Russland-Sanktionen: Schweizer Staatssekretärin reagiert auf internationale Kritik
Die Schweiz steht in der Kritik: Sie tue zu wenig, um die Russland-Sanktionen umzusetzen, sagte etwa der amerikanische Botschafter in der Schweiz. Was ist dran an diesen Vorwürfen? Und wieso macht die Schweiz nicht mit in der G7-Arbeitsgruppe zu Russland? Helene Budliger Artieda, Leiterin des Staatssekretariats für Wirtschaft, das für die Umsetzung verantwortlich ist, weist die Kritik als unbegründet zurück.
Helene Budliger Artieda ist sich gewohnt, viel zu arbeiten: Jahrelang vertrat sie die Interessen der Schweiz als Botschafterin im Ausland, zuletzt in Thailand.
Vor einem Jahr wechselte sie in die Bundesverwaltung. Sie setzte sich gegen 38 Mitbewerber:innen durch und wurde Chefin im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Heute ist sie dort unter anderem verantwortlich für die Umsetzung der Russland-Sanktionen. Im Geldcast erklärt Budliger Artieda, warum sie die ausländischen Vorwürfe gegen die Schweiz für nicht gerechtfertigt hält.
Es gibt viel zu tun im Seco
Blick zurück: Als Russland im Februar 2022 die souveräne Ukraine angriff, waren in der Schweizer Bundesverwaltung nur gerade acht Personen für die Umsetzung von Sanktionen gegen kriegstreibende Länder zuständig – viel zu wenig, um die vielen Anfragen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zu bewältigen. Mittlerweile arbeiten alleine im Seco mehr als 20 Personen an dieser Aufgabe, dazu kommen dutzende weitere Personen, zum Beispiel bei der Finanzmarktaufsicht (Finma) oder den Banken.
In der Schweiz sind bislang russische Vermögenswerte im Gegenwert von 7,5 Milliarden Franken blockiert worden, dazu kommen 7,4 Milliarden Franken eingefrorene Gelder der russischen Zentralbank. Helene Budliger Artieda ist stolz auf diese Zahlen: Die Schweiz habe deutlich mehr Gelder blockiert als andere Länder.
Seco-Chefin ist irritiert über die ausländische Kritik an der Schweiz
Sie versteht darum auch nicht, wenn das Ausland die Schweiz kritisiert. Der amerikanische Botschafter in der Schweiz, Scott Miller, sagte im März gegenüber der NZZExterner Link, die Schweiz könnte noch viel mehr tun, um die Russland-Sanktionen umzusetzen: Bis zu 100 Milliarden Franken zusätzlich könne das Seco blockieren.
Budliger Artieda nimmt das gelassen. Solche Anschuldigungen höre sie nur auf politischer Ebene, im Austausch mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung aber kaum, so die Seco-Chefin.
Dabei ist unklar, wer Recht hat: Insgesamt gibt es laut einer Schätzung der Schweizerischen Bankiervereinigung rund 150 Milliarden russischer Vermögenswerte in der Schweiz; nur fünf Prozent davon sind aktuell blockiert.
Man müsse aber sehen, so Budliger Artieda: Die Schweiz sei ein Rechtsstaat. Sie und ihr Team dürften nicht auf Vorrat verdächtige Vermögen einfrieren; es gebe durchaus auch russische Gelder, die nicht-sanktionierten Personen gehörten.
Zudem haben alle Personen und Firmen die Möglichkeit, Einsprache zu erheben, wenn ihre Gelder blockiert würden. «Und vor Gericht wollen wir selbstverständlich nicht ständig verlieren.»
Zudem setzt sie ein Fragezeichen hinter die geschätzte Summe an russischen Vermögen in der Schweiz: «Ich weiss nicht, wie die Bankiervereinigung auf diese 150 Milliarden Franken kommt.»
Die Schweiz macht nicht mit in der G7-Arbeitsgruppe
Internationale Kritik musste die Schweiz zuletzt auch einstecken, weil sie sich weigert, in der G7-Arbeitsgruppe zu den Russland-Sanktionen mitzumachen – obwohl sie dafür eine formelle Einladung der G7 erhalten hat.
Eine Teilnahme würde aktuell geprüft, liess der Bundesrat erst kürzlich ausrichten. Gleichzeitig empfiehlt er einen parlamentarischen VorstossExterner Link der grünen Nationalrätin Franziska Ryser zur Ablehnung, der eine Beteiligung an der G7-Arbeitsgruppe fordert.
Budliger Artieda sagt dazu: Es gebe bereits heute eine technische Zusammenarbeit mit den G7-Ländern. Das funktioniere gut, auch ohne formelle Mitgliedschaft in der Arbeitsgruppe. Und auch insgesamt ist Budliger Artieda zufrieden damit, wie die Russland-Sanktionen umgesetzt werden. Ihrem Team gibt sie dafür die Note 5,5. Auf der Schweizer Notenskale von 1 bis 6 ist das ein «Sehr gut».
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