Schwarzer Rauch zum Schutz… vor dem Rauchen
In der Schweiz wird es weiterhin öffentliche Lokale geben, in denen in separaten und bedienten Räumen geraucht werden darf. Eine Volksinitiative, die das in allen Kantonen verbieten will, wird voraussichtlich abgelehnt.
Etwas mehr als eine Woche vor der Abstimmung am 23. September ist die Unterstützung für die Initiative «Schutz vor Passivrauchen» eingebrochen. Dies zeigt die jüngste Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR. Das Volksbegehren möchte das Rauchverbot in geschlossenen Arbeitsräumen und öffentlichen Lokalen, das heute in acht Kantonen gilt, auf die ganze Schweiz ausdehnen.
Gegenwärtig erlaubt das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen Restaurants und Hotels, Personal in Raucher-Räumen zu beschäftigen. In Betrieben, die kleiner als 80 Quadratmeter sind, darf geraucht werden, sofern eine kantonale Bewilligung vorliegt. Die einzelnen Kantone können aber strengere Regeln bestimmen. Folglich sind diese je nach Kanton unterschiedlich.
Diese Situation scheint die Mehrheit des Stimmvolks jedoch nicht zu stören. Die Initiative, die öffentliche Aufenthaltsräume, in denen geraucht werden darf, sowie separate und bediente Raucherräume in öffentlichen Lokalen (Fumoirs) landesweit verbieten will, würde nach der 2. Umfrage zu den Abstimmungen vom 23. September von 52% abgelehnt. Lediglich 41% würden ihr zustimmen, und 7% wissen noch nicht, wie sie abstimmen werden.
Stimmungsumbruch nicht mehr möglich
Angesichts dieser Zahlen scheint ein Stimmungsumbruch zugunsten der Initiative nicht mehr möglich. Der Einbruch der Unterstützung für das Volksbegehren erfolgte im Verlauf der Abstimmungskampagne. In der ersten SRG-Umfrage vor vier Wochen hätten noch 59% die Initiative angenommen. 36% hätten sie abgelehnt, und 5% hatten noch keine Meinung dazu.
Der Rückgang der Befürworter und der Aufschwung der Gegner der Initiative zeigen den üblichen, klassischen Weg von Volksbegehren: Zu Beginn überwiegen die Ja-Stimmen, doch je mehr sich das Abstimmungsdatum nähert, desto klarer wendet sich der Kurs, und am Ende resultiert an der Urne ein Nein, wie Martina Imfeld, Forscherin von gfs.bern, am Mittwoch anlässlich der Präsentation der Umfrage erklärte.
Allerdings sei ein Sturz von 18% bei den Befürwortern aussergewöhnlich, erklärte der Direktor des Forschungsinstituts, Claude Longchamp. Üblicherweise betrage der Rückgang der Unterstützung von Volksinitiativen zwischen der ersten und der zweiten Umfrage durchschnittlich 11 Prozentpunkte.
Ein Nein zu «Zwängereien»
Dass jetzt eine Mehrheit die Initiative ablehnen würde, ist vor allem auf das Argument der «Zwängerei» zurückzuführen. Mit anderen Worten: Das vom Parlament verabschiedete Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen, das seit 1. Mai in Kraft ist, ist ein Kompromiss, mit dem alle leben können. Umso mehr als die einzelnen Kantone strengere Bestimmungen einführen können. Es gibt also keinen Grund, das Gesetz nach so kurzer Zeit zu verändern. So argumentieren die Gegner der Initiative.
«Die Gegner haben den Schwachpunkt des Volksbegehrens erkannt und diesen in der Kampagne benutzt», so Longchamp. Das Argument habe verfangen und einen allgemeinen Meinungsumschwung bewirkt, ohne Unterschied zwischen der Art der Stimmenden: Männer, Frauen, Raucher, Nichtraucher, Wähler von Kantonen, in denen die von der Initiative geforderten Bestimmungen bereits gelten, Wähler von Kantonen mit lockereren Bestimmungen, in allen Sprachregionen des Landes, in allen Alterskategorien und Parteien.
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Volksinitiative
Unsicherheiten beim «Sicheren Wohnen»
Noch sehr offen erscheint das Rennen um die zweite Volksinitiative, «Sicheres Wohnen im Alter», die auch am 23. September zur Abstimmung ansteht. Der vom Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) vorgeschlagene Verfassungstext erhält in der zweiten Umfrage noch eine relative Mehrheit von 46% Ja, gegenüber 35% Nein. 19% haben sich noch nicht entschieden.
