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Nationale Abstimmungen vom 13. Februar 2022

Keine Direktzahlungen: Souverän schickt verstärkte Schweizer Medienförderung bachab

Kioskaushang mit Schweizer Zeitungen
David gegen Goliath: Traditionelle Medien stehen gegen die digitalen Riesen aus dem Silicon Valley immer schwerer. Eines aber bleibt: Die Schweizer Bürger:innen müssen an der Urne regelmässig informierte Entscheide treffen - so wie heute. Für ihre Förderung soll der Staat aber nicht mehr Geld aufwerfen, und schon gar keine direkten Gelder ausrichten, entschieden die Schweizer Stimmbürger:innen. © Keystone / Urs Flueeler

Das Schweizer Stimmvolk will keine stärkere Förderung der Medien: 54,6% haben ein Paket mit ausgebauten und neuen Förderinstrumenten abgelehnt, 45,4% nahmen es an. Umstritten war insbesondere, dass der Staat Online-Medien neu auch direkt hätte untersützen wollen. Die siegreichen Gegner:innen sahen die Unabhängigkeit der Medien in Gefahr.

«Es war schon eine polarisierte Diskussion, jetzt ist es ein klares Nein: Die Sache ist gegessen, es wird kein solches Medienpaket geben», sagte Politikanalyst Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern bereits kurz nach Schliessung der Stimmlokale am Sonntagmittag.

Das Verdikt in Zahlen: 1’303’243 stimmten Nein,  1’085’237 legten ein Ja ein. Die Stimmbeteiligung betrug 44,1%. Das ist ein markanter Rückgang, hatten beim letzten nationalen Urnengang in der Schweiz doch 65% der Berechtigten teilgenommen.

«Corona hat die politische Diskussion stark verändert»

Der Blick auf die Resultate in den Kantonen zeigt zudem wieder einmal den so genannten Röstigraben zwischen den Sprachregionen: Die französischsprachige Westschweiz sagte mehrheitlich Ja, unterstützt von den grossen Städten in der Deutschweiz. Diese aber war matchentscheidend, weil sie die Mehrheit der Kantone stellt – und diese nichts vom neuen Modell wissen wollten.

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In der Pro-Kampagne habe es Probleme bei der Kommunikation gegeben, sagte Golder am Schweizer Fernsehen zu den Gründen für das Scheitern. Die Gegner:innen hätten insbesondere mit dem Argument punkten können, dass die falschen Medien profitieren würden. «Dazu stellt sich die Frage, ob das Paket von Bundesrat und Parlament nicht überladen gewesen war», sagte Golder.

Der Ausgang auch bei den anderen drei Vorlagen zeigt laut dem Politikexperten klar, «dass die Corona-Pandemie die Diskussion in der Schweiz stark verändert hat». Insbesondere mit ihren erfolgreichen Referenden hätten die Gegner:innen von Behördenvorlagen früh ein starkes Zeichen setzen können. Darauf deuteten laut Golder bereits die Umfragen von Ende letzten Jahres hin.

Im folgenden Beitrag erfahren Sie die Details der geplanten, nun gescheiterten Medienförderung:  

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Sommaruga: «Fuder wohl überladen»

Das Verdikt ist auch eine Niederlage für Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Mit dem sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgebauten Förderpaket wollte die Medienministerin die angeschlagenen Schweizer Medien im ungleichen Konkurrenzkampf gegen die globalen Digitalriesen wie Facebook, Google und andere Big-Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley unterstützen.

«Vor allem in der Deutschschweiz stiess die Vorlage auf Ablehnung», sagte Sommarga vor den Medien. Für viele habe das Parlament wohl das Fuder überladen, kam sie zum selben Schluss wie Golder. «Auch ist der Eindruck entstanden, dass vor allem auch die grossen Verlage profitieren würden.»

«Mit dem Entscheid von heute gibt es keine Aufstockung der Mittel für die Medienförderung», machte sie klar. Genau das dürfe für viele Medienhäuser zur Herausforderung werden. Aber es gelte, das Resultat zu akzeptieren.

Der heutige Entscheid ändere nichts daran, dass die Medien in der Schweiz eine wichtige Arbeit leisteten, sagte Sommaruga. Sie blieben deshalb für eine funktionierende Demokratie wichtig.

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Dass Sommaruga damit scheitern könnte, hatte sich auch in den beiden grossen Umfragen in den letzten Wochen vor dem Urnengang abgezeichnet, die gfs.bern für die SRG machte: Dabei hatte das Ja-Lager zwar anfänglich dominiert, aber in der zweiten Befragung klar an Terrain eingebüsst.

Sieger:innen: «Neue Lösungen gefragt»

Peter Weigelt, Ex-Nationalrat und Verleger, der das erfolgreiche Referendumskomitee präsidierte, reagierte mit «Genugtuung, Befriedigung, aber ohne Jubel» auf das Verdikt. Von einem Sieg mochte er aber dennoch nicht sprechen, denn die Politik müsse sich jetzt bemühen, neue Lösungen in der Frage der Medienförderung zu finden.

