Schweiz-Asien: Ansturm Richtung Osten
Drei Schweizer Bundesräte sind gleichzeitig in Asien. Die Schweiz eröffnet Botschaften, verstärkt ihre Anstrengungen zur Unterzeichnung von Freihandels-Verträgen und macht regionalen Foren schöne Augen. Nie zuvor war Asien für die Schweiz derart attraktiv.
Didier Burkhalter besucht die Shwedagon Pagode in Yangon, ehemals Rangoon, das Heiligtum der Heiligtümer des birmanischen Buddhismus.
Bei seinem Besuch wird er bereits von einigen Schweizer Touristen erkannt, die ihn in breitestem Schweizerdeutsch begrüssen.
Die Schweizer sind bereits da, bestätigt Jean-Michel Romon, ein Westschweizer Reiseunternehmer, der bereits seit 16 Jahren in Yangon lebt und ein «fettes, fettes Jahr» erwartet.
Zu verdanken sei dies dem «enormen Wandel, den man seit Beginn des Jahres 2012 beobachtet. Die Mauer der Angst ist gefallen, die Burmesen haben keine Angst mehr, sich zu äussern». Und Romon ergänzt: «Ein westlicher Tsunami erreicht gegenwärtig Burma, um zu investieren oder politische Kontakte wiederherzustellen.»
Touristen, die Burma bereits einmal besucht haben, trauen ihren Augen und Ohren nicht, wenn sie heute in Yangon aussteigen. Jeder Taxichauffeur erzählt ihnen von seiner Bewunderung für Aung San Suu Kyi, ein Name, der noch vor zwei Jahren nicht ausgesprochen werden durfte.
Die Oppositionsführerin und Nobelpreisträgerin hatte im letzten März die Schweiz für ihre erste Auslandreise ausgewählt. Heute kommt die Schweiz zu ihr, in Person von Aussenminister Didier Burkhalter, der zur Eröffnung der Schweizer Botschaft in Yangon angereist ist und die burmesische Führung getroffen hat. Auch wenn er keine Schweizer Investoren dabeihabe, gebe es bereits solche, die sich interessierten, so Burkhalter.
Kein Geschäft ohne Menschenrechte
Dass die Schweiz derart stark in Myanmar investiert (Botschaft, mehr als sechsmal höheres Budget für Humanitäres und Kooperation), lässt darauf schliessen, dass die Möglichkeiten vielfältig sind. «Das ist Asien, mit dieser Möglichkeit, einen neuen Motor in einer Zone zu schaffen, die für die Weltwirtschaft potenziell bereits sehr stark ist. Und das in jenem Moment, wo es anderswo zu einem Abschwung kommt», sagt Didier Burkhalter.
Es sei wichtig, «dass es langfristig wirkt. Man muss sich gefasst machen auf eine sehr grosse wirtschaftliche Entwicklung, darf aber daneben die Entwicklungen in Sachen Demokratie, Menschenrechte, Frieden und Regelung von ethnischen Konflikten nicht vergessen. Man spürt, dass alles möglich ist, dass aber alles noch sehr fragil ist. Daher ist eine Präsenz unseres Landes sehr wichtig.»
Von burmesischer Seite wird das Engagement der Schweiz begrüsst. «Unser Land will versuchen, sein Banken-und Finanzsystem zu reformieren», sagt Win Shein, Finanzminister von Myanmar, gegenüber swissinfo.ch. «Die Schweiz ist das Land der Banken. Wir hoffen, dass sie uns unterstützen kann.» Und der Minister nutzt die Gelegenheit, Schweizer Investoren einzuladen, nach Myanmar zu kommen: «Die Veränderungen sind nachhaltig, der Wandel ist unumkehrbar, ich schwöre es!.»
Für Didier Burkhalter muss sich, damit die Unternehmen in Burma investieren, «die Menschenrechts-Situation verbessern. Diese Frage stand im Zentrum von all meinen Diskussionen».
Burmesische Kultur in Gefahr?
«Ein Bundesstaat wie die Schweiz bringt die Burmesen ins Schwärmen, deshalb sind wir hier gern gesehen», sagt Boris Grange, Schweizer Hotelier in Myanmar und seit Jahren im Land.