Der Meinungstrend könnte sich noch in eine Richtung gegen den HEV-Vorschlag entwickeln. Der Verband will pensionierte Haus- und Wohnungseigentümer von der Grundsteuer auf dem Eigenmietwert ihrer Liegenschaft befreien. Der fiktive Eigenmietwert wird gegenwärtig zum steuerbaren wirklichen Einkommen addiert. Er entspricht etwa der Einnahme, die sich ergäbe, falls der Eigentümer seine Liegenschaft vermieten würde. Im Gegenzug könnte der Eigentümer den Aufwand für seine geschuldeten Hypothekarzinsen nicht mehr abziehen, und auch die anderen Abzüge wären stark eingeschränkt.
Gegenüber der ersten Umfrage nahm die Zustimmung zum Vorschlag um 9 Prozentpunkte ab, während die Ablehnung um 10 Punkte wuchs. Da könne noch Vieles geschehen, schätzt Claude Longchamp. Der Ausgang dieser Initiative sei mit grossen Unsicherheiten behaftet.
Nur 52% der Befragten seien absolut sicher, wie sie am 23. September abstimmen werden. Es gebe eigentlich kein Argument, das wirklich überzeugen könne. Dafür herrsche ein ziemliches Durcheinander, was die Motive der Befragten betreffe, für oder gegen die Initiative zu sein. Der Politologe schätzt, dass der Entscheid eher auf einem individuellen Gefühl beruhe als auf präzisen Ursache-Folge-Argumenten.
Klarheit bei Jugendmusikförderung
Für die dritte Vorlage vom 23. September zeichnet sich ein Ja ab. Zwischen der ersten und zweiten Umfrage stieg die Zustimmung für einen neuen Verfassungsartikel zur Jugendmusikförderung von 68 auf 73%. Die Ablehnung fiel von 23 auf 17%. Die restlichen 10% entfallen auf noch Unentschlossene.
Zustimmung gibt es auch bei den Wählern der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP), obschon diese Parteien als einzige diesen Bundesbeschluss ablehnen. Bund und Kantone werden sich demnach auf einen qualitativ guten Zugang zu Musikunterricht und auf eine Förderung von Musiktalenten einstellen müssen.
Stimmabstinente in der Mehrheit
Bei der Abstimmung vom 23. September dürften die Abstinenten dominieren. In der zweiten Umfrage sagten nur 42% zu, sicher stimmen zu gehen. Die gfs-Experten gehen deshalb nicht von einer viel höheren Stimmbeteiligung aus.
Für die demoskopische Untersuchung hat das Institut gfs.bern zwischen dem 3. und dem 18. September eine repräsentative Stichprobe von 1404 Stimmberechtigten telefonisch befragt, verteilt in allen Sprachregionen der Schweiz.
Aus Gründen des Datenschutzes geben die Behörden die Koordinaten von Auslandschweizern nicht mehr bekannt. Daher werden sie in den Umfragen der SRG SSR zu Abstimmungen und Wahlen nicht mehr berücksichtigt.
Der Stichprobenfehler beträgt ±2,7 Prozent.
Auftraggeber ist die Chefredaktoren-Konferenz der SRG SSR.
Die Volksinitiative «Schutz vor Passivrauchen» wird von rund 50 Organisationen im medizinisch-gesundheitlichen Bereich unterstützt, besonders von der Krebs- und der Lungenliga, der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), Gewerkschaften, der Sozialdemokratischen Partei, der Grünen und der Evangelischen Volkspartei.
Bekämpft wird sie indessen von allen anderen Parteien, die im Parlament vertreten sind, von Wirtschafts- und Arbeitgeberorganisationen, besonders seitens der Hotellerie und Gastronomie.
Die Eidg. Kommission für Tabakprävention hatte dem Bundesrat vorgeschlagen, die Volksinitiative zu unterstützen. Doch dieser wies den Vorschlag zurück.
Auch vor dem Parlament hatte die Kommission keinen Erfolg. Der Nationalrat wies sie mit 138 Nein- gegen 52 Ja- und 4 Enthaltungen zurück, der Ständerat mit 28 Nein- gegen 7 Ja-Stimmen und 7 Enthaltungen.
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud, Alexander Künzle)
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