vom März 2022 kam vor dem Krieg heraus. Die nächste Ausgabe ist fertig, hat das Publikum aber noch nicht erreicht.

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Auf der Website des Magazins ist der Krieg ein eher unauffälliges Thema. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels galten die letzten vier Nachrichten der rekordhohen Geburtenrate in der Schweiz, einem Dorf für Demenzkranke, Elektrofahrrädern und einem Gerichtsentscheid zur Schweizer Impfpraxis. Keine Spur von Krieg.

«Unsere Antikriegshaltung», sagt Karlin, «haben wir in den Hashtags und in der letzten Ausgabe bei der Wahl der Themen zum Ausdruck gebracht.» Man thematisiere, wie sich die Einstellung zur Neutralität in der Schweiz ändere oder wie man aus Russland fliehen und in die Schweiz kommen könne.

«Und ein Bericht wurde sogar von einem Autor aus Kiew geschrieben», sagt Karlin. Tagesaktueller reagiert «RS» in seinem Telegram-Kanal. Aber auch hier: Keine auffälligen Positionsbezüge, doch immerhin wurde über die Reaktion des Schweizer Aussenministeriums auf die Ereignisse in Butscha informiert.

Auf den Schwingen eines Blogs

Weiters gibt es in diesem kleinen Markt das private Blog-Projekt «Schwingen.net: die Schweiz für alle»Externer Link der Dichterin und Journalistin Marina Ohrimovskaja. Laut der Webseite ist es eine «zivilgesellschaftliche Initiative auf der Grundlage des Schweizer Rechts».

Seit Beginn des Kriegs hat das Projekt seine Antikriegshaltung klar zum Ausdruck gebracht, aus einer konkreten gesellschaftspolitischen Position: Das Portal spiegelt einseitig den gesamten Antikriegs- und Anti-Putin-Newsfeed im Internet auf Russisch wider, veröffentlicht Ankündigungen und Berichte über Antikriegs-Kundgebungen und bietet praktische Informationen für Flüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz.

Ohrimovskaja antwortete auf unsere Anfrage: «Nach dem Angriff von Putins Truppen auf den souveränen europäischen Staat Ukraine haben bereits in der Schweiz Tausende gegen den Krieg demonstriert. Wir teilen die Gefühle dieser Schweizerinnen und Schweizer. Ukrainer und Russen sterben in dem von Putins verbrecherischem Regime entfesselten Krieg. Diese gesellschaftlich relevanten Themen sind für die ‹Schweiz für alle› enorm wichtig.»

Im Fahrwasser des Kremls

Bleibt noch die Internetseite «Swiss Afischa»Externer Link. Sie hat auf unsere Anfrage nicht geantwortet. Anfang der 2000er-Jahre wurde dieses Projekt als Hochglanz-Publikation von einem professionellen Fotografen ins Leben gerufen.

Da das Portal nicht auf unsere Anfragen reagiert hat, ist die Herausgeberschaft nicht klar zu eruieren, aber vermutlich wird die aktuelle Online-Version des Projekts noch immer von ihm verantwortet.

Es gibt hier so gut wie keine journalistischen Originalbeiträge auf der Website. Dafür widergibt man, ohne einzuordnen, die Geschichte, dass «die USA Drohnen entwickeln, die Kapseln mit giftigen, radioaktiven und narkotischen Substanzen tragen können».

Aufgefallen ist auch ein Bericht über eine Rede des Schweizer Bundespräsidenten Ignazio Cassis, gehalten anlässlich des Internationalen Kooperationsforums Schweiz 2022 in Genf.

Zitiert werden die Worte des Politikers, dass «die Schweiz Kiew auch in den kommenden Jahren helfen wird, wenn die Ukraine ein unabhängiges Land bleibt.» Daraus konstruierte das Portal eine Schlagzeile. Sie lautet: «Ignazio Cassis schliesst das Verschwinden der Ukraine als Staat nicht aus.»

*Offenlegung: SWI unterhält eine Partnerschaft mit «RS». Marina Karlin ist Mitglied des Publikumsrats des Portals SWI swissinfo.ch.

(Übertragung aus dem Russischen: Balz Rigendinger)

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