Laut ihm hat die Schweiz eine Rolle zu spielen, indem sie versucht, eine zu rasche Entwicklung und «Zitronenpress-Investitionen» zu verhindern: «Man kauft eine schöne Zitrone, presst sie aus und wirft sie weg. Wir sorgen uns auch um den Verlust der burmesischen Kultur.»
Der Schweizer Trumpf
Myanmar, oder vielmehr ganz Asien, schätzt die Schweiz, das ist eine Tatsache. Ihr Image als eine Insel des Wohlstands inmitten eines Europa in tiefster Krise «ist ohne Zweifel ein Trumpf», sagt Botschafter Beat Nobs, Chef der Politischen Abteilung Asien/Ozeanien im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Er hat am diesjährigen «Asia-Europe-Meeting» (ASEM) in der laotischen Hauptstadt Vientiane teilgenommen, wo die Schweiz am 5. November als neues Mitglied aufgenommen worden ist. Dabei waren auch Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und Bundesrat Didier Burkhalter.
Über Asien näher an Europa herankommen
Die Schweiz engagiert sich immer mehr in solchen regionalen Foren in Asien. Laut Nobs ist das zuallererst, weil «die grossen weltweiten Herausforderungen nicht ohne eine Partnerschaft zwischen Europa und Asien angegangen werden» können. «Die Schweiz muss mit dieser Region, einer der gegenwärtig dynamischsten, eng zusammenarbeiten.»
Ein anderer Vorteil, der etwas paradox wirkt, ist laut Widmer-Schlumpf, dass der Beitritt zum ASEM-Forum die Schweizer Beziehungen zur Europäischen Union (EU) vereinfacht: «Es erlaubt uns, informelle Kontakte zu pflegen und aktuelle Probleme anzusprechen», erklärt die Bundespräsidentin. So hat sie von ihrem Aufenthalt in Laos profitiert, um unter anderen François Hollande, Mario Monti und Dmitri Medwedew zu treffen.
Burkhalter bestätigt diese Einschätzung: «Indem es sich für Länder wie die Schweiz und Norwegen öffnet, erlaubt ein solches Forum, aufzuzeigen, dass Europa ohne die Schweiz nicht Europa ist.»
Doch profitiert die Schweiz, zusätzlich noch mit Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann in Malaysia, mit ihrem Engagement in Asien nicht einfach davon, dass sie dort noch einen besseren Ruf als in Europa hat, wo die Kritik viel härter ist?
«Sicher nicht!», antwortet der Aussenminister. «Europa ist für uns zentral.» Er habe allein in den letzten Monaten «mehr als 15 Minister von EU-Ländern getroffen, um die Zukunft der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu diskutieren. Das ist unsere erste Priorität, aber nicht die einzige.»
Während Didier Burkhalter und Eveline Widmer-Schlumpf Myanmar und Laos besuchten, verhandelte Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur.
Er konnte mit der Unterzeichnung eines Rahmendokuments den Weg für Verhandlungen über ein Freihandels-Abkommen zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und Malaysia ebnen.
«Die Schweiz ist ein Land, von dem wir viel lernen können», sagte der malaysische Minister für Handel und Industrie, Mustapa Mohamed, gegenüber seinem Amtskollegen. Beide bekräftigten den Wunsch, Handel und Investitionen in den beiden Ländern zu verstärken.
Die Schweiz exportiert hauptsächlich Maschinen, pharmazeutische Produkte und Uhren nach Malaysia, das laut Schneider-Ammann «ein Markt mit grossem Potenzial» ist. Dessen Wachstum beträgt jährlich über 5%.
Auf malaysischer Seite schätzt man, dass der Vertrag innert zweier Jahre unter Dach sein sollte. Oder noch weniger, schätzt die Schweizer Seite. So könnte die Europäische Union (EU) mit ihrem Versuch noch überholt werden.
Die Schweiz verfügt bereits über Freihandels-Verträge mit Singapur, Japan, Südkorea und Hongkong. Gegenwärtig verhandelt sie mit Indonesien, China, Indien, Vietnam und Thailand.
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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