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Pflegeinitiative: «Keine angemessene Antwort auf den Pflegenotstand»

"Die Spitäler haben kein Geld mehr. Wie also soll das Pflegepersonal besser entlöhnt werden können?", fragt Anne-Geneviève Bütikofer, Direktorin von H+. © Keystone / Christian Beutler

Der Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative könne die Forderungen der Branche besser erfüllen, sagt Anne-Geneviève Bütikofer, Direktorin des Schweizer Spital-Dachverbands H+.

Der Mangel an Pflegefachpersonal in der Schweiz muss behoben werden – darin sind sich alle einig. Für die Gegnerschaft gehen die Forderungen der Initiative «Für eine starke Pflege» allerdings zu weit. Die Vorlage fordert von Bund und Kantonen nicht nur eine Ausbildungsoffensive, sondern auch eine Garantie für bessere Arbeitsbedingungen.

Das Nein-Lager ist der Ansicht, dass die Behörden diesen zweiten Punkt nicht umsetzen können. Es unterstützt deshalb den von Bundesrat und Parlament ausgearbeiteten Gegenvorschlag, der für die Aus- und Weiterbildung Investitionen von rund einer Milliarde Franken über acht Jahre vorsieht.

Ausserdem sollen Pflegefachpersonen bei der Abrechnung bestimmter Leistungen mit der obligatorischen Krankenkasse auf eine ärztliche Verordnung verzichten können. Der indirekte Gegenvorschlag würde die wichtigsten Forderungen der Initiative aufgreifen, sagt Anne-Geneviève Bütikofer, Leiterin des Schweizer Spital-Dachverbands H+.

swissinfo.ch: Warum ist der Schweizer Spital-Dachverband gegen die Pflegeinitiative?

Anne-Geneviève Bütikofer: Wir teilen die Bedenken der Initiative, sind aber der Meinung, dass sie keine angemessene und schnelle Antwort auf den Pflegenotstand gibt. Deshalb unterstützen wir den Gegenvorschlag. Dieser hat den Vorteil hat, dass er die wichtigsten Anliegen der Vorlage aufgreift und für ihre rasche Umsetzung sorgt.

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Die Zahlen sind alarmierend: 2030 könnten in der Schweiz 65’000 Pflegekräfte fehlen. Werden die im Gegenentwurf vorgesehenen Investitionen in die Ausbildung wirklich reichen?

Der jüngste Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums, der Anfang September veröffentlicht wurde, zeigt eine Verbesserung der Lage. Die Zahl der in der Pflege und Betreuung tätigen Personals wuchs zwischen 2012 und 2019 um 19%. Doch diese Fortschritte reichen nicht aus. Die Prognose für 2019 bis 2029 zeigt, dass nur 80% des Bedarfs an Fachkräften gedeckt werden können.

Es müssen also dringend mehr Menschen ausgebildet werden. Zu diesem Zweck sieht der Gegenvorschlag eine Investition von einer Milliarde Euro in die Ausbildung vor. Das ist eine beachtliche Summe, und die Bildungsoffensive könnte sofort beginnen. Bei der Initiative würde dies länger dauern, weil das Parlament noch ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten müsste.

Fast die Hälfte (46%) der Pflegefachkräfte verlässt den Beruf. Reichen Investitionen in die Ausbildung wirklich aus, um Menschen im Beruf zu halten?

Der Gegenvorschlag trägt auch zur Aufwertung des Berufs bei. Es ist eine Sache, mehr Menschen auszubilden, aber eine andere, Austritte zu verhindern. Dem Pflegepersonal werden mehr Kompetenzen übertragen, zudem wird in Weiterbildungsmöglichkeiten investiert. So kann die Attraktivität des Berufs erhöht werden.

«Die Spitäler haben kein Geld mehr. Wie also soll das Pflegepersonal besser entlöhnt werden können?»

Das Ja-Lager fordert bessere Arbeitsbedingungen. Der Gegenvorschlag allerdings nicht…

Für H+ geht die Initiative in diesem Punkt zu weit. Die Arbeitsbedingungen sollten nicht auf Verfassungsebene geregelt werden. Sie werden im Dialog zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt. Wir verstehen, dass Krankenpfleger:innen Verbesserungen sehen wollen, aber wir finden, dass dafür entsprechende Ausbildungen Voraussetzung sein sollten.

Wenn wir über Arbeitsbedingungen sprechen, geht es nicht nur um Löhne, sondern um Aus- und Überlastung und flexible Arbeitszeiten. Wenn mehr Personal zur Verfügung steht, sind die bestehenden Teams weniger überfordert, und das Arbeitsklima ist angenehmer. Die Ausbildungsoffensive und die Erweiterung der Kompetenzen bieten viele rasche Lösungen auf sehr dringliche Anliegen.

Was wird H+ tun, um die Arbeitsbedingungen der Spitalangestellten zu verbessern?

Wir verhandeln über eine bessere Finanzierung der Spitäler. Mehr Mittel sind nötig, um mehr Personal einzustellen und die Situation vor Ort zu verbessern. Leider befinden wir uns in einer schwierigen Situation, weil die Krankenhäuser chronisch unterfinanziert sind. Die Tarife reichen nicht aus, um die Dienste zu finanzieren. Durch eine neue Preisstruktur auf Basis von Pauschalen erhoffen wir uns eine Verbesserung im ambulanten Bereich. Der Plan wird dem Bundesrat bis Ende Jahr vorgelegt.

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Während des ersten Lockdowns gab es viele Solidaritäts- und Dankesbekundungen gegenüber Pflegekräften. Nun fühlen sich diese Menschen im Stich gelassen. Wäre eine Lohnerhöhung nicht eine angemessene Geste?

Die harte Arbeit des Spital- und Pflegepersonals muss anerkannt werden. H+ kann jedoch nicht über Lohnbedingungen in spezifischen Einrichtungen entscheiden. Es ist Aufgabe der Spitäler, mit den Sozialpartnern zu verhandeln, was übrigens bereits geschehen ist, und gemeinsam zufriedenstellende Lösungen zu finden.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Pandemie grosse Kosten verursacht hat. Die Spitäler haben kein Geld mehr. Wie also soll das Pflegepersonal besser entlöhnt werden können?

Sophie Ley setzt sich für die Pflegeinitiative ein. Im Interview erklärt sie, warum sie dafür ist:

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(Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer)

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