Das Stimmvolk habe ein «genaues Sensorium dafür, was richtig und was falsch» sei, sagte Weigelt. Das Paket sei dermassen falsch aufgebaut und mit Steuergeldern alimentiert gewesen, dass das Volk es nicht mitgetragen habe.

Gregor Rutz, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), zeigte sich erleichtert über die Versenkung des Medienpakets. «Es geht am Schluss um die Kernfrage in der Demokratie: Haben wir freie, unabhängige Medien? Haben wir einen Meinungsaustausch, der in aller Vielfalt auch abgebildet werden kann?»

Rutz wertet das Nein auch als klaren Richtungsentscheid gegen eine überladene Medienförderung. «Medien sind private Unternehmen. Da sollte sich der Staat zurückhalten und den Markt spielen lassen.»

Laut Nationalrätin Christa Markwalder von der Partei FDP.Die Liberalen, die ebenfalls gegen die Vorlage kämpfte, habe das Stimmvolk viele Elemente des Pakets nicht goutiert, insbesondere nicht die direkten Fördergelder des Staates. «Das Verdikt ist ein klares Nein im Wissen, dass die indirekte Medienförderung weiter besteht,» sagte sie. Das Nein habe zudem die Ungerechtigkeit verhindert, dass nur regionale Online-Medien mit einer Bezahlschranke profitiert hätten .

Verlierer:innen: «Konnten Fokus auf kleine Medien in Regionen legen»

Auf der Seite der Verlierer:innen sprach Simon Jacoby, Co-Präsident des Pro-Komitees «Medien mit Zukunft», von einer schmerzlichen Niederlage. Aber sie hätten immerhin geschafft, den Fokus der Öffentlichkeit auf jene Bereiche zu richten, in denen der Journalismus wichtige Funktionen übernehme: bei den kleinen du mittleren Medien in den Regionen. Als Grund für das Nein nannte auch Jacoby, dass das Parlament das Paket überladen habe.

Nationalrat Martin Candinas von der Mitte-Partei, der für die neue Medienförderung kämpfte, war ebenfalls enttäuscht: «Es ist ein klares Ergebins. Es war ein Kompromiss um ein komplexes Paket. Das Volk fand, das sei kein guter Kompromiss,» so Candinas. 

Nationalrat Matthias Aebischer von den Sozialdemokraten sagte, dass der Kompromiss «nicht für alle Gruppen gestimmt» habe.

«Halbierungsinitiative» kommt, aber wann?

Candinas zeigte sich pessimistisch, was die Fortsetzung der Debatte um eine neue Medienförderung betrifft. «Es wird sehr schwierig werden, eine neue Vorlage zu zimmern», sagte er. Auch Matthias Aebischer äusserte sich skeptisch. «Ich habe heute von den Parteien ein ganzes Potpourri an neuen Lösungsvorschlägen gehört. Da wird es sehr schwierig, einen gangbaren Kompromiss zu finden.» Aber die Unterlegenen würden das Nein-Komitee beim Wort nehmen, dass in einer neuen Lösung kein Geld an die grossen Verlage fliessen dürfe.

SVP-Nationalrat Gregor Rutz kündigte am Schweizer Radio SRF einem neuen Angriff seiner Partei auf die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) an: Ein überparteiliches Komitee arbeite an einer neuen Initiative zu den Empfangsgebühren, so Rutz. Ob diese so genannte Halbierungsinitiative bereits kurz nach dem heutigen Abstimmungssieg komme, liess er aber offen. Im angekündigten Vorschlag will die rechtskonservative Partei die obligatorische Jahresgebühr für die SRG bei 200 Franken deckeln. Heute beträgt sie 335 Franken. 

Aber die Marschrichtung skizzierte Rutz ganz klar: «Die Kernfrage lautet, was der Staat als Service Public garantieren muss und was man den privaten Medien überlassen kann. Die SRG macht tatsächlich zu viel, gerade im Onlinebereich, da könnte man schon einschränken.»

Martin Candinas konterte, dass dei Annahme völlig illusorisch, wenn man die einen schwäche, würden die anderen automatisch stärker. Matthias Aebischer bezeichnete das SVP-Vorhaben als «Rasenmäherinitiative», welche die Schwächung der Qualtiät der Medienzum zum Ziel habe. 

Eine Absage an die SVP-Forderung erteilte Christa Markwalder. Sie sei auch nicht immer zufrieden mit SRF. Aber daraus könne man nicht schliessen, dass man die SRG-Gebühren halbieren solle. «Und man muss sich keine Illusionen machen: Das ist eine populistische Forderung.» Da sei sie zurückhaltend.

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