Die Volksinitiative, die auf die Kriegsmaterialindustrie zielt
Grosse Anleger wie die Schweizerische Nationalbank, Pensionskassen und private Vorsorgestiftungen sollen nicht mehr in Unternehmen investieren dürfen, die Waffen und Rüstungsgüter produzieren. Über ein solches Verbot stimmen Ende November die Schweizerinnen und Schweizer ab.
Mit ihrer Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten»Externer Link fordern Exponentinnen und Vertreter aus dem links-grünen Lager das Ende solcher Investitionen.
Darüber hinaus wird auch die Schweizer Regierung in die Pflicht genommen: Sie soll sich für ein internationales Abkommen einsetzen, das einen solchen generellen Investitionsstopp für den gesamten Banken- und Versicherungssektor vorsieht.
Die vorgeschlagene Verschärfung der Vorschriften über die Finanzierung von Herstellern von Kriegsmaterial ist Teil der Debatten über ethische Anlagestrategien in der Wirtschaft.
Ja, aber…
Die erste von zwei Umfragen zur Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» ergab einen Ja-Anteil von 54%. 41% lehnten die Forderung ab, während fünf Prozent noch unentschieden waren. Daraus zu schliessen, dass die Initiative am 29. November durchkommt, wäre aber fehl am Platz. Dies, weil die Meinungsbildung zum Vorhaben bei den Stimmenden noch nicht abgeschlossen ist.
Die Umfrage hat das Institug gfs.bern im Auftrag der SRG SSR durchgeführt, zu der auch SWI swissinfo.ch gehört.
Vom 5. bis 19. Oktober wurden knapp 15’300 Personen befragt.
Die Abstimmung findet am 29. November statt. Gleichzeitig befinden die Stimmberechtigten über eine weitere Verfassungsänderung: Die Konzernverantwortungs-Initiative will multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dazu verpflichten, Standards betreffend Arbeit und Umwelt auch ausserhalb der Schweiz einzuhalten. Andernfalls können sie in der Schweiz für Verstösse im Ausland haftbar gemacht und bestraft werden.
Die von den jungen Grünen und der pazifistischen «Gruppe Schweiz ohne Armee» (GSoA) lancierte Volksinitiative will Schweizer Finanzinvestitionen in Unternehmen, die konventionelle Kriegsgüter produzieren, verbieten.
Jegliche Form der finanziellen Unterstützung einschliesslich der Vergabe von Krediten oder des Kaufs von Aktien und Obligationen einer waffenproduzierenden Firma wäre nach einem Ja illegal.
Hersteller von so genannten Dual-Use-Gütern wären vom allfälligen Verbot nicht betroffen. Darunter würden nur jene Unternehmen fallen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Produktion von Kriegsmaterial erwirtschaften, einschliesslich Panzer, Geschütze, Kampfflugzeuge und Komponenten.
Investitionen und Handel mit biologischen, chemischen und nuklearen Waffen sowie mit Antipersonenminen und Streumunition sind in der Schweiz bereits verboten.
Sollten die Schweizer Bürgerinnen und Bürger einem solchen Anlageverbot zustimmen, müssten die Schweizerische Nationalbank, die staatliche Alters- und Invalidenversicherung sowie die mehr als 1500 Pensionskassen ihre Anlageportfolios überprüfen.
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Die genannten Institute verwalten ein Anlagevermögen in der Höhe von insgesamt 1770 Milliarden Franken. Diese Zahl hat die Schweizer Regierung Ende letzten Jahres genannt. Nicht bekannt ist aber der genaue Anteil, der in Betrieben angelegt ist, die Kriegsgüter fabrizieren.
Die Befürworter argumentieren, dass das Finanzkapital dazu beitrage, bewaffnete Konflikte in der ganzen Welt anzuheizen. Das laufe dem Image der Schweiz als jenem Land auf der Welt zuwider, das besonders der internationalen humanitären Tradition verpflichtet ist.
Zudem steht in den Augen des Initiativkomitees im Widerspruch, wenn sich die Schweiz in Konfliktfällen als neutrale Vermittlerin anbietet, aber gleichzeitig jene Firmen unterstützt, welche die Welt mit Kriegsmaterial versorgen.
Schliesslich sei die Initiative ein Schritt hin zu mehr Transparenz im Schweizer Bankensektor und zu nachhaltigeren Investitionen.
Für die Gegner bringt die pazifistische Initiative Nachteile für die Wirtschaft. Dies insbesondere, weil sie die Investitionspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und jene der Pensionskassen einschränken würde.
Sie befürchten, dass sowohl grosse Schweizer Waffenproduzenten als auch kleine und mittlere Unternehmen, die Komponenten für die Rüstungsindustrie liefern, Einbussen erleiden könnten.
Die Gegner bezeichnen die Initiative auch als einen Angriff auf die Schweizer Armee.
2018 reichte das links-grüne Initiativkomitee die nötigen Unterschriften ein – mindestens 100’000, die innerhalb von 18 Monaten gesammelt werden mussten. Das Überspringen dieser Hürde bedeutet, dass die Schweiz darüber abstimmen kann.
Sagt das Schweizer Volk Ja zu einer Volksinitiative, wird die gutgeheissene Forderung in die Verfassung aufgenommen. Danach muss das Parlament den neuen Verfassungsauftrag in neue Ausführungsgesetze giessen. Dabei verfügt die Legislative über Spielraum.
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Für eine solche Verfassungsänderung braucht es ein «doppeltes Mehr»: Dieses besteht einerseits in der Mehrheit der Stimmenden und andererseits in der Mehrheit der 26 Kantone des Landes. Sagt das Stimmvolk mehrheitlich Ja, die Mehrheit der Kantone dagegen Nein, ist die Vorlage am so genannten Ständemehr gescheitert.
Linksparteien, darunter die Sozialdemokraten und die Grünen, sind die Hauptbefürworter der Initiative. Auch verschiedene pazifistische und Menschenrechtsgruppen haben sich für die Initiative ausgesprochen.
Dagegen sind die Regierung und die Mehrheit des Parlaments sowie alle wichtigen Parteien von der Mitte bis zur politischen Rechten. Auch die Wirtschaft, insbesondere der Banken- und Versicherungssektor und die Maschinenbauindustrie, gehören zu den Gegnern.
Die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) steht auch hinter einer weiteren Volksinitiative, die sich für ein Verbot von Waffenexporten in Länder einsetzt, die in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Betroffen wären auch Länder, die sich systematische Menschenrechtsverletzungen haben zu Schulden lassen kommen. Der Termin für diese Abstimmung ist noch nicht bestimmt.
Im Jahr 2009 haben die Schweizer Stimmberechtigten eine ähnliche Initiative, die ebenfalls von der GSoA stammte, wuchtig verworfen.
Die Armeeabschaffer waren in den letzten 30 Jahren die treibende Kraft hinter mehreren landesweiten Abstimmungen über die Streitkräfte des Landes, unter anderem über die Anschaffung von Kampfjets und die Waffenkontrolle.
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